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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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gen gegen halb 1 Uhr werde ich C. zu einer kleinen Akademie abholen und
nachher wird er mit mir sprechen,^) wo ich ihn alsdann Ihnen wieder zuführen
werde. In Ansehung der Mutter ersuche ich Sie selbe unter dem Vor-
wande, daß er beschäftigt sei, gar nicht zu ihm zu lassen, kein Mensch
kann das besser wissen und beurtheilen als ich, alle meine durchdachten Pläne
für das Wohl der Kinder wurden hierdurch schon einigermaßen gestört, ich
werde selbst mit Ihnen verabreden, wie die Mutter künftig Karln sehen kann,
so wie eS gestern geschehen, kann ich es auf keinen Fall mehr wünschen --
alle Verantwortung deswegen nehme ich über mich und was mich selbst be¬
trifft, so haben mir die Landrechte volle Gewalt und Kraft gegeben, alles
ohne Rücksichten zu beseitigen, was wider das Wohl deS Kindes ist. Hätten
sie selbe als rechtliche Mutter ansehen können, so würden sie sie gewiß nicht
von der Normundschaft ausgeschlossen haben -- was sie auch schwatzen mag,
erschlichen ist nichts gegen Sie geworden -- im vollen Rathe war bekanntlich
nur eine Stimme darüber. Ich wünsche, baß ich hierüber gar keine Besorg¬
nisse hal'en möge, ohnehin ist die Last schwer, nach meiner gestrigen Unterredung
bei Adlcrsburg kann es noch Jahr und Tag dauern bis man nur einmal
bestimmt wissen kann, was dem Kinde gehört. -- Soll ich bei diesen Sorgen
auch noch wieder von den Besorgnissen, die ich durch ihr Institut gänzlich
für mich verscheucht glaubte, neuerdings bedrängt werden? Leben Sie wohl.
L. v. Beethoven. Mit Achtung ihr ergebenster


Ur. 22.

(wahrscheinlich 1817.)

ES ist wenigstens das erste Mal, daß ich mich an eine mir liebe Pflicht
mahnen lassen müssen, sehr dringende Beschäftigungen so wohl mit meiner Kunst
als noch manche andere Ursachen ließen mich auf die Rechnung gänzlich ver¬
gessen, es wird indessen nie mehr nöthig sein. Wegen meinen Bedienten, Karl
Abends nach Hause zu bringen, ist die Veranstaltung schon getroffen, ich dankte
Ihnen unterdessen, daß Sie gestern noch die Gefälligkeit hatten, ihn durch Ihren
Bedienten abholen zu lassen, da ich gar nichts davon wußte, so hätte es leicht
geschehen können, daß Karl bei Czerny halte bleiben müssen. Karls Stiefel
sind zu enge und er hat hierüber schon mehre Male Klage geführt, ja eS
ist so arg damit, daß er kaum gehen konnte und wie lange brauchte um die
Stiefel zu richten. So etwas verdirbt die Füße, ich ersuche Sie, diese Stiefel
ihn nicht mehr anziehen zu lassen, bis sie weiter gemacht sind. Was seine
Studien in dem Clavierüben betrifft, so bitte ich Sie, ihn selber immer anzu¬
halten, weil sonst der Claviermeister zu nichts nützt. Gestern hat Karl den
ganzen Tag nicht spielen können, ich selbst habe es auch schon mehre Male
erfahren, indem ich mich darauf verließ, um mit ihm (etwas) durchzugehen,
daß ich unverrichteter Sache wieder abziehen mußte.


gen gegen halb 1 Uhr werde ich C. zu einer kleinen Akademie abholen und
nachher wird er mit mir sprechen,^) wo ich ihn alsdann Ihnen wieder zuführen
werde. In Ansehung der Mutter ersuche ich Sie selbe unter dem Vor-
wande, daß er beschäftigt sei, gar nicht zu ihm zu lassen, kein Mensch
kann das besser wissen und beurtheilen als ich, alle meine durchdachten Pläne
für das Wohl der Kinder wurden hierdurch schon einigermaßen gestört, ich
werde selbst mit Ihnen verabreden, wie die Mutter künftig Karln sehen kann,
so wie eS gestern geschehen, kann ich es auf keinen Fall mehr wünschen —
alle Verantwortung deswegen nehme ich über mich und was mich selbst be¬
trifft, so haben mir die Landrechte volle Gewalt und Kraft gegeben, alles
ohne Rücksichten zu beseitigen, was wider das Wohl deS Kindes ist. Hätten
sie selbe als rechtliche Mutter ansehen können, so würden sie sie gewiß nicht
von der Normundschaft ausgeschlossen haben — was sie auch schwatzen mag,
erschlichen ist nichts gegen Sie geworden — im vollen Rathe war bekanntlich
nur eine Stimme darüber. Ich wünsche, baß ich hierüber gar keine Besorg¬
nisse hal'en möge, ohnehin ist die Last schwer, nach meiner gestrigen Unterredung
bei Adlcrsburg kann es noch Jahr und Tag dauern bis man nur einmal
bestimmt wissen kann, was dem Kinde gehört. — Soll ich bei diesen Sorgen
auch noch wieder von den Besorgnissen, die ich durch ihr Institut gänzlich
für mich verscheucht glaubte, neuerdings bedrängt werden? Leben Sie wohl.
L. v. Beethoven. Mit Achtung ihr ergebenster


Ur. 22.

(wahrscheinlich 1817.)

ES ist wenigstens das erste Mal, daß ich mich an eine mir liebe Pflicht
mahnen lassen müssen, sehr dringende Beschäftigungen so wohl mit meiner Kunst
als noch manche andere Ursachen ließen mich auf die Rechnung gänzlich ver¬
gessen, es wird indessen nie mehr nöthig sein. Wegen meinen Bedienten, Karl
Abends nach Hause zu bringen, ist die Veranstaltung schon getroffen, ich dankte
Ihnen unterdessen, daß Sie gestern noch die Gefälligkeit hatten, ihn durch Ihren
Bedienten abholen zu lassen, da ich gar nichts davon wußte, so hätte es leicht
geschehen können, daß Karl bei Czerny halte bleiben müssen. Karls Stiefel
sind zu enge und er hat hierüber schon mehre Male Klage geführt, ja eS
ist so arg damit, daß er kaum gehen konnte und wie lange brauchte um die
Stiefel zu richten. So etwas verdirbt die Füße, ich ersuche Sie, diese Stiefel
ihn nicht mehr anziehen zu lassen, bis sie weiter gemacht sind. Was seine
Studien in dem Clavierüben betrifft, so bitte ich Sie, ihn selber immer anzu¬
halten, weil sonst der Claviermeister zu nichts nützt. Gestern hat Karl den
ganzen Tag nicht spielen können, ich selbst habe es auch schon mehre Male
erfahren, indem ich mich darauf verließ, um mit ihm (etwas) durchzugehen,
daß ich unverrichteter Sache wieder abziehen mußte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/68>, abgerufen am 01.09.2024.