Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Alle diese Gefahren würden natürlich nur drohender, wenn der Congreß
gar nicht zu Stande käme. Welche Hindernisse aber in diesem Fall einer
rechtzeitigen Defensivstellung, einer militärischen Bereithaltung des Bundes
entgegenstehen könnten, dafür hat man im deutschen Südwesten kein Verständ¬
niß. Darf Frankreich nicht um seine Rüstungen gefragt werden, so hat der
Bund doch wol dasselbe Recht, auch seine Maßnahmen ohne fremde Einsprache
zu treffen. Seine Stellung zur italienisch-östreichischen Frage wäre damit nicht
berührt. Preußen aber gewönne sicherlich ebenfalls einen nicht zu verachten¬
den Nachdruck für seine vermittelnde Thätigkeit als europäische Macht, wenn
es gestattete, daß der deutsche Bund in jedem Augenblick über seine materi¬
ellen Kräfte verfügen könnte. Namentlich aber wäre damit von vornherein die
Gefahr beseitigt, daß das großmannsüchtige Sonderinteresse den Aufschwung
des ehrlichen Patriotismus vom Hauptziel ablenken, auf falsche Wege leiten,
für seine Zwecke ausbeuten könnte/)




Die Polka."*)

Zu Anfang der dreißiger Jahre tanzte ein junges Bauermädchcn, das in
Elbeteinilz bei einem Bürger in Dienst stand, eines Sonntagnachmittags zur
eignen Erheiterung einen Tanz, den es sich selbst erdacht, und sang hierzu
eine passende Melodie. Der dortige Lehrer, Namens Josef Neruda, der zu¬
fällig anwesend war, schrieb die Melodie nieder, und der neue Tanz wurde
kurze Zeit darauf zum ersten Mal in Elbeteinitz getanzt. Um das Jahr
1835 fand er in der böhmischen Metropole Eingang und erhielt dort, wahr¬
scheinlich wegen des in ihm waltenden Halbschrittes von dem böhmischen
Worte MKa, d. i. die Hälfte, den Namen "Polka". Vier Jahre später




Anm. der Redact. ") Wir glaubten es dem deutschen Südwesten schuldig zu sein, einmal
seinen Ansichten auch in diesen Blättern Raum zu geben; was die letztere Bemerkung betrifft,
so ist sie schon in der vorigen Nummer erörtert worden. Könnte eine gemeinsame Rüstung
des Bundes ohne Oestreich stattfinden, so wäre sie -- und zum wahren Heile Oestreichs!
schon ins Werk gesetzt; auf Antrag des Bundespräsidiums unternommen, hieße sie so viel
als unbedingte Parteinahme; und diese bis nach dem Scheitern des letzten Versuchs einer
Verständigung zu verschieben, scheint uns ebenso im Interesse des Südwestens als Preußens
zu liegen. -- Da übrigens jeder Tag etwas Neues bringt, so bemerken wir, daß uns dieser
Artikel heute, 14. April zugeht.
Als Probe aus dem interessanten Büchlein: "Böhmische Nationaltänze." Cultur¬
studie von Alfred Wald an. -- Prag, Dominikus. --

Alle diese Gefahren würden natürlich nur drohender, wenn der Congreß
gar nicht zu Stande käme. Welche Hindernisse aber in diesem Fall einer
rechtzeitigen Defensivstellung, einer militärischen Bereithaltung des Bundes
entgegenstehen könnten, dafür hat man im deutschen Südwesten kein Verständ¬
niß. Darf Frankreich nicht um seine Rüstungen gefragt werden, so hat der
Bund doch wol dasselbe Recht, auch seine Maßnahmen ohne fremde Einsprache
zu treffen. Seine Stellung zur italienisch-östreichischen Frage wäre damit nicht
berührt. Preußen aber gewönne sicherlich ebenfalls einen nicht zu verachten¬
den Nachdruck für seine vermittelnde Thätigkeit als europäische Macht, wenn
es gestattete, daß der deutsche Bund in jedem Augenblick über seine materi¬
ellen Kräfte verfügen könnte. Namentlich aber wäre damit von vornherein die
Gefahr beseitigt, daß das großmannsüchtige Sonderinteresse den Aufschwung
des ehrlichen Patriotismus vom Hauptziel ablenken, auf falsche Wege leiten,
für seine Zwecke ausbeuten könnte/)




Die Polka.»*)

