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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Steinles Frescoentlvürfe für das kölnische Museum.

Wer Spnß liebt und gern lachen möchte, dem empfehlen wir als sicheres
Mittel einen Gang durch die permanente Kunstausstellung zu Köln, wo gegen¬
wärtig die Entwürfe Ed. Steinles für die Treppeuhausbilder des neuen
Museums dem Publicum vorgeführt werden. Es ist, wie jeder Eingeweihte
weiß, nicht leicht, in der permanenten Ausstellung zu lachen. Schon die
Localitütcn, ein Hinterbau auf einem Packhofe, erwecken gar trübe Gedanken
über die Würde der Kunst in der modernen Handelsstadt. Die Erinnerung,
daß hier vor einiger Zeit eine Schlange ungestört hauste, ist nicht geeignet,
heiterer zu stimmen, auch die grobe Unempfindlichkeit, welche dem Geruchs¬
sinne zugemuthet wird, keineswegs darnach angethan, behaglich anzuregen.
Und Behaglichkeit gilt doch als eine Grundbedingung, um für komische Ein¬
drücke empfänglich zu werden. Durchschreitet man vollends das Innere dieser
tunstgewcihten Räume, wie es zufällig in diesen Tagen dem Beschauer ent¬
gegentritt, mit künstlerischem Schmucke karg bedacht, wegen der vorgerückten
Jahreszeit der meisten Schaustücke schon beraubt, -- einzelne Spätlinge, wie
z. B. ein violett schimmernder Hirtenknabe von Professor Chr. Köhler in
Düsseldorf wären im Interesse der Kunst und des Künstlers besser weggeblieben
-- so kann man sich niederdrückender Empfindungen nicht erwehren. Und
dennoch, kaum steht mau den colorirten Entwürfen Steinles gegenüber, fühlt
man auch schon die Lachmuskeln sich bewegen und ist von allen trüben Ge¬
danken befreit. Um Mißverständnissen vorzubeugen, fügen wir gleich hinzu,
daß dieser spaßhafte Eindruck keineswegs vom Künstler beabsichtigt wurde.
Die komische Kraft seines Werkes ist nicht die eines fein angelegten und
witzig durchgeführten Lustspiels, sondern die einer grausam mißhandelten
Tlagödie. Wie hart ein solcher Vergleich ist, wie wenig glaubwürdig bei
dem ausgedehnten Nuhm, den secirte genießt, unsere Behauptung erscheinen
wird, daß wir es hier mit einer der faulsten Früchte moderner Kunst zu thun
haben, wissen wir gar wohl. Wir hätten auch das Schweigen nicht gebrochen,
handelte es sich um flüchtige Einfälle eines Anfängers, bestimmt in seinem
Skizzenbuch begraben zu bleiben. Im Angesicht eines Werkes jedoch., das
aus monumentale Würde Anspruch erhebt und mit einem öffentlichen Bau in
Verbindung gebracht wird, das den Intentionen seines Schöpfers gemäß das


Grenzboten 11. 1856. 56
Steinles Frescoentlvürfe für das kölnische Museum.

