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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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germanischen Namens, wie dieses in den römischen Zeiten oft geschehen, augen¬
blicklich und scheinbar gefährdet, nicht unheilbar geschwächt werden mochte.
Denn fest, in der Kraft Friedrichs bestand und stärkte sich diese neue National¬
stütze, indeß die ältern, durch fremde Anhängsel geschwächt mehr als geziert,
vereinfacht, unerschütterlich wurde: so. daß aus einem Kampf, wie keiner seit
den alten Cüsaren die deutsche Herrschaft von der Eins bis an den Pruth,
und von der Brenta bis an den Memel anerkannt, stark und reich, und da-
rüber wohlbelohnt hervorging, es sei zur Erhaltung ihrer selbst und der
Welt Ruhe und Recht Eins erforderlich: die Vereinigung ihres Willens."
Aehnlich entwickelt Müller den Begriff der Humanität, welcher der Inhalt
des neuen Staats wurde. Nachdem Europas aufkeimende Cultur durch
Religionscvntroversen auf ziemlich lange unterbrochen worden, hat sich in der
protestantischen wie in der römischen Kirche ein geistloses Formularwesen ge¬
bildet, welches in Verbindung mit dem spanischen Zuschnitt eiues Theils der
großen Welt, viele das Leben trübende Vorurtheile in ausschließlicher Herr¬
schaft erhielt. Aber die Mark Brandenburg, an welcher der Mensch hat er¬
proben sollen, wie viel Fleiß und Muth über die Natur vermögen, war schon
oft ein Zufluchtsort der Denkfreiheit. Friedrich fürchtete nichts von einem
Wege, auf dem er voranging. Gewohnt, bestimmt zu gebieten und genauen
Gehorsam zu finden, fühlte dieser König richtiger, als die meisten Philosophen,
jenseit welcher Grenze ihm nur erlaubt sei vorzuleuchten." "Die Preußen
verstanden die Nothwendigkeit seiner Maximen und sein freier geistvoller
Sinn bildete Menschen, die im Van der vaterländischen Größe und Kraft
ihm und sich selbst zu helfen wußten. Das war die Grundfeste, das der
Zweck, dein Staat einen solchen Charakter unauslöschlich einzuprägen, daß er
durch inneres Leben, daß die Nation durch ein hohes Gefühl ihres Ruhmes
stark und unüberwindlich würde für eigne und ihrer Freunde Unabhängigkeit
und Recht. Das Größte an ihm ist, durch sein Beispiel so viel in den Geist
gelegt zu haben; denn alles Mechanische ist der Veralterung unterworfen, alles
Physische muß der Uebermacht weichen: aber Männer von reger Lebendigkeit
und unerschütterlicher Fassung sind einer Exaltation sähig. die sich einen un¬
erschöpflichen Reichthum von Hilfsnntteln gegenwärtig macht." "Die Briten
haben ihre Meere. Frankreich den herrlichen Boden; unerschöpflich ist Oest¬
reich. Nußland unermeßlich: was haben wir wenn nicht Geist und Muth!
Glücklich der Staat, welcher, von Anfang an ein Kunstwerk, fortgesetzter Kunst
bedarf. Denn das Leben eines Staates ist, wie ein Strom, in fortgehender
Bewegung herrlich: wenn der Strom steht, so wird er Eis oder Sumpf.
Wo Licht und Wärme, da ist Leben." -- Diese Rede übersandte Müller dem
König, der am 9. Febr. 1805 ihm antwortete: "Die Geschichte dieses großen.


germanischen Namens, wie dieses in den römischen Zeiten oft geschehen, augen¬
blicklich und scheinbar gefährdet, nicht unheilbar geschwächt werden mochte.
Denn fest, in der Kraft Friedrichs bestand und stärkte sich diese neue National¬
stütze, indeß die ältern, durch fremde Anhängsel geschwächt mehr als geziert,
vereinfacht, unerschütterlich wurde: so. daß aus einem Kampf, wie keiner seit
den alten Cüsaren die deutsche Herrschaft von der Eins bis an den Pruth,
und von der Brenta bis an den Memel anerkannt, stark und reich, und da-
rüber wohlbelohnt hervorging, es sei zur Erhaltung ihrer selbst und der
Welt Ruhe und Recht Eins erforderlich: die Vereinigung ihres Willens."
