Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

land gewahrsagt, es werde darum noch bei Leibe kein Pulver verschossen wer¬
den. Nachdem die Vorhut der englischen Armee in Malta angelangt war,
hieß es, dort werde sie Zelte bauen. Als die vereinigten Armeen am Bos¬
porus campirten, meinte das Orakel: bis hierher und nicht weiter. Derselbe
Spruch ertönte, als die Nachricht kam, die Armee sei nach Warna abgerückt.
Später munkelte man, es gälte der Krim, aber die Mathematiker der Tages¬
geschichte bewiesen daS Gegentheil. Sebastopol lag in Todesnöthen, und sie
prophezeihten, es werde nie fallen. Der pariser Congreß war zu Ende, und
sie vermaßen sich hoch und theuer, Konstantinopel werde nie wieder die eng¬
lische und französische Armee abziehen sehen. Von einem Kriege mit Amerika
war keine Rede, und die Stettiner Rheder wurden dringend ermahnt, ihre
Schiffe, als zukünftige Neutrale, für gute Fracht bereit zu halten, was die
Stettiner hoffentlich nicht gethan haben, denn sie hätten dadurch viel Geld
verloren. -- Solche bittere Erfahrungen sollten sie künftig vor Selbstüber¬
schätzung bewahren, und ihnen ein wenig Wohlwollen gegen den Nachbar ein¬
flößen, der vielleicht auch zuweilen menschlich, nicht immer teuflisch, irrt.

Die sicherste Heilmethode für jene Oppvsttionsmänner um jeden Preis wäre
allerdings, jeden derselben der Reihe nach zum Minister zu machen. Vierzehn
Tage wären hinreichend, sie gründlich zu überzeugen, daß das Regieren einige
Schwierigkeiten hat, und alle Tage in die Lage kommt, die Nachsicht eines
verehrungswürdigen Publicums in Anspruch nehmen zu müssen. Aber Eng¬
land wird sich zu diesem Heilversuche schwerlich geneigt fühlen- Und Deutsch¬
land?! -- "Schon Louvois wußte, daß Verbannte die schlechtesten aller
Rathgeber sind," sagt Thomas Babington Wacaulav im vierten Band seiner
Geschichte. -- Und "man geht niemals so weit, als wenn man nicht weiß, wo¬
hin man eigentlich geht" -- sagte Oliver Cromwell.



Moderne Industrie im italienischen Antiquitätenhandel.

Es gibt eine Menge Dinge im geselligen Verkehr, über welche man
Stillschweigen beobachten muß, will man sich den Ruf der Wohlerzogenheir
bewahren. Aus dem Gebiete der bildenden Künste gibt es Aehnliches. In
den Köpfen Unzähliger treibt sichs um, aber weil es müßig wäre davon zu
reden, ist man vernünftig genug es zu unterlassen. Wie der Araber seinen
Steigbügel umwickelt, damit ihm in heißen Tagen dessen Glühen nicht die
Sohlen versenge, so kommen wir über eine Menge Fragen, die leicht zu
brennenden werden könnten, glücklich hinweg, indem wir sie mit der schützen-


Grenzboten. I. ä,

land gewahrsagt, es werde darum noch bei Leibe kein Pulver verschossen wer¬
den. Nachdem die Vorhut der englischen Armee in Malta angelangt war,
hieß es, dort werde sie Zelte bauen. Als die vereinigten Armeen am Bos¬
porus campirten, meinte das Orakel: bis hierher und nicht weiter. Derselbe
Spruch ertönte, als die Nachricht kam, die Armee sei nach Warna abgerückt.
Später munkelte man, es gälte der Krim, aber die Mathematiker der Tages¬
geschichte bewiesen daS Gegentheil. Sebastopol lag in Todesnöthen, und sie
prophezeihten, es werde nie fallen. Der pariser Congreß war zu Ende, und
sie vermaßen sich hoch und theuer, Konstantinopel werde nie wieder die eng¬
lische und französische Armee abziehen sehen. Von einem Kriege mit Amerika
war keine Rede, und die Stettiner Rheder wurden dringend ermahnt, ihre
Schiffe, als zukünftige Neutrale, für gute Fracht bereit zu halten, was die
Stettiner hoffentlich nicht gethan haben, denn sie hätten dadurch viel Geld
verloren. — Solche bittere Erfahrungen sollten sie künftig vor Selbstüber¬
schätzung bewahren, und ihnen ein wenig Wohlwollen gegen den Nachbar ein¬
flößen, der vielleicht auch zuweilen menschlich, nicht immer teuflisch, irrt.