Wer Spnß liebt und gern lachen möchte, dem empfehlen wir als sicheres
Mittel einen Gang durch die permanente Kunstausstellung zu Köln, wo gegen¬
wärtig die Entwürfe Ed. Steinles für die Treppeuhausbilder des neuen
Museums dem Publicum vorgeführt werden. Es ist, wie jeder Eingeweihte
weiß, nicht leicht, in der permanenten Ausstellung zu lachen. Schon die
Localitütcn, ein Hinterbau auf einem Packhofe, erwecken gar trübe Gedanken
über die Würde der Kunst in der modernen Handelsstadt. Die Erinnerung,
daß hier vor einiger Zeit eine Schlange ungestört hauste, ist nicht geeignet,
heiterer zu stimmen, auch die grobe Unempfindlichkeit, welche dem Geruchs¬
sinne zugemuthet wird, keineswegs darnach angethan, behaglich anzuregen.
Und Behaglichkeit gilt doch als eine Grundbedingung, um für komische Ein¬
drücke empfänglich zu werden. Durchschreitet man vollends das Innere dieser
tunstgewcihten Räume, wie es zufällig in diesen Tagen dem Beschauer ent¬
gegentritt, mit künstlerischem Schmucke karg bedacht, wegen der vorgerückten
Jahreszeit der meisten Schaustücke schon beraubt, — einzelne Spätlinge, wie
z. B. ein violett schimmernder Hirtenknabe von Professor Chr. Köhler in
Düsseldorf wären im Interesse der Kunst und des Künstlers besser weggeblieben
— so kann man sich niederdrückender Empfindungen nicht erwehren. Und
dennoch, kaum steht mau den colorirten Entwürfen Steinles gegenüber, fühlt
man auch schon die Lachmuskeln sich bewegen und ist von allen trüben Ge¬
danken befreit. Um Mißverständnissen vorzubeugen, fügen wir gleich hinzu,
daß dieser spaßhafte Eindruck keineswegs vom Künstler beabsichtigt wurde.
Die komische Kraft seines Werkes ist nicht die eines fein angelegten und
witzig durchgeführten Lustspiels, sondern die einer grausam mißhandelten
Tlagödie. Wie hart ein solcher Vergleich ist, wie wenig glaubwürdig bei
dem ausgedehnten Nuhm, den secirte genießt, unsere Behauptung erscheinen
wird, daß wir es hier mit einer der faulsten Früchte moderner Kunst zu thun
haben, wissen wir gar wohl. Wir hätten auch das Schweigen nicht gebrochen,
handelte es sich um flüchtige Einfälle eines Anfängers, bestimmt in seinem
Skizzenbuch begraben zu bleiben. Im Angesicht eines Werkes jedoch., das
aus monumentale Würde Anspruch erhebt und mit einem öffentlichen Bau in
Verbindung gebracht wird, das den Intentionen seines Schöpfers gemäß das


Grenzboten 11. 1856. 56
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[0449] Steinles Frescoentlvürfe für das kölnische Museum. Wer Spnß liebt und gern lachen möchte, dem empfehlen wir als sicheres Mittel einen Gang durch die permanente Kunstausstellung zu Köln, wo gegen¬ wärtig die Entwürfe Ed. Steinles für die Treppeuhausbilder des neuen Museums dem Publicum vorgeführt werden. Es ist, wie jeder Eingeweihte weiß, nicht leicht, in der permanenten Ausstellung zu lachen. Schon die Localitütcn, ein Hinterbau auf einem Packhofe, erwecken gar trübe Gedanken über die Würde der Kunst in der modernen Handelsstadt. Die Erinnerung, daß hier vor einiger Zeit eine Schlange ungestört hauste, ist nicht geeignet, heiterer zu stimmen, auch die grobe Unempfindlichkeit, welche dem Geruchs¬ sinne zugemuthet wird, keineswegs darnach angethan, behaglich anzuregen. Und Behaglichkeit gilt doch als eine Grundbedingung, um für komische Ein¬ drücke empfänglich zu werden. Durchschreitet man vollends das Innere dieser tunstgewcihten Räume, wie es zufällig in diesen Tagen dem Beschauer ent¬ gegentritt, mit künstlerischem Schmucke karg bedacht, wegen der vorgerückten Jahreszeit der meisten Schaustücke schon beraubt, — einzelne Spätlinge, wie z. B. ein violett schimmernder Hirtenknabe von Professor Chr. Köhler in Düsseldorf wären im Interesse der Kunst und des Künstlers besser weggeblieben — so kann man sich niederdrückender Empfindungen nicht erwehren. Und dennoch, kaum steht mau den colorirten Entwürfen Steinles gegenüber, fühlt man auch schon die Lachmuskeln sich bewegen und ist von allen trüben Ge¬ danken befreit. Um Mißverständnissen vorzubeugen, fügen wir gleich hinzu, daß dieser spaßhafte Eindruck keineswegs vom Künstler beabsichtigt wurde. Die komische Kraft seines Werkes ist nicht die eines fein angelegten und witzig durchgeführten Lustspiels, sondern die einer grausam mißhandelten Tlagödie. Wie hart ein solcher Vergleich ist, wie wenig glaubwürdig bei dem ausgedehnten Nuhm, den secirte genießt, unsere Behauptung erscheinen wird, daß wir es hier mit einer der faulsten Früchte moderner Kunst zu thun haben, wissen wir gar wohl. Wir hätten auch das Schweigen nicht gebrochen, handelte es sich um flüchtige Einfälle eines Anfängers, bestimmt in seinem Skizzenbuch begraben zu bleiben. Im Angesicht eines Werkes jedoch., das aus monumentale Würde Anspruch erhebt und mit einem öffentlichen Bau in Verbindung gebracht wird, das den Intentionen seines Schöpfers gemäß das Grenzboten 11. 1856. 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/449>, abgerufen am 21.12.2024.