Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.gcbrcitetercr Bildung solche Greuel unmöglich macht, so führe ich doch zum Südtvestdentsche Bedenken. Der zweifelhafte Congreß über die italienische Frage hat jedenfalls nicht gcbrcitetercr Bildung solche Greuel unmöglich macht, so führe ich doch zum Südtvestdentsche Bedenken. Der zweifelhafte Congreß über die italienische Frage hat jedenfalls nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0153" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107200"/> <p xml:id="ID_438" prev="#ID_437"> gcbrcitetercr Bildung solche Greuel unmöglich macht, so führe ich doch zum<lb/> Schluß noch ein, wie es scheint, wenig gekanntes Schriftchen vom Jahr 1846<lb/> an „Anklagen der Juden in Rußland wegen Kindermords, Gebrauchs von<lb/> Christenblut und Gotteslästerung", woraus wir erfahren, daß auch noch in<lb/> diesem Jahrhundert in Nußland Processe gegen Juden, denen der Mord von<lb/> Christenkindcrn, der Raub und die Entweihung von Hostien und Meßgewän¬<lb/> dern Schuld gegeben wird, nicht zu den Seltenheiten gehören. Obgleich ein<lb/> kaiserlicher Ukas vom Jahr 1817 verbietet, solchen Anklagen der Juden wegen<lb/> Gebrauchs von Christenblut Gehör zu schenken, begann im Jahr 1823 ein<lb/> derartiger Proceß gegen dreiundvierzig Juden zu Welisch im Gouvernement<lb/> Witebsk wegen eines ermordeten Christenknaben, dem alles Blut abgezapft<lb/> sei; er wurde zwölf Jahre hindurch in den verschiedensten Instanzen geführt<lb/> und endete erst im Jahr 1835 mit der gänzlichen, vom Kaiser bestätigten<lb/> F<note type="byline"> Se.</note> reisprechung wegen Mangel alles Beweises. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Südtvestdentsche Bedenken.</head><lb/> <p xml:id="ID_439" next="#ID_440"> Der zweifelhafte Congreß über die italienische Frage hat jedenfalls nicht<lb/> blos diplomatische Vortheile für die Klarstellung der Streitobjecte, sondern<lb/> auch für die Verständigung über die Mißverstündnisse zwischen zusammengehö¬<lb/> rigen Nationalinteressen. So viel Zeit läßt er uns jedoch nicht übrig, um<lb/> sentimentale Klagen darüber zu erneuen, daß es bei der ersten Gelegenheit,<lb/> da es gemeinsames Beschließen und einheitliches Handeln gilt, zwischen den<lb/> Deutschen abermals erst der Verständigung bedarf, daß, während wir im Was<lb/> zusammenstimmen, das Wie einen beinah spaltenden Hader heraufbeschwor.<lb/> Man muß die Dinge eben nüchtern nehmen, wie sie sind, nicht wie sie sein<lb/> könnten und sollten. Wir haben kein Gesammtorgan zu stetiger gegen¬<lb/> seitiger Vertretung des deutschen Nordens. Südens, Ostens und Westens.<lb/> Dies weder in der Presse, noch in der politischen Organisation. Am erstem<lb/> Mangel ist das Publicum selbst Schuld. Denn wer nur einigermaßen ver-<lb/> su't ist in der Tagespreise, der weiß auch, daß in den alltäglichen Zeiten stillen<lb/> Dahinlebens die nord- und mitteldeutschen Zeitungen den deutschen Südwesten<lb/> nicht blos als solchen, sondern selbst als Baiern. Würtemberg. Baden u. s. w.,<lb/> blos höchst gelegentlich und beiläufig abthun, wahrend die südwcstdeutsche<lb/> Presse ihrerseits blos die Hauptorte Mittel- und Norddeutschlands, jedoch nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0153]
gcbrcitetercr Bildung solche Greuel unmöglich macht, so führe ich doch zum
Schluß noch ein, wie es scheint, wenig gekanntes Schriftchen vom Jahr 1846
an „Anklagen der Juden in Rußland wegen Kindermords, Gebrauchs von
Christenblut und Gotteslästerung", woraus wir erfahren, daß auch noch in
diesem Jahrhundert in Nußland Processe gegen Juden, denen der Mord von
Christenkindcrn, der Raub und die Entweihung von Hostien und Meßgewän¬
dern Schuld gegeben wird, nicht zu den Seltenheiten gehören. Obgleich ein
kaiserlicher Ukas vom Jahr 1817 verbietet, solchen Anklagen der Juden wegen
Gebrauchs von Christenblut Gehör zu schenken, begann im Jahr 1823 ein
derartiger Proceß gegen dreiundvierzig Juden zu Welisch im Gouvernement
Witebsk wegen eines ermordeten Christenknaben, dem alles Blut abgezapft
sei; er wurde zwölf Jahre hindurch in den verschiedensten Instanzen geführt
und endete erst im Jahr 1835 mit der gänzlichen, vom Kaiser bestätigten
F Se. reisprechung wegen Mangel alles Beweises.
Südtvestdentsche Bedenken.
Der zweifelhafte Congreß über die italienische Frage hat jedenfalls nicht
blos diplomatische Vortheile für die Klarstellung der Streitobjecte, sondern
auch für die Verständigung über die Mißverstündnisse zwischen zusammengehö¬
rigen Nationalinteressen. So viel Zeit läßt er uns jedoch nicht übrig, um
sentimentale Klagen darüber zu erneuen, daß es bei der ersten Gelegenheit,
da es gemeinsames Beschließen und einheitliches Handeln gilt, zwischen den
Deutschen abermals erst der Verständigung bedarf, daß, während wir im Was
zusammenstimmen, das Wie einen beinah spaltenden Hader heraufbeschwor.
Man muß die Dinge eben nüchtern nehmen, wie sie sind, nicht wie sie sein
könnten und sollten. Wir haben kein Gesammtorgan zu stetiger gegen¬
seitiger Vertretung des deutschen Nordens. Südens, Ostens und Westens.
Dies weder in der Presse, noch in der politischen Organisation. Am erstem
Mangel ist das Publicum selbst Schuld. Denn wer nur einigermaßen ver-
su't ist in der Tagespreise, der weiß auch, daß in den alltäglichen Zeiten stillen
Dahinlebens die nord- und mitteldeutschen Zeitungen den deutschen Südwesten
nicht blos als solchen, sondern selbst als Baiern. Würtemberg. Baden u. s. w.,
blos höchst gelegentlich und beiläufig abthun, wahrend die südwcstdeutsche
Presse ihrerseits blos die Hauptorte Mittel- und Norddeutschlands, jedoch nicht
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