Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.Rußland in Asien. Auch die Politik erfreut sich der Rosenzeit. Friedensnachrichten, Ver¬ Keine Regentenfamilie benutzt in so großartiger Weise das politische Mit¬ Der Krieg war für Rußland eine furchtbare Niederlage. Die Größe der¬ Grenzboten II. ^L7. 56
Rußland in Asien. Auch die Politik erfreut sich der Rosenzeit. Friedensnachrichten, Ver¬ Keine Regentenfamilie benutzt in so großartiger Weise das politische Mit¬ Der Krieg war für Rußland eine furchtbare Niederlage. Die Größe der¬ Grenzboten II. ^L7. 56
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0449" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104116"/> </div> <div n="1"> <head> Rußland in Asien.</head><lb/> <p xml:id="ID_1253"> Auch die Politik erfreut sich der Rosenzeit. Friedensnachrichten, Ver¬<lb/> lobungen in den regierenden Häusern, massenhafte Besuche fürstlicher Personen,<lb/> solenne Feste und stille Einleitungen zu neuen Fämilienverbindungen, deren<lb/> Fäden in Deutschland vorzugsweise durch die Hand einiger erlauchter Frauen<lb/> gesponnen werden. Jetzt blüht die stille Politik der regierenden Familien und<lb/> man wurde aus einer Statistik der Eisenbahnfahrten höchster Personen wol<lb/> erkennen, wie behend von ihnen die neue demokratische Erfindung benutzt wird,<lb/> um ihre und ihres Hauses Interessen durch persönliche Einwirkungen und eigne<lb/> Beobachtung fremder Verhältnisse zu stützen. Der Hof der Tuilerien hat -das<lb/> Aussehn eines fürstlichen Hotels bekommen, Napoleon til. empfängt, mit dem<lb/> gleichgiltigen Gesicht, welches ihm so gelt zu Gebot steht, die artigen Huldi¬<lb/> gungen fremder Prinzen und Souveräne aus den ältesten Häusern; er, der<lb/> Noch vor wenig Jahren als Eindringling von allen souveränen Familien Eu¬<lb/> ropas gemieden wurde, ist jetzt der Mittelpunkt der wetteifernden Aufmerksam¬<lb/> keit aller Höfe Europas geworden. Es soll hier nicht untersucht werden, ob<lb/> dieser schnelle Wechsel mehr seiner großen Politik oder der kleinen Politik der<lb/> andern zuzurechnen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1254"> Keine Regentenfamilie benutzt in so großartiger Weise das politische Mit¬<lb/> tet der Reisen, als die russische und keine ist so sehr beflissen, die Größe ihres<lb/> Reiches im Auslande zu repräsentiren. Großer Empfang, großes Gefolge,<lb/> große Geschenke erinnern auch das Volk daran, daß das Haus des Zaren<lb/> trotz Alma und Sebastopol immer noch den höchsten Rang unter dem souve¬<lb/> ränen Adel der Welt beansprucht. Allerdings ist es für Rußland nöthig, alle<lb/> Mittel anzuwenden, um den Einfluß, welchen es durch den orientalischen Krieg<lb/> verloren hat, wiederzugewinnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1255" next="#ID_1256"> Der Krieg war für Rußland eine furchtbare Niederlage. Die Größe der¬<lb/> selben ist von den Regierungen überall richtiger gewürdigt worden als von der<lb/> Presse Europas. Der Nimbus von unerschöpflicher Kraft und erhabener Ma¬<lb/> jestät, mit welchem die klägliche Devotion deutscher Herren das Haupt des<lb/> russischen Selbstherrschers umgeben hatte, war plötzlich verschwunden; nicht<lb/> nur große Schwäche des Staates, sondern was vielen größeres Unrecht fehl'en,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. ^L7. 56</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0449]
Rußland in Asien.
Auch die Politik erfreut sich der Rosenzeit. Friedensnachrichten, Ver¬
lobungen in den regierenden Häusern, massenhafte Besuche fürstlicher Personen,
solenne Feste und stille Einleitungen zu neuen Fämilienverbindungen, deren
Fäden in Deutschland vorzugsweise durch die Hand einiger erlauchter Frauen
gesponnen werden. Jetzt blüht die stille Politik der regierenden Familien und
man wurde aus einer Statistik der Eisenbahnfahrten höchster Personen wol
erkennen, wie behend von ihnen die neue demokratische Erfindung benutzt wird,
um ihre und ihres Hauses Interessen durch persönliche Einwirkungen und eigne
Beobachtung fremder Verhältnisse zu stützen. Der Hof der Tuilerien hat -das
Aussehn eines fürstlichen Hotels bekommen, Napoleon til. empfängt, mit dem
gleichgiltigen Gesicht, welches ihm so gelt zu Gebot steht, die artigen Huldi¬
gungen fremder Prinzen und Souveräne aus den ältesten Häusern; er, der
Noch vor wenig Jahren als Eindringling von allen souveränen Familien Eu¬
ropas gemieden wurde, ist jetzt der Mittelpunkt der wetteifernden Aufmerksam¬
keit aller Höfe Europas geworden. Es soll hier nicht untersucht werden, ob
dieser schnelle Wechsel mehr seiner großen Politik oder der kleinen Politik der
andern zuzurechnen ist.
Keine Regentenfamilie benutzt in so großartiger Weise das politische Mit¬
tet der Reisen, als die russische und keine ist so sehr beflissen, die Größe ihres
Reiches im Auslande zu repräsentiren. Großer Empfang, großes Gefolge,
große Geschenke erinnern auch das Volk daran, daß das Haus des Zaren
trotz Alma und Sebastopol immer noch den höchsten Rang unter dem souve¬
ränen Adel der Welt beansprucht. Allerdings ist es für Rußland nöthig, alle
Mittel anzuwenden, um den Einfluß, welchen es durch den orientalischen Krieg
verloren hat, wiederzugewinnen.
Der Krieg war für Rußland eine furchtbare Niederlage. Die Größe der¬
selben ist von den Regierungen überall richtiger gewürdigt worden als von der
Presse Europas. Der Nimbus von unerschöpflicher Kraft und erhabener Ma¬
jestät, mit welchem die klägliche Devotion deutscher Herren das Haupt des
russischen Selbstherrschers umgeben hatte, war plötzlich verschwunden; nicht
nur große Schwäche des Staates, sondern was vielen größeres Unrecht fehl'en,
Grenzboten II. ^L7. 56
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |