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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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in so vieler Rücksicht einzigen Königs so, wie Ihr es fordert. bearbeitet,
würde ein Werk sein, das des Geschichtschreibers des Schweizcrbnndcs würdig
wäre, und schwerlich einem andern je so vollkommen gelingen wird." Die
Sache blieb liegen bis zum l, Juli 18N6, wo Müller dem König die neue
Ausgabe seiner Schweizergeschichte übersandte, und ihn um freie Benutzung
der Archive but, indem er von nun an den größeren Theil seiner Zeit der Ge¬
schichte Friedrichs zu widmen gedenke. Durch die Pedanterie der Behörden wurde
diese Erlaubniß nur mit ungerechtfertigten Restriktionen gegeben, bis am
". Oct. 1806 die Cabinetsordre erfolgte,' daß Müller in Eid und Pflicht ge¬
nommen, dagegen ihm die uneingeschränkte Benutzung des geheimen Archivs
verstattet werden solle. -- Wenige Tage darauf erfolgte der Einsturz der
preußischen Monarchie.




Montenegro.

Man sagt der französischen Politik nach, daß sie ohne bestimmtes Princip nach
allen Seiten hin cxpcrimcntirc; einen gewissen Instinct wird man in ihr aber nicht
verkennen. Abgesehen von der Neigung sich in anständiger Gesellschaft zu bewegen,
aus welcher sich das Bündniß mit England erklärt, spricht sich dieser Instinct aus¬
schließlich für Rußland und gegen Oestreich aus. Die warme Theilnahme für die
rumänische Nation ist zwar vielfach in menschenfreundlichen Sinn erklärt worden,
bei dem ebenso warmem Interesse für das Volk der Tschcrnagorzcn wird eine solche
Rechtfertigung kaum möglich sein. Es handelt sich um den Kampf eines frechen
Bcmditcnvolks gegen einen Staat, der, so schlecht er sein mag, doch immer weit
über den Culturzustand einer Räuberbande, oder wenn man in den Vergleichen
zarter sein will, eines W. Scottschcn Claus heraus ist und hier tritt das fran¬
zösische Kaiserreich, der Vorfechter der Civilisation, der Vertheidiger der Türkei gegen
Rußland, im Namen der Legitimität für jenes Banditenvolk ein, welches kein anderes
Interesse für sich in Anspruch nehmen kann, als das eines russischen Vorpostens.
Die Gründung eines dacorumänischen Fürstenthums wurde durch die Rücksicht auf
die englische Allianz beseitigt. Diese hat setzt einen starken Stoß erlitten, das eng¬
lische Publicum hat das französische Kaiserreich mit einem Mangel an Respect be¬
handelt, den man ihm nicht vergessen wird, und die ganz neue Methode des eng¬
lischen Parlaments, gegen diplomatische Fvrmenfchlcr empfindlich zu sein und sie zum
^kurz eines Ministeriums auszubeuten, hat den Staat in eine Lage versetzt, die
ihn als Bundesgenossen weniger werthvoll, als Feind weniger furchtbar macht. Die
Rücksicht auf das Ministerium Derby. welches sein bedeutendstes Mitglied über Bord
wirft, um seinen eigenen Sturz möglicherweise auf einige Monat hinauszuschieben,
wird Frankreich nicht abhalten, in dieser neuen orientalischen Frage ein Wort mit¬
zusprechen, welches. da Frankreich selbst nicht das mindeste Interesse an der Sache


in so vieler Rücksicht einzigen Königs so, wie Ihr es fordert. bearbeitet,
würde ein Werk sein, das des Geschichtschreibers des Schweizcrbnndcs würdig
wäre, und schwerlich einem andern je so vollkommen gelingen wird." Die
Sache blieb liegen bis zum l, Juli 18N6, wo Müller dem König die neue
Ausgabe seiner Schweizergeschichte übersandte, und ihn um freie Benutzung
der Archive but, indem er von nun an den größeren Theil seiner Zeit der Ge¬
schichte Friedrichs zu widmen gedenke. Durch die Pedanterie der Behörden wurde
diese Erlaubniß nur mit ungerechtfertigten Restriktionen gegeben, bis am
». Oct. 1806 die Cabinetsordre erfolgte,' daß Müller in Eid und Pflicht ge¬
nommen, dagegen ihm die uneingeschränkte Benutzung des geheimen Archivs
verstattet werden solle. — Wenige Tage darauf erfolgte der Einsturz der
preußischen Monarchie.




Montenegro.

Man sagt der französischen Politik nach, daß sie ohne bestimmtes Princip nach
allen Seiten hin cxpcrimcntirc; einen gewissen Instinct wird man in ihr aber nicht
verkennen. Abgesehen von der Neigung sich in anständiger Gesellschaft zu bewegen,
aus welcher sich das Bündniß mit England erklärt, spricht sich dieser Instinct aus¬
schließlich für Rußland und gegen Oestreich aus. Die warme Theilnahme für die
rumänische Nation ist zwar vielfach in menschenfreundlichen Sinn erklärt worden,
bei dem ebenso warmem Interesse für das Volk der Tschcrnagorzcn wird eine solche
Rechtfertigung kaum möglich sein. Es handelt sich um den Kampf eines frechen
Bcmditcnvolks gegen einen Staat, der, so schlecht er sein mag, doch immer weit
über den Culturzustand einer Räuberbande, oder wenn man in den Vergleichen
zarter sein will, eines W. Scottschcn Claus heraus ist und hier tritt das fran¬
zösische Kaiserreich, der Vorfechter der Civilisation, der Vertheidiger der Türkei gegen
Rußland, im Namen der Legitimität für jenes Banditenvolk ein, welches kein anderes
Interesse für sich in Anspruch nehmen kann, als das eines russischen Vorpostens.
Die Gründung eines dacorumänischen Fürstenthums wurde durch die Rücksicht auf
die englische Allianz beseitigt. Diese hat setzt einen starken Stoß erlitten, das eng¬
lische Publicum hat das französische Kaiserreich mit einem Mangel an Respect be¬
handelt, den man ihm nicht vergessen wird, und die ganz neue Methode des eng¬
lischen Parlaments, gegen diplomatische Fvrmenfchlcr empfindlich zu sein und sie zum
^kurz eines Ministeriums auszubeuten, hat den Staat in eine Lage versetzt, die
ihn als Bundesgenossen weniger werthvoll, als Feind weniger furchtbar macht. Die
Rücksicht auf das Ministerium Derby. welches sein bedeutendstes Mitglied über Bord
wirft, um seinen eigenen Sturz möglicherweise auf einige Monat hinauszuschieben,
wird Frankreich nicht abhalten, in dieser neuen orientalischen Frage ein Wort mit¬
zusprechen, welches. da Frankreich selbst nicht das mindeste Interesse an der Sache


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/325>, abgerufen am 21.12.2024.