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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Einen Altar gibt es in den Moscheen nicht, einen Chor, welcher die Priester
von den Laien trennte, schon deshalb nicht, weil man einen Unterschied zwischen
Weltlied und Geistlich hier nicht kennt. Beichtstühle sind überflüssig, da Gott der
alleinige Beichtvater des Mohammedaners ist, Bilder sind verboten. Den Klingel¬
beutel endlich vertreten die Bettler, welche draußen vor der Thür der Moschee die
Hände aufhalten, und denen die Reicheren jedes Mal ihre Gabe reichen.


M. B.


Das rumänische Landvolk.
' " 2.'-

Daß man bei den gegenwärtigen Verhältnissen zu einer Umgestaltung der
Rechte des Bauernstandes schreiten wird, unterliegt keinem Zweifel. Ebenso
gewiß aber sind auch die Schwierigkeiten, auf die man dabei stoßen wird. Die
Arbeiten, die der Bauer gegenwärtig fürjden Besitzer des Gutes, auf welchem
er ansässig ist, leistet, beruhen auf Gegenseitigkeit. Der Gutsherr ist ver¬
pflichtet, einem jeden Dorfbewohner, der im Besitz von zwei Ochsen ist, sieben
preußische Morgen Ankergrund, sechs Morgen Heuwiese und sechs Morgen Weide
zu geben. Der Bauer, der ohne Gespann seine Arbeit verrichtet, erhält an
Wiesen und Weide drei Fünftel weniger.") Für die Benutzung dieser Grundstücke
darf der Gutsherr verlangen: drei Morgen Schnitt (es wird in der Moldau
noch alles mit der Sichel geschnitten, in seltenen Fällen Gerste ausgenommen),
wozu auch der Transport des Getreides bis zur Dreschtenne kommt; die Be¬
arbeitung von 2^ Morgen Kukuruz oder türkischem Weizen, Ernte und Auf¬
schüttung in tue Körbe mit inbegriffen; das Mähen von nicht ganz fünf
Morgen Gras; das Ackern, Einsam und Eggen von I V4 Morgen; den Trans¬
port von etwa sechs Scheffeln auf eine Entfernung von zehn Meilen, und vier
Tage von Aus- bis Untergang der Sonne zur Aushilfe in der Wirthschaft.
Bei dem Bauer ohne Gespann fällt das Ackern, der Transport und die
Hälfte des Mähers weg.

Diese Leistungen sind, wenn man von dem Princip gezwungener Arbeit
als Pachtschilling wegsehen will, nicht, übertrieben. In Geld berechnet sind
die dem Bauer überlassenen Grundstücke durchschnittlich dreißig Thaler jährlich
werth, während der Preis der dafür geleisteten Arbeiten mit dem besten Willen
nicht über 24 Thaler hinaufzuschrauben ist. In der That klagt auch der Bauer
nicht, wo kein Mißbrauch dieser Ansprüche an ihn stattfindet; es bleibt ihm



*) Als Grundlage der Berechnung ist angenommen, daß die moldauische Faltsche etwa
situs preußische Morgen enthält.
Greuzvoten. II. Ki

Einen Altar gibt es in den Moscheen nicht, einen Chor, welcher die Priester
von den Laien trennte, schon deshalb nicht, weil man einen Unterschied zwischen
Weltlied und Geistlich hier nicht kennt. Beichtstühle sind überflüssig, da Gott der
alleinige Beichtvater des Mohammedaners ist, Bilder sind verboten. Den Klingel¬
beutel endlich vertreten die Bettler, welche draußen vor der Thür der Moschee die
Hände aufhalten, und denen die Reicheren jedes Mal ihre Gabe reichen.


M. B.


Das rumänische Landvolk.
' " 2.'-

Daß man bei den gegenwärtigen Verhältnissen zu einer Umgestaltung der
Rechte des Bauernstandes schreiten wird, unterliegt keinem Zweifel. Ebenso
gewiß aber sind auch die Schwierigkeiten, auf die man dabei stoßen wird. Die
Arbeiten, die der Bauer gegenwärtig fürjden Besitzer des Gutes, auf welchem
er ansässig ist, leistet, beruhen auf Gegenseitigkeit. Der Gutsherr ist ver¬
pflichtet, einem jeden Dorfbewohner, der im Besitz von zwei Ochsen ist, sieben
preußische Morgen Ankergrund, sechs Morgen Heuwiese und sechs Morgen Weide
zu geben. Der Bauer, der ohne Gespann seine Arbeit verrichtet, erhält an
Wiesen und Weide drei Fünftel weniger.") Für die Benutzung dieser Grundstücke
darf der Gutsherr verlangen: drei Morgen Schnitt (es wird in der Moldau
noch alles mit der Sichel geschnitten, in seltenen Fällen Gerste ausgenommen),
wozu auch der Transport des Getreides bis zur Dreschtenne kommt; die Be¬
arbeitung von 2^ Morgen Kukuruz oder türkischem Weizen, Ernte und Auf¬
schüttung in tue Körbe mit inbegriffen; das Mähen von nicht ganz fünf
Morgen Gras; das Ackern, Einsam und Eggen von I V4 Morgen; den Trans¬
port von etwa sechs Scheffeln auf eine Entfernung von zehn Meilen, und vier
Tage von Aus- bis Untergang der Sonne zur Aushilfe in der Wirthschaft.
Bei dem Bauer ohne Gespann fällt das Ackern, der Transport und die
Hälfte des Mähers weg.

