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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Die Debatte über die Civilehe.
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Nachdem der preußische Landtag fast während der ganzen Dauer dieser
Session sich vorzugsweise mit der Erledigung der Bitten und Beschwerden
beschäftigt, einer nicht zu umgehenden Pflicht, die grade diesmal in den Vor¬
dergrund treten mußte, die aber nicht dazu dient, eine zusammenhängende und
glänzende Thätigkeit möglich zu machen, hat er bei der ersten großen Frage
der Gesetzgebung, die zur Sprache kam, dem Gesetzentwurf über die Civilehe,
all seine Kräfte auf eine erfreuliche Weise ins Feld geführt. Wer diese De-
batte aufmerksam verfolgt hat. wird sich überzeugen, daß unser Parlament
wenigstens ebenso viel wenn nicht mehr Verstand und Gewissenhaftigkeit
entwickelt hat, als das englische Parlament in ähnlichen Fällen. Die Sachlage
und die Principien sind aufs gründlichste geprüft, der Ton der Debatte war
so würdig wie es dem Gegenstand ziemt, und die einzelnen Redner haben
theilweise ein nicht gemeines Talent entwickelt. Mit der größten Freude
haben wir die Rede des Cultusministers begrüßt, wie auch schon früher die
Ansichten, die er in der Dissidentcnfrage entwickelte. Man sah seiner Er¬
nennung mit einigem Mißtrauen entgegen, weil er aus dem Schooß des stren¬
gen Kirchenthums hervorgegangen war, und auch wir konnten uns dieses Mi߬
trauens nicht ganz erwehren; wie die Sachen aber jetzt stehen, gibt grade
dieser Umstand seinem Auftreten eine größere Bedeutung, denn er zeigt, was.
man häufig leugnen wollte, daß auch das rechtgläubige protestantische Christen¬
thum mit. den Principien der Freiheit und Humanität keineswegs unvereinbar
ist. Dies ist der wahre Weg. den überlieferten Kirchenglauben mit dem Geist
der Bildung und des Rcchtssinns. der sich theilweise aus einer andern Quelle,
aus dem classischen Alterthum herschreibt, zu versöhnen: wenn der Glaube
seiner selbst so gewiß ist. daß er dem Unglauben Luft und Erde nicht ver¬
sagt. Auch die wahre Kirche wird am besten gedeihen in der Luft der Frei¬
heit, auf dem festen Boden des Rechts; der Jesuitismus, der angeblich zur
großem Ehre Gottes Recht und Freiheit untergräbt, gräbt eben damit schlie߬
lich seiner eignen Sache das Grab. Wenn wir auf den Inhalt der Frage
eingehn, so ist der Conflict ein sehr einfacher. Der preußische Staat umfaßt
zwei Hauptkirchen, deren jede ein verschiedenes Eherecht besitzt, er selber hat
sich in einer Zeit, wo man die politischen Dinge ganz von den kirchlichen
trennte, ein drittes gegeben. Allein er hatte nicht die Kraft, diejenigen seiner
Bürger, die sich des durch ihn gewahrten Rechts bedienen wollten, darin zu
schützen, weil die Handhabung des Eherechts (abgesehn von der Rheinprovinz)
in seiner vorzüglichsten Function. in der Trauung, ausschließlich in den Hält-


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Die Debatte über die Civilehe.
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Nachdem der preußische Landtag fast während der ganzen Dauer dieser
Session sich vorzugsweise mit der Erledigung der Bitten und Beschwerden
beschäftigt, einer nicht zu umgehenden Pflicht, die grade diesmal in den Vor¬
dergrund treten mußte, die aber nicht dazu dient, eine zusammenhängende und
glänzende Thätigkeit möglich zu machen, hat er bei der ersten großen Frage
der Gesetzgebung, die zur Sprache kam, dem Gesetzentwurf über die Civilehe,
all seine Kräfte auf eine erfreuliche Weise ins Feld geführt. Wer diese De-
batte aufmerksam verfolgt hat. wird sich überzeugen, daß unser Parlament
wenigstens ebenso viel wenn nicht mehr Verstand und Gewissenhaftigkeit
entwickelt hat, als das englische Parlament in ähnlichen Fällen. Die Sachlage
und die Principien sind aufs gründlichste geprüft, der Ton der Debatte war
so würdig wie es dem Gegenstand ziemt, und die einzelnen Redner haben
theilweise ein nicht gemeines Talent entwickelt. Mit der größten Freude
haben wir die Rede des Cultusministers begrüßt, wie auch schon früher die
Ansichten, die er in der Dissidentcnfrage entwickelte. Man sah seiner Er¬
nennung mit einigem Mißtrauen entgegen, weil er aus dem Schooß des stren¬
gen Kirchenthums hervorgegangen war, und auch wir konnten uns dieses Mi߬
trauens nicht ganz erwehren; wie die Sachen aber jetzt stehen, gibt grade
dieser Umstand seinem Auftreten eine größere Bedeutung, denn er zeigt, was.
man häufig leugnen wollte, daß auch das rechtgläubige protestantische Christen¬
thum mit. den Principien der Freiheit und Humanität keineswegs unvereinbar
ist. Dies ist der wahre Weg. den überlieferten Kirchenglauben mit dem Geist
der Bildung und des Rcchtssinns. der sich theilweise aus einer andern Quelle,
aus dem classischen Alterthum herschreibt, zu versöhnen: wenn der Glaube
seiner selbst so gewiß ist. daß er dem Unglauben Luft und Erde nicht ver¬
sagt. Auch die wahre Kirche wird am besten gedeihen in der Luft der Frei¬
heit, auf dem festen Boden des Rechts; der Jesuitismus, der angeblich zur
großem Ehre Gottes Recht und Freiheit untergräbt, gräbt eben damit schlie߬
lich seiner eignen Sache das Grab. Wenn wir auf den Inhalt der Frage
eingehn, so ist der Conflict ein sehr einfacher. Der preußische Staat umfaßt
zwei Hauptkirchen, deren jede ein verschiedenes Eherecht besitzt, er selber hat
sich in einer Zeit, wo man die politischen Dinge ganz von den kirchlichen
trennte, ein drittes gegeben. Allein er hatte nicht die Kraft, diejenigen seiner
Bürger, die sich des durch ihn gewahrten Rechts bedienen wollten, darin zu
schützen, weil die Handhabung des Eherechts (abgesehn von der Rheinprovinz)
in seiner vorzüglichsten Function. in der Trauung, ausschließlich in den Hält-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/109>, abgerufen am 22.12.2024.