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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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' Die Kalisellstadt am Nil.
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Die Stadt von außen. S kraß en le be n. Ein Abend auf der
Esbekieh.

Dreißig, vielleicht vierzig Jahre noch und es wird im Worgenlandc ein
, großer Umschwung der Dinge stattfinden. Dann werden die Moskof kommen
und Stambul einnehmen, und der Padischah wird mit seinem ganzen Volke
die Stadt und das Land verlassen und zurückkehren nach Kairo, wo seine
Vorfahren gewohnt in alter Zeit. Von dort wird mit Hilfe der Engländer,
welche den Islam annehmen, Spanien der Religion deS Propheten von Mekka
wieder erobert werden. Man wird den Schlüssel zu den in der großen Pyra¬
mide liegenden Schätzen Salomos des Geisterfürsten aus dem Nil, in den er
einst versenkt worden, herausfischen, und die Völker deS Ostens, mit denen
des Westens in ewigem Frieden, werden aufs Neue eine Periode des Ruhms
und des Reichthums beginnen.

So ungefähr scheint sich der Volksglaube in Aegypten die Zukunft vor¬
zustellen. So wenigstens hoffte unser guter abergläubischer Dragoman, der
Araber Hassan Salama von Alerandrien, mit dem wir vor nunmehr sechs
Monaten die Nilfahrt von Kairo nach den Katarakten Nubiens machten. Auch
ein Buch soll nach der Angabe des ehrlichen Burschen diese Regulirung der
Landkarte Europas prophezeien. Die "Jnglisch" werden Mohammedaner, weil
sie, wie Hassan weiß, früher "Bidaui", Wüstenaraber, gewesen sind. Die
Deutschen und Franzosen bleiben Christen, weil sie "ein Buch haben" -- ver¬
muthlich die Bibel, von deren hoher Geltung bei den Unterthanen der Königin
Victoria der ägyptische Jesajas, der ihre Bekehrung weissagte, sonach nicht
unterrichtet war.

Unter diesen, wunderlichen Phantasien ist nur eine ganz erklärlich, die,
welche das alte Masr") wieder zum Mittelpunkt des Reichs der Sultane wer¬
den läßt. Sie ist erklärlich aus der Erinnerung an die große Zeit der Sara¬
zenen und vielleicht noch mehr aus der jüngsten Vergangenheit und aus der



*) MoSr, vollständig: Masr El Kahira, der Name Kairos bei den Arabern.
Grenzbvte". III. 18S7. 46
' Die Kalisellstadt am Nil.
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Die Stadt von außen. S kraß en le be n. Ein Abend auf der
Esbekieh.

Dreißig, vielleicht vierzig Jahre noch und es wird im Worgenlandc ein
, großer Umschwung der Dinge stattfinden. Dann werden die Moskof kommen
und Stambul einnehmen, und der Padischah wird mit seinem ganzen Volke
die Stadt und das Land verlassen und zurückkehren nach Kairo, wo seine
Vorfahren gewohnt in alter Zeit. Von dort wird mit Hilfe der Engländer,
welche den Islam annehmen, Spanien der Religion deS Propheten von Mekka
wieder erobert werden. Man wird den Schlüssel zu den in der großen Pyra¬
mide liegenden Schätzen Salomos des Geisterfürsten aus dem Nil, in den er
einst versenkt worden, herausfischen, und die Völker deS Ostens, mit denen
des Westens in ewigem Frieden, werden aufs Neue eine Periode des Ruhms
und des Reichthums beginnen.

So ungefähr scheint sich der Volksglaube in Aegypten die Zukunft vor¬
zustellen. So wenigstens hoffte unser guter abergläubischer Dragoman, der
Araber Hassan Salama von Alerandrien, mit dem wir vor nunmehr sechs
Monaten die Nilfahrt von Kairo nach den Katarakten Nubiens machten. Auch
ein Buch soll nach der Angabe des ehrlichen Burschen diese Regulirung der
Landkarte Europas prophezeien. Die „Jnglisch" werden Mohammedaner, weil
sie, wie Hassan weiß, früher „Bidaui", Wüstenaraber, gewesen sind. Die
Deutschen und Franzosen bleiben Christen, weil sie „ein Buch haben" — ver¬
muthlich die Bibel, von deren hoher Geltung bei den Unterthanen der Königin
Victoria der ägyptische Jesajas, der ihre Bekehrung weissagte, sonach nicht
unterrichtet war.

Unter diesen, wunderlichen Phantasien ist nur eine ganz erklärlich, die,
welche das alte Masr") wieder zum Mittelpunkt des Reichs der Sultane wer¬
den läßt. Sie ist erklärlich aus der Erinnerung an die große Zeit der Sara¬
zenen und vielleicht noch mehr aus der jüngsten Vergangenheit und aus der



*) MoSr, vollständig: Masr El Kahira, der Name Kairos bei den Arabern.
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[0369] ' Die Kalisellstadt am Nil. i'nM öl-min-o' ^..t. .^,.n-'r- je' ^ l' "'1I ^ii-/- ?i Die Stadt von außen. S kraß en le be n. Ein Abend auf der Esbekieh. Dreißig, vielleicht vierzig Jahre noch und es wird im Worgenlandc ein , großer Umschwung der Dinge stattfinden. Dann werden die Moskof kommen und Stambul einnehmen, und der Padischah wird mit seinem ganzen Volke die Stadt und das Land verlassen und zurückkehren nach Kairo, wo seine Vorfahren gewohnt in alter Zeit. Von dort wird mit Hilfe der Engländer, welche den Islam annehmen, Spanien der Religion deS Propheten von Mekka wieder erobert werden. Man wird den Schlüssel zu den in der großen Pyra¬ mide liegenden Schätzen Salomos des Geisterfürsten aus dem Nil, in den er einst versenkt worden, herausfischen, und die Völker deS Ostens, mit denen des Westens in ewigem Frieden, werden aufs Neue eine Periode des Ruhms und des Reichthums beginnen. So ungefähr scheint sich der Volksglaube in Aegypten die Zukunft vor¬ zustellen. So wenigstens hoffte unser guter abergläubischer Dragoman, der Araber Hassan Salama von Alerandrien, mit dem wir vor nunmehr sechs Monaten die Nilfahrt von Kairo nach den Katarakten Nubiens machten. Auch ein Buch soll nach der Angabe des ehrlichen Burschen diese Regulirung der Landkarte Europas prophezeien. Die „Jnglisch" werden Mohammedaner, weil sie, wie Hassan weiß, früher „Bidaui", Wüstenaraber, gewesen sind. Die Deutschen und Franzosen bleiben Christen, weil sie „ein Buch haben" — ver¬ muthlich die Bibel, von deren hoher Geltung bei den Unterthanen der Königin Victoria der ägyptische Jesajas, der ihre Bekehrung weissagte, sonach nicht unterrichtet war. Unter diesen, wunderlichen Phantasien ist nur eine ganz erklärlich, die, welche das alte Masr") wieder zum Mittelpunkt des Reichs der Sultane wer¬ den läßt. Sie ist erklärlich aus der Erinnerung an die große Zeit der Sara¬ zenen und vielleicht noch mehr aus der jüngsten Vergangenheit und aus der *) MoSr, vollständig: Masr El Kahira, der Name Kairos bei den Arabern. Grenzbvte». III. 18S7. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/369>, abgerufen am 22.07.2024.