Diese Leistungen sind, wenn man von dem Princip gezwungener Arbeit
als Pachtschilling wegsehen will, nicht, übertrieben. In Geld berechnet sind
die dem Bauer überlassenen Grundstücke durchschnittlich dreißig Thaler jährlich
werth, während der Preis der dafür geleisteten Arbeiten mit dem besten Willen
nicht über 24 Thaler hinaufzuschrauben ist. In der That klagt auch der Bauer
nicht, wo kein Mißbrauch dieser Ansprüche an ihn stattfindet; es bleibt ihm



*) Als Grundlage der Berechnung ist angenommen, daß die moldauische Faltsche etwa
situs preußische Morgen enthält.
Greuzvoten. II. Ki
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[0513] Einen Altar gibt es in den Moscheen nicht, einen Chor, welcher die Priester von den Laien trennte, schon deshalb nicht, weil man einen Unterschied zwischen Weltlied und Geistlich hier nicht kennt. Beichtstühle sind überflüssig, da Gott der alleinige Beichtvater des Mohammedaners ist, Bilder sind verboten. Den Klingel¬ beutel endlich vertreten die Bettler, welche draußen vor der Thür der Moschee die Hände aufhalten, und denen die Reicheren jedes Mal ihre Gabe reichen. M. B. Das rumänische Landvolk. ' " 2.'- Daß man bei den gegenwärtigen Verhältnissen zu einer Umgestaltung der Rechte des Bauernstandes schreiten wird, unterliegt keinem Zweifel. Ebenso gewiß aber sind auch die Schwierigkeiten, auf die man dabei stoßen wird. Die Arbeiten, die der Bauer gegenwärtig fürjden Besitzer des Gutes, auf welchem er ansässig ist, leistet, beruhen auf Gegenseitigkeit. Der Gutsherr ist ver¬ pflichtet, einem jeden Dorfbewohner, der im Besitz von zwei Ochsen ist, sieben preußische Morgen Ankergrund, sechs Morgen Heuwiese und sechs Morgen Weide zu geben. Der Bauer, der ohne Gespann seine Arbeit verrichtet, erhält an Wiesen und Weide drei Fünftel weniger.") Für die Benutzung dieser Grundstücke darf der Gutsherr verlangen: drei Morgen Schnitt (es wird in der Moldau noch alles mit der Sichel geschnitten, in seltenen Fällen Gerste ausgenommen), wozu auch der Transport des Getreides bis zur Dreschtenne kommt; die Be¬ arbeitung von 2^ Morgen Kukuruz oder türkischem Weizen, Ernte und Auf¬ schüttung in tue Körbe mit inbegriffen; das Mähen von nicht ganz fünf Morgen Gras; das Ackern, Einsam und Eggen von I V4 Morgen; den Trans¬ port von etwa sechs Scheffeln auf eine Entfernung von zehn Meilen, und vier Tage von Aus- bis Untergang der Sonne zur Aushilfe in der Wirthschaft. Bei dem Bauer ohne Gespann fällt das Ackern, der Transport und die Hälfte des Mähers weg. Diese Leistungen sind, wenn man von dem Princip gezwungener Arbeit als Pachtschilling wegsehen will, nicht, übertrieben. In Geld berechnet sind die dem Bauer überlassenen Grundstücke durchschnittlich dreißig Thaler jährlich werth, während der Preis der dafür geleisteten Arbeiten mit dem besten Willen nicht über 24 Thaler hinaufzuschrauben ist. In der That klagt auch der Bauer nicht, wo kein Mißbrauch dieser Ansprüche an ihn stattfindet; es bleibt ihm *) Als Grundlage der Berechnung ist angenommen, daß die moldauische Faltsche etwa situs preußische Morgen enthält. Greuzvoten. II. Ki

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/513>, abgerufen am 01.09.2024.