Aehnlich entwickelt Müller den Begriff der Humanität, welcher der Inhalt
des neuen Staats wurde. Nachdem Europas aufkeimende Cultur durch
Religionscvntroversen auf ziemlich lange unterbrochen worden, hat sich in der
protestantischen wie in der römischen Kirche ein geistloses Formularwesen ge¬
bildet, welches in Verbindung mit dem spanischen Zuschnitt eiues Theils der
großen Welt, viele das Leben trübende Vorurtheile in ausschließlicher Herr¬
schaft erhielt. Aber die Mark Brandenburg, an welcher der Mensch hat er¬
proben sollen, wie viel Fleiß und Muth über die Natur vermögen, war schon
oft ein Zufluchtsort der Denkfreiheit. Friedrich fürchtete nichts von einem
Wege, auf dem er voranging. Gewohnt, bestimmt zu gebieten und genauen
Gehorsam zu finden, fühlte dieser König richtiger, als die meisten Philosophen,
jenseit welcher Grenze ihm nur erlaubt sei vorzuleuchten." „Die Preußen
verstanden die Nothwendigkeit seiner Maximen und sein freier geistvoller
Sinn bildete Menschen, die im Van der vaterländischen Größe und Kraft
ihm und sich selbst zu helfen wußten. Das war die Grundfeste, das der
Zweck, dein Staat einen solchen Charakter unauslöschlich einzuprägen, daß er
durch inneres Leben, daß die Nation durch ein hohes Gefühl ihres Ruhmes
stark und unüberwindlich würde für eigne und ihrer Freunde Unabhängigkeit
und Recht. Das Größte an ihm ist, durch sein Beispiel so viel in den Geist
gelegt zu haben; denn alles Mechanische ist der Veralterung unterworfen, alles
Physische muß der Uebermacht weichen: aber Männer von reger Lebendigkeit
und unerschütterlicher Fassung sind einer Exaltation sähig. die sich einen un¬
erschöpflichen Reichthum von Hilfsnntteln gegenwärtig macht." „Die Briten
haben ihre Meere. Frankreich den herrlichen Boden; unerschöpflich ist Oest¬
reich. Nußland unermeßlich: was haben wir wenn nicht Geist und Muth!
Glücklich der Staat, welcher, von Anfang an ein Kunstwerk, fortgesetzter Kunst
bedarf. Denn das Leben eines Staates ist, wie ein Strom, in fortgehender
Bewegung herrlich: wenn der Strom steht, so wird er Eis oder Sumpf.
Wo Licht und Wärme, da ist Leben." — Diese Rede übersandte Müller dem
König, der am 9. Febr. 1805 ihm antwortete: „Die Geschichte dieses großen.


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[0324] germanischen Namens, wie dieses in den römischen Zeiten oft geschehen, augen¬ blicklich und scheinbar gefährdet, nicht unheilbar geschwächt werden mochte. Denn fest, in der Kraft Friedrichs bestand und stärkte sich diese neue National¬ stütze, indeß die ältern, durch fremde Anhängsel geschwächt mehr als geziert, vereinfacht, unerschütterlich wurde: so. daß aus einem Kampf, wie keiner seit den alten Cüsaren die deutsche Herrschaft von der Eins bis an den Pruth, und von der Brenta bis an den Memel anerkannt, stark und reich, und da- rüber wohlbelohnt hervorging, es sei zur Erhaltung ihrer selbst und der Welt Ruhe und Recht Eins erforderlich: die Vereinigung ihres Willens." Aehnlich entwickelt Müller den Begriff der Humanität, welcher der Inhalt des neuen Staats wurde. Nachdem Europas aufkeimende Cultur durch Religionscvntroversen auf ziemlich lange unterbrochen worden, hat sich in der protestantischen wie in der römischen Kirche ein geistloses Formularwesen ge¬ bildet, welches in Verbindung mit dem spanischen Zuschnitt eiues Theils der großen Welt, viele das Leben trübende Vorurtheile in ausschließlicher Herr¬ schaft erhielt. Aber die Mark Brandenburg, an welcher der Mensch hat er¬ proben sollen, wie viel Fleiß und Muth über die Natur vermögen, war schon oft ein Zufluchtsort der Denkfreiheit. Friedrich fürchtete nichts von einem Wege, auf dem er voranging. Gewohnt, bestimmt zu gebieten und genauen Gehorsam zu finden, fühlte dieser König richtiger, als die meisten Philosophen, jenseit welcher Grenze ihm nur erlaubt sei vorzuleuchten." „Die Preußen verstanden die Nothwendigkeit seiner Maximen und sein freier geistvoller Sinn bildete Menschen, die im Van der vaterländischen Größe und Kraft ihm und sich selbst zu helfen wußten. Das war die Grundfeste, das der Zweck, dein Staat einen solchen Charakter unauslöschlich einzuprägen, daß er durch inneres Leben, daß die Nation durch ein hohes Gefühl ihres Ruhmes stark und unüberwindlich würde für eigne und ihrer Freunde Unabhängigkeit und Recht. Das Größte an ihm ist, durch sein Beispiel so viel in den Geist gelegt zu haben; denn alles Mechanische ist der Veralterung unterworfen, alles Physische muß der Uebermacht weichen: aber Männer von reger Lebendigkeit und unerschütterlicher Fassung sind einer Exaltation sähig. die sich einen un¬ erschöpflichen Reichthum von Hilfsnntteln gegenwärtig macht." „Die Briten haben ihre Meere. Frankreich den herrlichen Boden; unerschöpflich ist Oest¬ reich. Nußland unermeßlich: was haben wir wenn nicht Geist und Muth! Glücklich der Staat, welcher, von Anfang an ein Kunstwerk, fortgesetzter Kunst bedarf. Denn das Leben eines Staates ist, wie ein Strom, in fortgehender Bewegung herrlich: wenn der Strom steht, so wird er Eis oder Sumpf. Wo Licht und Wärme, da ist Leben." — Diese Rede übersandte Müller dem König, der am 9. Febr. 1805 ihm antwortete: „Die Geschichte dieses großen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/324>, abgerufen am 21.12.2024.