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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Clllderon.

Die Schauspiele Calderons dargestellt und erläutert von Fricdr. Will). Val.
Schmidt. Aus gedruckten und ungedruckten Papieren des Verfassers zu¬
sammengesetzt, ergänzt und herausgegeben von Leopo it Schmidt. Elver-
feld. Friederichs. -1837.

Schon vor einigen Jahren haben wir daraus aufmerksam gemacht, wie
wünschenswert!) es sei, die vermischten Abhandlungen Valentin Schmidts über
die südeuropäische Literatur, namentlich über Calderon, die bis jetzt in schwer
zugänglichen Zeitschriften zerstreut lagen, zu sammeln. Zwar sind dieselben von
neuern Geschichtschreibern der Literatur mehrfach benutzt und ausgeschrieben
worden, aber die Sammlung ist dadurch doch nicht entbehrlich gemacht. Für
die spanische Literatur bleibt überhaupt noch sehr viel zu thun. AIS sie bei-
uns durch die romantische Schule Mode wurde, begnügte man sich mit über¬
schwenglichen Lobpreisungen und gab manchem guten Protestanten Aergerniß,
indem man die entsetzliche Bigotterie und das nüchterne mechanische Sitten-
gesetze, aus dem leider jene wunderbaren Dichtungen hervorgegangen sind, für
eine vollkommene poetische Weltanschauung ausgab. Wenn man heute manche
von den Sonetten und prosaischen Dithyramben liest, in denen zu Anfang
dieses Jahrhunderts der blutigste Aberglaube verherrlicht wurde, so kann nao
wol in Zweifel über den Werth der uns überlieferten poetischen Bildung
gerathen. Auch der neueste deutsche Geschichtschreiber der spanischen Poesie,
Adolph von Schach, dessen große Verdienste wir gewiß nicht anfechten wollen,
hat sich leider durch die Declamationen der Schlegel, Tieck, Hoffmann in.
mehr als nöthig bestimmen lassen, obgleich mitunter bei ihm das Gefühl, deS
richtigen Verhältnisses lebhaft hervortritt. Es sieht zuweilen, so aus, als
wollt" er nicht blos eine Apologie des Dichters, sondern auch eine Apologie
der Zustände geben, aus denen derselbe hervorgegangen ist. Indem er überall
aus eine poetische Form ausgeht, versäumt er darüber nicht selten, das We¬
sentliche und Charakteristische hervorzuheben.. Sein Referat ist mehr Para?
Phrase als Analyse. Was den Amerikaner Ticknor betrifft, dessen Geschichte
der schönen Literatur von Spanien 1830 ovo Julius ins Deutsche übersetzt-
ist, so, hat derselbe allerdings den Vorzug, eine ungeheure, fast alle Zweige
des Gegenstandes umfassende Bibliothek zu besitzen; ein Vorzug, der bei der
spanischen Literatur weit höher anzuschlagen ist, als bei irgend, einer anHevn^
weil die Spanier mit ihrer ältern Literatur auf eine sträfliche Weise umgegangen
sind. Erst in neuerer Zeit fühlt man tiefer das Bedürfniß correcter und voll¬
ständiger Ausgaben, die um so schwieriger geworden sind, da man die seltenen
Ausgaben und Manuscripte nach allen Weltgegenden hin verschleppt hat.


Clllderon.

Die Schauspiele Calderons dargestellt und erläutert von Fricdr. Will). Val.
Schmidt. Aus gedruckten und ungedruckten Papieren des Verfassers zu¬
sammengesetzt, ergänzt und herausgegeben von Leopo it Schmidt. Elver-
feld. Friederichs. -1837.

