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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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"end die lebensfrischen Bilder, welche auf Taheiti und andern, damals glück¬
licheren Eilanden der Südsee seine Phantasie erfüllt hatten, schilderte Georg
Forster mit Anmuth die wechselnden Vegetationsstufen, die klimatischen Ver¬
hältnisse, die Nahrungsstoffe in Beziehung auf die Gesittung der Menschen,
nach Verschiedenheit ihrer ursprünglichen Wohnsitze und ihrer Abstammung."

In Bezug auf seinen menschlichen Charakter sei uns erlaubt zu wieder¬
holen, was wir bereits an einer andern Stelle gesagt haben: Förster ver¬
dammen kann nur ein Pharisäer, dessen trockenem Gemüth jener qualvolle
Kampf der Selbstentzweiung fremd geblieben ist, dem grade starke Naturen
nicht selten unterliegen. Er verdient jenes tiefe Mitleid, das man einem
tragischen Geschick nie versagen darf; aber was er gethan, soll uns nicht als
Vorbild, sondern als Warnung dienen, und die Zeit dürfte nicht fern sein,
wo eine solche Warnung Noth thun wird.




Der neue Ausbruch des Vesuv.

Wenn diese Zeilen zu Ihnen gelangen, werden Sie längst durch die Zeitungen
erfahren haben, daß der Vesuv wieder in Thätigkeit ist und nach mehren Seiten
seine gewaltigen Lavaströme sich ergießen. Auf das letzte große Erdbeben, welches
gegen Ende des vorigen Jahres in den südlicheren Theilen des Reiches so furchtbare
Verwüstungen anrichtete und so zahlreiche Opfer an Menschenleben forderte, waren
in diesem Jahre von Zeit zu Zeit geringere Erschütterungen gefolgt und zwar auch
in größerer Nähe der Hauptstadt. Daneben schien die ganz ungewöhnliche Strenge,
mit welcher der Winter auftrat, und die selbst im Monat Mai noch verhältnißmäßig
kalte Temperatur etwas Außerordentliches zu verkünden. Um die Mitte des ver¬
flossenen Monats erwartete man daher mit großer Bestimmtheit einen nabe bevor¬
stehenden Ausbruch des Berges und die Erwartung wurde noch gesteigert, als am
Pfingstmontag Morgens um 10>Uhr auf der Strecke zwischen Salerno und Castella-
marc ein nicht unbedeutender Erdstoß gespürt ward. Diesem folgte in der Nacht
vom Dienstag auf den Mittwoch von einem heftigen Gewitter begleitet, ein zweiter,
der in Castcllamare. in geringer Entfernung von meiner damaligen Wohnung,
ein Haus so stark beschädigte, daß dasselbe mit starken Balken gestützt werden mußte,
um dem drohenden Einsturz vorzubeugen. In der folgenden Nacht endlich, vom
26. auf den 27 Mai, floß die erste Lava, freilich nur in geringer Menge, jedock
steigerte sich die Heftigkeit des Ausbruchs immer mehr, und am Abend des 28. Mai
bot der Berg schon einen herrlichen Anblick dar. umgeben von der Glut des roth
wicderscheinenden Rauches, Auf der südlichen, Pompeji zugewandten Seite des


»end die lebensfrischen Bilder, welche auf Taheiti und andern, damals glück¬
licheren Eilanden der Südsee seine Phantasie erfüllt hatten, schilderte Georg
Forster mit Anmuth die wechselnden Vegetationsstufen, die klimatischen Ver¬
hältnisse, die Nahrungsstoffe in Beziehung auf die Gesittung der Menschen,
nach Verschiedenheit ihrer ursprünglichen Wohnsitze und ihrer Abstammung."

In Bezug auf seinen menschlichen Charakter sei uns erlaubt zu wieder¬
holen, was wir bereits an einer andern Stelle gesagt haben: Förster ver¬
dammen kann nur ein Pharisäer, dessen trockenem Gemüth jener qualvolle
Kampf der Selbstentzweiung fremd geblieben ist, dem grade starke Naturen
nicht selten unterliegen. Er verdient jenes tiefe Mitleid, das man einem
tragischen Geschick nie versagen darf; aber was er gethan, soll uns nicht als
Vorbild, sondern als Warnung dienen, und die Zeit dürfte nicht fern sein,
wo eine solche Warnung Noth thun wird.




Der neue Ausbruch des Vesuv.

