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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Ans der römischen Kmserzei't.
Die Frauen.
2.

Zum Verkehr zwischen Männern und Frauen gaben gesellige Zusammen¬
künfte, besonders große Festmahlzeiten häufige Gelegenheit. Auf den Spazier¬
gänger? und sonst öffentlich zeigten sich Frauen von Stande vermuthlich nur
ausnahmsweise zu Fuß, in der Regel, (da der Gebrauch des Wagens nnr
den Kaiserinnen und Vestalinnen gestattet war) in Tragsessel oder Sänfte.
Zwar forderte hier die strenge Sitte dicht zugezogene Vorhänge, welche die
Blicke der Neugierigen abhielten; aber Ehemänner, die aus Beobachtung
dieser Sitte bestanden, sagt Seneca, galten bei den Damen als bäurisch,
übelgesittet und ihre Frauen als beklagenswerthe Opfer ehelicher Tyrannei.
Neben der Sänfte ging dann wol statt des Pagen der den Sonnenschirm
über dem Haupt seiner Gebieterin hielt, ein Verehrer, der diesen Dienst that.
Doch nie schmückten sich die Römerinnen reicher und sorgfältiger als für die
öffentlichen Schauspiele. Hier entfaltete überhaupt das kaiserliche Rom seine
Pracht am blendendsten, hier waren sie eines weiten und glänzenden Kreises
von Bewunderern gewiß. Im Theater und Amphitheater mußten diese sich
begnügen, ihre Blicke nach den obern Sitzreihen zu richten, die Frauen
ausschließlich bestimmt waren, aber im Circus saßen Frauen und Männer
untereinander. Hier wurde dann alles aufgeboten, um mit dein möglichsten
Glanz aufzutreten. Wenn Tacitus nicht verschmäht hat, den Anzug einer
Kaiserin bei einem großen Schauspiel in seinen Annalen zu erwähnen, so
mag man denken, mit welchem Interesse die weiblichen Toiletten von
Kenneraugen gemustert wurden. Bisweilen war diese Pracht nur erborgt.
Im damaligen Rom, wo die dem italienischen Nationalcharakter tief ein¬
gepflanzte Leidenschaft des im- tignrli. durch manigfaltige Einflüsse verstärkt
ward, wo Tausende mehr scheinen wollten als sie waren, war alles
zu miethen: sogar Fingerringe, die erfahrene Rechtsanwälte beim Plaidiren
anlegten, um ihren Clienten Respect einzuflößen und größere Honorare zu er¬
halten. Als Gegenstände, die Frauen bei erschöpfter Kasse sür das Er¬
scheinen im Theater anbeteten. werden genannt: Kleider, Gefolge, Sessel,
Kopfkissen, eine alte Wärterin, und eine blonde Zofe. Die Leidenschaft der
Römerinnen für die Schauspiele, die ihnen so oft vorgeworfen wird, entsprang
nicht blos aus Schaulust, sondern auch aus dem Wunsch gesehen zu werden.
Ovid vergleicht die in Menge zum Theater strömenden eleganten Frauen
mit wimmelnden Ameisen oder schwärmenden Bienen, weshalb er denn auch


Ans der römischen Kmserzei't.
Die Frauen.
2.

