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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Die Dann und die Freiheit der Flußschiffahrt.

Fünf Briefe über die Freiheit der Flußschiffahrt und über die Dvnauacte vom
7, Nov. 1857 von C. F, Wurm. Leipzig, G. Mayer. --

Wir haben hier eine völkerrechtliche Monographie vor uns, welche durch
eingehende und feine Behandlung die Interessen der Wissenschaft wie die
praktischen Ansprüche des Tages in gleichem Maße fördert. Nicht auf neue
Systeme kommt es für das Völkerrecht an, in welchen das Alte in verän¬
derter Form wiederholt wird, sondern auf Austiefung und Aufklärung einzelner
wichtiger bestrittner Frage", und wie'ist dies besser zu erreichen als indem man
den Maßstab völkerrechtlicher Sätze an Aufgaben legt, mit deren Lösung die
Gegenwart beschäftigt ist? Wir sagen indeß noch zu wenig, wenn wir die
vorliegende Schrift als eine glückliche Vereinigung der wissenschaftlichen und
praktischen Auffassung empfehlen; trotz aller ernsten Unparteilichkeit ist sie von
einem lebendigen, warmen und doch nüchternen Patriotismus durchdrungen;
sie stellt Deutschlands Interessen in den Vordergrund, scheut sich nicht zu
zeigen, wie sehr auch auf diesem Felde Sonderintcresscn und Verzagtheit das
allgemeine Beste beeinträchtigt haben. Diese Wahrnehmungen und die
Schlüsse, die aus ihnen folgen, sind nichr erfreulicher Natur, aber sie sind nicht
zu vermeiden, denn um vessre Zustände sür die Zukunft anzubahnen, muß man
über die Gegenwart klar sehen.

Der Anlaß der Schrift ist die von den Donauuferstaaten am 7. Nov. 1857
unterzeichnete Schifsahrisacte. Herr Wurm hatte im Anfang 1855, als die
Freiheit der Donauschiffahrt einen der vier Punkte für die wiener Conferenzen
bildete, in einer lichtvollen Auseinandersetzung (Bier Briefe über die freie
Donauschiffahrt. Leipzig, G. Mayer. 1355) ausgeführt, wie Rußland in
in^i die Freiheit der Donauschiffahrt stets behauptet, in der Wirklichkeit
aber sie sehr wirksam gehindert hatte, um seine Häfen des schwarzen Meeres
zu heben. Seitdem hat sich die Lage der Sache geändert; bis zum pariser
Frieden war Rußland einer der drei Uferstaaten für die untere Donau, seit
dem 30. März 185", wo es die Grenzberichtigung unterzeichnet hat. ist es
von dem Strome zurückgetreten, nur Oestreich und die Türkei sind Nferstanten
geblieben. Auf den wiener Konferenzen wurde die Abtretung des Gebietes


Gmizboten 1l. 185,8.
Die Dann und die Freiheit der Flußschiffahrt.

Fünf Briefe über die Freiheit der Flußschiffahrt und über die Dvnauacte vom
7, Nov. 1857 von C. F, Wurm. Leipzig, G. Mayer. —

Wir haben hier eine völkerrechtliche Monographie vor uns, welche durch
eingehende und feine Behandlung die Interessen der Wissenschaft wie die
praktischen Ansprüche des Tages in gleichem Maße fördert. Nicht auf neue
Systeme kommt es für das Völkerrecht an, in welchen das Alte in verän¬
derter Form wiederholt wird, sondern auf Austiefung und Aufklärung einzelner
wichtiger bestrittner Frage», und wie'ist dies besser zu erreichen als indem man
den Maßstab völkerrechtlicher Sätze an Aufgaben legt, mit deren Lösung die
Gegenwart beschäftigt ist? Wir sagen indeß noch zu wenig, wenn wir die
vorliegende Schrift als eine glückliche Vereinigung der wissenschaftlichen und
praktischen Auffassung empfehlen; trotz aller ernsten Unparteilichkeit ist sie von
einem lebendigen, warmen und doch nüchternen Patriotismus durchdrungen;
sie stellt Deutschlands Interessen in den Vordergrund, scheut sich nicht zu
zeigen, wie sehr auch auf diesem Felde Sonderintcresscn und Verzagtheit das
allgemeine Beste beeinträchtigt haben. Diese Wahrnehmungen und die
Schlüsse, die aus ihnen folgen, sind nichr erfreulicher Natur, aber sie sind nicht
zu vermeiden, denn um vessre Zustände sür die Zukunft anzubahnen, muß man
über die Gegenwart klar sehen.

Der Anlaß der Schrift ist die von den Donauuferstaaten am 7. Nov. 1857
unterzeichnete Schifsahrisacte. Herr Wurm hatte im Anfang 1855, als die
Freiheit der Donauschiffahrt einen der vier Punkte für die wiener Conferenzen
bildete, in einer lichtvollen Auseinandersetzung (Bier Briefe über die freie
Donauschiffahrt. Leipzig, G. Mayer. 1355) ausgeführt, wie Rußland in
in^i die Freiheit der Donauschiffahrt stets behauptet, in der Wirklichkeit
aber sie sehr wirksam gehindert hatte, um seine Häfen des schwarzen Meeres
zu heben. Seitdem hat sich die Lage der Sache geändert; bis zum pariser
Frieden war Rußland einer der drei Uferstaaten für die untere Donau, seit
dem 30. März 185«, wo es die Grenzberichtigung unterzeichnet hat. ist es
von dem Strome zurückgetreten, nur Oestreich und die Türkei sind Nferstanten
geblieben. Auf den wiener Konferenzen wurde die Abtretung des Gebietes


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[0209] Die Dann und die Freiheit der Flußschiffahrt. Fünf Briefe über die Freiheit der Flußschiffahrt und über die Dvnauacte vom 7, Nov. 1857 von C. F, Wurm. Leipzig, G. Mayer. — Wir haben hier eine völkerrechtliche Monographie vor uns, welche durch eingehende und feine Behandlung die Interessen der Wissenschaft wie die praktischen Ansprüche des Tages in gleichem Maße fördert. Nicht auf neue Systeme kommt es für das Völkerrecht an, in welchen das Alte in verän¬ derter Form wiederholt wird, sondern auf Austiefung und Aufklärung einzelner wichtiger bestrittner Frage», und wie'ist dies besser zu erreichen als indem man den Maßstab völkerrechtlicher Sätze an Aufgaben legt, mit deren Lösung die Gegenwart beschäftigt ist? Wir sagen indeß noch zu wenig, wenn wir die vorliegende Schrift als eine glückliche Vereinigung der wissenschaftlichen und praktischen Auffassung empfehlen; trotz aller ernsten Unparteilichkeit ist sie von einem lebendigen, warmen und doch nüchternen Patriotismus durchdrungen; sie stellt Deutschlands Interessen in den Vordergrund, scheut sich nicht zu zeigen, wie sehr auch auf diesem Felde Sonderintcresscn und Verzagtheit das allgemeine Beste beeinträchtigt haben. Diese Wahrnehmungen und die Schlüsse, die aus ihnen folgen, sind nichr erfreulicher Natur, aber sie sind nicht zu vermeiden, denn um vessre Zustände sür die Zukunft anzubahnen, muß man über die Gegenwart klar sehen. Der Anlaß der Schrift ist die von den Donauuferstaaten am 7. Nov. 1857 unterzeichnete Schifsahrisacte. Herr Wurm hatte im Anfang 1855, als die Freiheit der Donauschiffahrt einen der vier Punkte für die wiener Conferenzen bildete, in einer lichtvollen Auseinandersetzung (Bier Briefe über die freie Donauschiffahrt. Leipzig, G. Mayer. 1355) ausgeführt, wie Rußland in in^i die Freiheit der Donauschiffahrt stets behauptet, in der Wirklichkeit aber sie sehr wirksam gehindert hatte, um seine Häfen des schwarzen Meeres zu heben. Seitdem hat sich die Lage der Sache geändert; bis zum pariser Frieden war Rußland einer der drei Uferstaaten für die untere Donau, seit dem 30. März 185«, wo es die Grenzberichtigung unterzeichnet hat. ist es von dem Strome zurückgetreten, nur Oestreich und die Türkei sind Nferstanten geblieben. Auf den wiener Konferenzen wurde die Abtretung des Gebietes Gmizboten 1l. 185,8.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/209>, abgerufen am 21.12.2024.