Zu Anfang der dreißiger Jahre tanzte ein junges Bauermädchcn, das in
Elbeteinilz bei einem Bürger in Dienst stand, eines Sonntagnachmittags zur
eignen Erheiterung einen Tanz, den es sich selbst erdacht, und sang hierzu
eine passende Melodie. Der dortige Lehrer, Namens Josef Neruda, der zu¬
fällig anwesend war, schrieb die Melodie nieder, und der neue Tanz wurde
kurze Zeit darauf zum ersten Mal in Elbeteinitz getanzt. Um das Jahr
1835 fand er in der böhmischen Metropole Eingang und erhielt dort, wahr¬
scheinlich wegen des in ihm waltenden Halbschrittes von dem böhmischen
Worte MKa, d. i. die Hälfte, den Namen „Polka". Vier Jahre später




Anm. der Redact. ") Wir glaubten es dem deutschen Südwesten schuldig zu sein, einmal
seinen Ansichten auch in diesen Blättern Raum zu geben; was die letztere Bemerkung betrifft,
so ist sie schon in der vorigen Nummer erörtert worden. Könnte eine gemeinsame Rüstung
des Bundes ohne Oestreich stattfinden, so wäre sie — und zum wahren Heile Oestreichs!
schon ins Werk gesetzt; auf Antrag des Bundespräsidiums unternommen, hieße sie so viel
als unbedingte Parteinahme; und diese bis nach dem Scheitern des letzten Versuchs einer
Verständigung zu verschieben, scheint uns ebenso im Interesse des Südwestens als Preußens
zu liegen. — Da übrigens jeder Tag etwas Neues bringt, so bemerken wir, daß uns dieser
Artikel heute, 14. April zugeht.
Als Probe aus dem interessanten Büchlein: „Böhmische Nationaltänze." Cultur¬
studie von Alfred Wald an. — Prag, Dominikus. —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0162" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107209"/>
          <p xml:id="ID_457"> Alle diese Gefahren würden natürlich nur drohender, wenn der Congreß<lb/>
gar nicht zu Stande käme. Welche Hindernisse aber in diesem Fall einer<lb/>
rechtzeitigen Defensivstellung, einer militärischen Bereithaltung des Bundes<lb/>
entgegenstehen könnten, dafür hat man im deutschen Südwesten kein Verständ¬<lb/>
niß. Darf Frankreich nicht um seine Rüstungen gefragt werden, so hat der<lb/>
Bund doch wol dasselbe Recht, auch seine Maßnahmen ohne fremde Einsprache<lb/>
zu treffen. Seine Stellung zur italienisch-östreichischen Frage wäre damit nicht<lb/>
berührt. Preußen aber gewönne sicherlich ebenfalls einen nicht zu verachten¬<lb/>
den Nachdruck für seine vermittelnde Thätigkeit als europäische Macht, wenn<lb/>
es gestattete, daß der deutsche Bund in jedem Augenblick über seine materi¬<lb/>
ellen Kräfte verfügen könnte. Namentlich aber wäre damit von vornherein die<lb/>
Gefahr beseitigt, daß das großmannsüchtige Sonderinteresse den Aufschwung<lb/>
des ehrlichen Patriotismus vom Hauptziel ablenken, auf falsche Wege leiten,<lb/>
für seine Zwecke ausbeuten könnte/)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Polka.»*)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_458" next="#ID_459"> Zu Anfang der dreißiger Jahre tanzte ein junges Bauermädchcn, das in<lb/>
Elbeteinilz bei einem Bürger in Dienst stand, eines Sonntagnachmittags zur<lb/>
eignen Erheiterung einen Tanz, den es sich selbst erdacht, und sang hierzu<lb/>
eine passende Melodie. Der dortige Lehrer, Namens Josef Neruda, der zu¬<lb/>
fällig anwesend war, schrieb die Melodie nieder, und der neue Tanz wurde<lb/>
kurze Zeit darauf zum ersten Mal in Elbeteinitz getanzt. Um das Jahr<lb/>
1835 fand er in der böhmischen Metropole Eingang und erhielt dort, wahr¬<lb/>
scheinlich wegen des in ihm waltenden Halbschrittes von dem böhmischen<lb/>
Worte MKa, d. i. die Hälfte, den Namen &#x201E;Polka".  Vier Jahre später</p><lb/>
          <note xml:id="FID_11" place="foot"><note type="byline"> Anm. der Redact.</note> ") Wir glaubten es dem deutschen Südwesten schuldig zu sein, einmal<lb/>