Die sicherste Heilmethode für jene Oppvsttionsmänner um jeden Preis wäre
allerdings, jeden derselben der Reihe nach zum Minister zu machen. Vierzehn
Tage wären hinreichend, sie gründlich zu überzeugen, daß das Regieren einige
Schwierigkeiten hat, und alle Tage in die Lage kommt, die Nachsicht eines
verehrungswürdigen Publicums in Anspruch nehmen zu müssen. Aber Eng¬
land wird sich zu diesem Heilversuche schwerlich geneigt fühlen- Und Deutsch¬
land?! — „Schon Louvois wußte, daß Verbannte die schlechtesten aller
Rathgeber sind," sagt Thomas Babington Wacaulav im vierten Band seiner
Geschichte. — Und „man geht niemals so weit, als wenn man nicht weiß, wo¬
hin man eigentlich geht" — sagte Oliver Cromwell.



Moderne Industrie im italienischen Antiquitätenhandel.

Es gibt eine Menge Dinge im geselligen Verkehr, über welche man
Stillschweigen beobachten muß, will man sich den Ruf der Wohlerzogenheir
bewahren. Aus dem Gebiete der bildenden Künste gibt es Aehnliches. In
den Köpfen Unzähliger treibt sichs um, aber weil es müßig wäre davon zu
reden, ist man vernünftig genug es zu unterlassen. Wie der Araber seinen
Steigbügel umwickelt, damit ihm in heißen Tagen dessen Glühen nicht die
Sohlen versenge, so kommen wir über eine Menge Fragen, die leicht zu
brennenden werden könnten, glücklich hinweg, indem wir sie mit der schützen-