Schon vor einigen Jahren haben wir daraus aufmerksam gemacht, wie
wünschenswert!) es sei, die vermischten Abhandlungen Valentin Schmidts über
die südeuropäische Literatur, namentlich über Calderon, die bis jetzt in schwer
zugänglichen Zeitschriften zerstreut lagen, zu sammeln. Zwar sind dieselben von
neuern Geschichtschreibern der Literatur mehrfach benutzt und ausgeschrieben
worden, aber die Sammlung ist dadurch doch nicht entbehrlich gemacht. Für
die spanische Literatur bleibt überhaupt noch sehr viel zu thun. AIS sie bei-
uns durch die romantische Schule Mode wurde, begnügte man sich mit über¬
schwenglichen Lobpreisungen und gab manchem guten Protestanten Aergerniß,
indem man die entsetzliche Bigotterie und das nüchterne mechanische Sitten-
gesetze, aus dem leider jene wunderbaren Dichtungen hervorgegangen sind, für
eine vollkommene poetische Weltanschauung ausgab. Wenn man heute manche
von den Sonetten und prosaischen Dithyramben liest, in denen zu Anfang
dieses Jahrhunderts der blutigste Aberglaube verherrlicht wurde, so kann nao
wol in Zweifel über den Werth der uns überlieferten poetischen Bildung
gerathen. Auch der neueste deutsche Geschichtschreiber der spanischen Poesie,
Adolph von Schach, dessen große Verdienste wir gewiß nicht anfechten wollen,
hat sich leider durch die Declamationen der Schlegel, Tieck, Hoffmann in.
mehr als nöthig bestimmen lassen, obgleich mitunter bei ihm das Gefühl, deS
richtigen Verhältnisses lebhaft hervortritt. Es sieht zuweilen, so aus, als
wollt« er nicht blos eine Apologie des Dichters, sondern auch eine Apologie
der Zustände geben, aus denen derselbe hervorgegangen ist. Indem er überall
aus eine poetische Form ausgeht, versäumt er darüber nicht selten, das We¬
sentliche und Charakteristische hervorzuheben.. Sein Referat ist mehr Para?
Phrase als Analyse. Was den Amerikaner Ticknor betrifft, dessen Geschichte
der schönen Literatur von Spanien 1830 ovo Julius ins Deutsche übersetzt-
ist, so, hat derselbe allerdings den Vorzug, eine ungeheure, fast alle Zweige
des Gegenstandes umfassende Bibliothek zu besitzen; ein Vorzug, der bei der
spanischen Literatur weit höher anzuschlagen ist, als bei irgend, einer anHevn^
weil die Spanier mit ihrer ältern Literatur auf eine sträfliche Weise umgegangen
sind. Erst in neuerer Zeit fühlt man tiefer das Bedürfniß correcter und voll¬
ständiger Ausgaben, die um so schwieriger geworden sind, da man die seltenen
Ausgaben und Manuscripte nach allen Weltgegenden hin verschleppt hat.


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[0232] Clllderon. Die Schauspiele Calderons dargestellt und erläutert von Fricdr. Will). Val. Schmidt. Aus gedruckten und ungedruckten Papieren des Verfassers zu¬ sammengesetzt, ergänzt und herausgegeben von Leopo it Schmidt. Elver- feld. Friederichs. -1837. Schon vor einigen Jahren haben wir daraus aufmerksam gemacht, wie wünschenswert!) es sei, die vermischten Abhandlungen Valentin Schmidts über die südeuropäische Literatur, namentlich über Calderon, die bis jetzt in schwer zugänglichen Zeitschriften zerstreut lagen, zu sammeln. Zwar sind dieselben von neuern Geschichtschreibern der Literatur mehrfach benutzt und ausgeschrieben worden, aber die Sammlung ist dadurch doch nicht entbehrlich gemacht. Für die spanische Literatur bleibt überhaupt noch sehr viel zu thun. AIS sie bei- uns durch die romantische Schule Mode wurde, begnügte man sich mit über¬ schwenglichen Lobpreisungen und gab manchem guten Protestanten Aergerniß, indem man die entsetzliche Bigotterie und das nüchterne mechanische Sitten- gesetze, aus dem leider jene wunderbaren Dichtungen hervorgegangen sind, für eine vollkommene poetische Weltanschauung ausgab. Wenn man heute manche von den Sonetten und prosaischen Dithyramben liest, in denen zu Anfang dieses Jahrhunderts der blutigste Aberglaube verherrlicht wurde, so kann nao wol in Zweifel über den Werth der uns überlieferten poetischen Bildung gerathen. Auch der neueste deutsche Geschichtschreiber der spanischen Poesie, Adolph von Schach, dessen große Verdienste wir gewiß nicht anfechten wollen, hat sich leider durch die Declamationen der Schlegel, Tieck, Hoffmann in. mehr als nöthig bestimmen lassen, obgleich mitunter bei ihm das Gefühl, deS richtigen Verhältnisses lebhaft hervortritt. Es sieht zuweilen, so aus, als wollt« er nicht blos eine Apologie des Dichters, sondern auch eine Apologie der Zustände geben, aus denen derselbe hervorgegangen ist. Indem er überall aus eine poetische Form ausgeht, versäumt er darüber nicht selten, das We¬ sentliche und Charakteristische hervorzuheben.. Sein Referat ist mehr Para? Phrase als Analyse. Was den Amerikaner Ticknor betrifft, dessen Geschichte der schönen Literatur von Spanien 1830 ovo Julius ins Deutsche übersetzt- ist, so, hat derselbe allerdings den Vorzug, eine ungeheure, fast alle Zweige des Gegenstandes umfassende Bibliothek zu besitzen; ein Vorzug, der bei der spanischen Literatur weit höher anzuschlagen ist, als bei irgend, einer anHevn^ weil die Spanier mit ihrer ältern Literatur auf eine sträfliche Weise umgegangen sind. Erst in neuerer Zeit fühlt man tiefer das Bedürfniß correcter und voll¬ ständiger Ausgaben, die um so schwieriger geworden sind, da man die seltenen Ausgaben und Manuscripte nach allen Weltgegenden hin verschleppt hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/232>, abgerufen am 01.09.2024.