Wenn diese Zeilen zu Ihnen gelangen, werden Sie längst durch die Zeitungen
erfahren haben, daß der Vesuv wieder in Thätigkeit ist und nach mehren Seiten
seine gewaltigen Lavaströme sich ergießen. Auf das letzte große Erdbeben, welches
gegen Ende des vorigen Jahres in den südlicheren Theilen des Reiches so furchtbare
Verwüstungen anrichtete und so zahlreiche Opfer an Menschenleben forderte, waren
in diesem Jahre von Zeit zu Zeit geringere Erschütterungen gefolgt und zwar auch
in größerer Nähe der Hauptstadt. Daneben schien die ganz ungewöhnliche Strenge,
mit welcher der Winter auftrat, und die selbst im Monat Mai noch verhältnißmäßig
kalte Temperatur etwas Außerordentliches zu verkünden. Um die Mitte des ver¬
flossenen Monats erwartete man daher mit großer Bestimmtheit einen nabe bevor¬
stehenden Ausbruch des Berges und die Erwartung wurde noch gesteigert, als am
Pfingstmontag Morgens um 10>Uhr auf der Strecke zwischen Salerno und Castella-
marc ein nicht unbedeutender Erdstoß gespürt ward. Diesem folgte in der Nacht
vom Dienstag auf den Mittwoch von einem heftigen Gewitter begleitet, ein zweiter,
der in Castcllamare. in geringer Entfernung von meiner damaligen Wohnung,
ein Haus so stark beschädigte, daß dasselbe mit starken Balken gestützt werden mußte,
um dem drohenden Einsturz vorzubeugen. In der folgenden Nacht endlich, vom
26. auf den 27 Mai, floß die erste Lava, freilich nur in geringer Menge, jedock
steigerte sich die Heftigkeit des Ausbruchs immer mehr, und am Abend des 28. Mai
bot der Berg schon einen herrlichen Anblick dar. umgeben von der Glut des roth
wicderscheinenden Rauches, Auf der südlichen, Pompeji zugewandten Seite des


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[0038] »end die lebensfrischen Bilder, welche auf Taheiti und andern, damals glück¬ licheren Eilanden der Südsee seine Phantasie erfüllt hatten, schilderte Georg Forster mit Anmuth die wechselnden Vegetationsstufen, die klimatischen Ver¬ hältnisse, die Nahrungsstoffe in Beziehung auf die Gesittung der Menschen, nach Verschiedenheit ihrer ursprünglichen Wohnsitze und ihrer Abstammung." In Bezug auf seinen menschlichen Charakter sei uns erlaubt zu wieder¬ holen, was wir bereits an einer andern Stelle gesagt haben: Förster ver¬ dammen kann nur ein Pharisäer, dessen trockenem Gemüth jener qualvolle Kampf der Selbstentzweiung fremd geblieben ist, dem grade starke Naturen nicht selten unterliegen. Er verdient jenes tiefe Mitleid, das man einem tragischen Geschick nie versagen darf; aber was er gethan, soll uns nicht als Vorbild, sondern als Warnung dienen, und die Zeit dürfte nicht fern sein, wo eine solche Warnung Noth thun wird. Der neue Ausbruch des Vesuv. Wenn diese Zeilen zu Ihnen gelangen, werden Sie längst durch die Zeitungen erfahren haben, daß der Vesuv wieder in Thätigkeit ist und nach mehren Seiten seine gewaltigen Lavaströme sich ergießen. Auf das letzte große Erdbeben, welches gegen Ende des vorigen Jahres in den südlicheren Theilen des Reiches so furchtbare Verwüstungen anrichtete und so zahlreiche Opfer an Menschenleben forderte, waren in diesem Jahre von Zeit zu Zeit geringere Erschütterungen gefolgt und zwar auch in größerer Nähe der Hauptstadt. Daneben schien die ganz ungewöhnliche Strenge, mit welcher der Winter auftrat, und die selbst im Monat Mai noch verhältnißmäßig kalte Temperatur etwas Außerordentliches zu verkünden. Um die Mitte des ver¬ flossenen Monats erwartete man daher mit großer Bestimmtheit einen nabe bevor¬ stehenden Ausbruch des Berges und die Erwartung wurde noch gesteigert, als am Pfingstmontag Morgens um 10>Uhr auf der Strecke zwischen Salerno und Castella- marc ein nicht unbedeutender Erdstoß gespürt ward. Diesem folgte in der Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch von einem heftigen Gewitter begleitet, ein zweiter, der in Castcllamare. in geringer Entfernung von meiner damaligen Wohnung, ein Haus so stark beschädigte, daß dasselbe mit starken Balken gestützt werden mußte, um dem drohenden Einsturz vorzubeugen. In der folgenden Nacht endlich, vom 26. auf den 27 Mai, floß die erste Lava, freilich nur in geringer Menge, jedock steigerte sich die Heftigkeit des Ausbruchs immer mehr, und am Abend des 28. Mai bot der Berg schon einen herrlichen Anblick dar. umgeben von der Glut des roth wicderscheinenden Rauches, Auf der südlichen, Pompeji zugewandten Seite des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/38>, abgerufen am 22.07.2024.