Grenzboten. I. ä,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0033" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103166"/>
          <p xml:id="ID_95" prev="#ID_94"> land gewahrsagt, es werde darum noch bei Leibe kein Pulver verschossen wer¬<lb/>
den. Nachdem die Vorhut der englischen Armee in Malta angelangt war,<lb/>
hieß es, dort werde sie Zelte bauen. Als die vereinigten Armeen am Bos¬<lb/>
porus campirten, meinte das Orakel: bis hierher und nicht weiter. Derselbe<lb/>
Spruch ertönte, als die Nachricht kam, die Armee sei nach Warna abgerückt.<lb/>
Später munkelte man, es gälte der Krim, aber die Mathematiker der Tages¬<lb/>
geschichte bewiesen daS Gegentheil. Sebastopol lag in Todesnöthen, und sie<lb/>
prophezeihten, es werde nie fallen. Der pariser Congreß war zu Ende, und<lb/>
sie vermaßen sich hoch und theuer, Konstantinopel werde nie wieder die eng¬<lb/>
lische und französische Armee abziehen sehen. Von einem Kriege mit Amerika<lb/>
war keine Rede, und die Stettiner Rheder wurden dringend ermahnt, ihre<lb/>
Schiffe, als zukünftige Neutrale, für gute Fracht bereit zu halten, was die<lb/>
Stettiner hoffentlich nicht gethan haben, denn sie hätten dadurch viel Geld<lb/>
verloren. &#x2014; Solche bittere Erfahrungen sollten sie künftig vor Selbstüber¬<lb/>
schätzung bewahren, und ihnen ein wenig Wohlwollen gegen den Nachbar ein¬<lb/>
flößen, der vielleicht auch zuweilen menschlich, nicht immer teuflisch, irrt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_96"> Die sicherste Heilmethode für jene Oppvsttionsmänner um jeden Preis wäre<lb/>
allerdings, jeden derselben der Reihe nach zum Minister zu machen. Vierzehn<lb/>
Tage wären hinreichend, sie gründlich zu überzeugen, daß das Regieren einige<lb/>
Schwierigkeiten hat, und alle Tage in die Lage kommt, die Nachsicht eines<lb/>
verehrungswürdigen Publicums in Anspruch nehmen zu müssen. Aber Eng¬<lb/>
land wird sich zu diesem Heilversuche schwerlich geneigt fühlen- Und Deutsch¬<lb/>
land?! &#x2014; &#x201E;Schon Louvois wußte, daß Verbannte die schlechtesten aller<lb/>
Rathgeber sind," sagt Thomas Babington Wacaulav im vierten Band seiner<lb/>
Geschichte. &#x2014; Und &#x201E;man geht niemals so weit, als wenn man nicht weiß, wo¬<lb/>
hin man eigentlich geht" &#x2014; sagte Oliver Cromwell.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Moderne Industrie im italienischen Antiquitätenhandel.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_97" next="#ID_98"> Es gibt eine Menge Dinge im geselligen Verkehr, über welche man<lb/>
Stillschweigen beobachten muß, will man sich den Ruf der Wohlerzogenheir<lb/>
bewahren. Aus dem Gebiete der bildenden Künste gibt es Aehnliches. In<lb/>
den Köpfen Unzähliger treibt sichs um, aber weil es müßig wäre davon zu<lb/>
reden, ist man vernünftig genug es zu unterlassen. Wie der Araber seinen<lb/>
Steigbügel umwickelt, damit ihm in heißen Tagen dessen Glühen nicht die<lb/>
Sohlen versenge, so kommen wir über eine Menge Fragen, die leicht zu<lb/>
brennenden werden könnten, glücklich hinweg, indem wir sie mit der schützen-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. I. ä,</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0033] land gewahrsagt, es werde darum noch bei Leibe kein Pulver verschossen wer¬ den. Nachdem die Vorhut der englischen Armee in Malta angelangt war, hieß es, dort werde sie Zelte bauen. Als die vereinigten Armeen am Bos¬ porus campirten, meinte das Orakel: bis hierher und nicht weiter. Derselbe Spruch ertönte, als die Nachricht kam, die Armee sei nach Warna abgerückt. Später munkelte man, es gälte der Krim, aber die Mathematiker der Tages¬ geschichte bewiesen daS Gegentheil. Sebastopol lag in Todesnöthen, und sie prophezeihten, es werde nie fallen. Der pariser Congreß war zu Ende, und sie vermaßen sich hoch und theuer, Konstantinopel werde nie wieder die eng¬ lische und französische Armee abziehen sehen. Von einem Kriege mit Amerika war keine Rede, und die Stettiner Rheder wurden dringend ermahnt, ihre Schiffe, als zukünftige Neutrale, für gute Fracht bereit zu halten, was die Stettiner hoffentlich nicht gethan haben, denn sie hätten dadurch viel Geld verloren. — Solche bittere Erfahrungen sollten sie künftig vor Selbstüber¬ schätzung bewahren, und ihnen ein wenig Wohlwollen gegen den Nachbar ein¬ flößen, der vielleicht auch zuweilen menschlich, nicht immer teuflisch, irrt. Die sicherste Heilmethode für jene Oppvsttionsmänner um jeden Preis wäre allerdings, jeden derselben der Reihe nach zum Minister zu machen. Vierzehn Tage wären hinreichend, sie gründlich zu überzeugen, daß das Regieren einige Schwierigkeiten hat, und alle Tage in die Lage kommt, die Nachsicht eines verehrungswürdigen Publicums in Anspruch nehmen zu müssen. Aber Eng¬ land wird sich zu diesem Heilversuche schwerlich geneigt fühlen- Und Deutsch¬ land?! — „Schon Louvois wußte, daß Verbannte die schlechtesten aller Rathgeber sind," sagt Thomas Babington Wacaulav im vierten Band seiner Geschichte. — Und „man geht niemals so weit, als wenn man nicht weiß, wo¬ hin man eigentlich geht" — sagte Oliver Cromwell. Moderne Industrie im italienischen Antiquitätenhandel. Es gibt eine Menge Dinge im geselligen Verkehr, über welche man Stillschweigen beobachten muß, will man sich den Ruf der Wohlerzogenheir bewahren. Aus dem Gebiete der bildenden Künste gibt es Aehnliches. In den Köpfen Unzähliger treibt sichs um, aber weil es müßig wäre davon zu reden, ist man vernünftig genug es zu unterlassen. Wie der Araber seinen Steigbügel umwickelt, damit ihm in heißen Tagen dessen Glühen nicht die Sohlen versenge, so kommen wir über eine Menge Fragen, die leicht zu brennenden werden könnten, glücklich hinweg, indem wir sie mit der schützen- Grenzboten. I. ä,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/33
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/33>, abgerufen am 21.12.2024.