Zum Verkehr zwischen Männern und Frauen gaben gesellige Zusammen¬
künfte, besonders große Festmahlzeiten häufige Gelegenheit. Auf den Spazier¬
gänger? und sonst öffentlich zeigten sich Frauen von Stande vermuthlich nur
ausnahmsweise zu Fuß, in der Regel, (da der Gebrauch des Wagens nnr
den Kaiserinnen und Vestalinnen gestattet war) in Tragsessel oder Sänfte.
Zwar forderte hier die strenge Sitte dicht zugezogene Vorhänge, welche die
Blicke der Neugierigen abhielten; aber Ehemänner, die aus Beobachtung
dieser Sitte bestanden, sagt Seneca, galten bei den Damen als bäurisch,
übelgesittet und ihre Frauen als beklagenswerthe Opfer ehelicher Tyrannei.
Neben der Sänfte ging dann wol statt des Pagen der den Sonnenschirm
über dem Haupt seiner Gebieterin hielt, ein Verehrer, der diesen Dienst that.
Doch nie schmückten sich die Römerinnen reicher und sorgfältiger als für die
öffentlichen Schauspiele. Hier entfaltete überhaupt das kaiserliche Rom seine
Pracht am blendendsten, hier waren sie eines weiten und glänzenden Kreises
von Bewunderern gewiß. Im Theater und Amphitheater mußten diese sich
begnügen, ihre Blicke nach den obern Sitzreihen zu richten, die Frauen
ausschließlich bestimmt waren, aber im Circus saßen Frauen und Männer
untereinander. Hier wurde dann alles aufgeboten, um mit dein möglichsten
Glanz aufzutreten. Wenn Tacitus nicht verschmäht hat, den Anzug einer
Kaiserin bei einem großen Schauspiel in seinen Annalen zu erwähnen, so
mag man denken, mit welchem Interesse die weiblichen Toiletten von
Kenneraugen gemustert wurden. Bisweilen war diese Pracht nur erborgt.
Im damaligen Rom, wo die dem italienischen Nationalcharakter tief ein¬
gepflanzte Leidenschaft des im- tignrli. durch manigfaltige Einflüsse verstärkt
ward, wo Tausende mehr scheinen wollten als sie waren, war alles
zu miethen: sogar Fingerringe, die erfahrene Rechtsanwälte beim Plaidiren
anlegten, um ihren Clienten Respect einzuflößen und größere Honorare zu er¬
halten. Als Gegenstände, die Frauen bei erschöpfter Kasse sür das Er¬
scheinen im Theater anbeteten. werden genannt: Kleider, Gefolge, Sessel,
Kopfkissen, eine alte Wärterin, und eine blonde Zofe. Die Leidenschaft der
Römerinnen für die Schauspiele, die ihnen so oft vorgeworfen wird, entsprang
nicht blos aus Schaulust, sondern auch aus dem Wunsch gesehen zu werden.
Ovid vergleicht die in Menge zum Theater strömenden eleganten Frauen
mit wimmelnden Ameisen oder schwärmenden Bienen, weshalb er denn auch


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[0093] Ans der römischen Kmserzei't. Die Frauen. 2. Zum Verkehr zwischen Männern und Frauen gaben gesellige Zusammen¬ künfte, besonders große Festmahlzeiten häufige Gelegenheit. Auf den Spazier¬ gänger? und sonst öffentlich zeigten sich Frauen von Stande vermuthlich nur ausnahmsweise zu Fuß, in der Regel, (da der Gebrauch des Wagens nnr den Kaiserinnen und Vestalinnen gestattet war) in Tragsessel oder Sänfte. Zwar forderte hier die strenge Sitte dicht zugezogene Vorhänge, welche die Blicke der Neugierigen abhielten; aber Ehemänner, die aus Beobachtung dieser Sitte bestanden, sagt Seneca, galten bei den Damen als bäurisch, übelgesittet und ihre Frauen als beklagenswerthe Opfer ehelicher Tyrannei. Neben der Sänfte ging dann wol statt des Pagen der den Sonnenschirm über dem Haupt seiner Gebieterin hielt, ein Verehrer, der diesen Dienst that. Doch nie schmückten sich die Römerinnen reicher und sorgfältiger als für die öffentlichen Schauspiele. Hier entfaltete überhaupt das kaiserliche Rom seine Pracht am blendendsten, hier waren sie eines weiten und glänzenden Kreises von Bewunderern gewiß. Im Theater und Amphitheater mußten diese sich begnügen, ihre Blicke nach den obern Sitzreihen zu richten, die Frauen ausschließlich bestimmt waren, aber im Circus saßen Frauen und Männer untereinander. Hier wurde dann alles aufgeboten, um mit dein möglichsten Glanz aufzutreten. Wenn Tacitus nicht verschmäht hat, den Anzug einer Kaiserin bei einem großen Schauspiel in seinen Annalen zu erwähnen, so mag man denken, mit welchem Interesse die weiblichen Toiletten von Kenneraugen gemustert wurden. Bisweilen war diese Pracht nur erborgt. Im damaligen Rom, wo die dem italienischen Nationalcharakter tief ein¬ gepflanzte Leidenschaft des im- tignrli. durch manigfaltige Einflüsse verstärkt ward, wo Tausende mehr scheinen wollten als sie waren, war alles zu miethen: sogar Fingerringe, die erfahrene Rechtsanwälte beim Plaidiren anlegten, um ihren Clienten Respect einzuflößen und größere Honorare zu er¬ halten. Als Gegenstände, die Frauen bei erschöpfter Kasse sür das Er¬ scheinen im Theater anbeteten. werden genannt: Kleider, Gefolge, Sessel, Kopfkissen, eine alte Wärterin, und eine blonde Zofe. Die Leidenschaft der Römerinnen für die Schauspiele, die ihnen so oft vorgeworfen wird, entsprang nicht blos aus Schaulust, sondern auch aus dem Wunsch gesehen zu werden. Ovid vergleicht die in Menge zum Theater strömenden eleganten Frauen mit wimmelnden Ameisen oder schwärmenden Bienen, weshalb er denn auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/93>, abgerufen am 30.12.2024.