seinen Ansichten auch in diesen Blättern Raum zu geben; was die letztere Bemerkung betrifft,<lb/>
so ist sie schon in der vorigen Nummer erörtert worden. Könnte eine gemeinsame Rüstung<lb/>
des Bundes ohne Oestreich stattfinden, so wäre sie &#x2014; und zum wahren Heile Oestreichs!<lb/>
schon ins Werk gesetzt; auf Antrag des Bundespräsidiums unternommen, hieße sie so viel<lb/>
als unbedingte Parteinahme; und diese bis nach dem Scheitern des letzten Versuchs einer<lb/>
Verständigung zu verschieben, scheint uns ebenso im Interesse des Südwestens als Preußens<lb/>
zu liegen. &#x2014; Da übrigens jeder Tag etwas Neues bringt, so bemerken wir, daß uns dieser<lb/>
Artikel heute, 14. April zugeht.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_12" place="foot"> Als Probe aus dem interessanten Büchlein: &#x201E;Böhmische Nationaltänze." Cultur¬<lb/>
studie von Alfred Wald an. &#x2014; Prag, Dominikus. &#x2014;</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0162] Alle diese Gefahren würden natürlich nur drohender, wenn der Congreß gar nicht zu Stande käme. Welche Hindernisse aber in diesem Fall einer rechtzeitigen Defensivstellung, einer militärischen Bereithaltung des Bundes entgegenstehen könnten, dafür hat man im deutschen Südwesten kein Verständ¬ niß. Darf Frankreich nicht um seine Rüstungen gefragt werden, so hat der Bund doch wol dasselbe Recht, auch seine Maßnahmen ohne fremde Einsprache zu treffen. Seine Stellung zur italienisch-östreichischen Frage wäre damit nicht berührt. Preußen aber gewönne sicherlich ebenfalls einen nicht zu verachten¬ den Nachdruck für seine vermittelnde Thätigkeit als europäische Macht, wenn es gestattete, daß der deutsche Bund in jedem Augenblick über seine materi¬ ellen Kräfte verfügen könnte. Namentlich aber wäre damit von vornherein die Gefahr beseitigt, daß das großmannsüchtige Sonderinteresse den Aufschwung des ehrlichen Patriotismus vom Hauptziel ablenken, auf falsche Wege leiten, für seine Zwecke ausbeuten könnte/) Die Polka.»*) Zu Anfang der dreißiger Jahre tanzte ein junges Bauermädchcn, das in Elbeteinilz bei einem Bürger in Dienst stand, eines Sonntagnachmittags zur eignen Erheiterung einen Tanz, den es sich selbst erdacht, und sang hierzu eine passende Melodie. Der dortige Lehrer, Namens Josef Neruda, der zu¬ fällig anwesend war, schrieb die Melodie nieder, und der neue Tanz wurde kurze Zeit darauf zum ersten Mal in Elbeteinitz getanzt. Um das Jahr 1835 fand er in der böhmischen Metropole Eingang und erhielt dort, wahr¬ scheinlich wegen des in ihm waltenden Halbschrittes von dem böhmischen Worte MKa, d. i. die Hälfte, den Namen „Polka". Vier Jahre später Anm. der Redact. ") Wir glaubten es dem deutschen Südwesten schuldig zu sein, einmal seinen Ansichten auch in diesen Blättern Raum zu geben; was die letztere Bemerkung betrifft, so ist sie schon in der vorigen Nummer erörtert worden. Könnte eine gemeinsame Rüstung des Bundes ohne Oestreich stattfinden, so wäre sie — und zum wahren Heile Oestreichs! schon ins Werk gesetzt; auf Antrag des Bundespräsidiums unternommen, hieße sie so viel als unbedingte Parteinahme; und diese bis nach dem Scheitern des letzten Versuchs einer Verständigung zu verschieben, scheint uns ebenso im Interesse des Südwestens als Preußens zu liegen. — Da übrigens jeder Tag etwas Neues bringt, so bemerken wir, daß uns dieser Artikel heute, 14. April zugeht. Als Probe aus dem interessanten Büchlein: „Böhmische Nationaltänze." Cultur¬ studie von Alfred Wald an. — Prag, Dominikus. —

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/162
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/162>, abgerufen am 22.12.2024.