Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.Gefühle anzuregen, sodann wird durch nichts die Aufmerksamkeit so erschlafft, Diese Bemerkungen können natürlich keinen andern Zweck haben, als den Das Leben Friedrichs von Gagern. Das Leben des Generals Friedrich von Gagern. Von Heinrich von Das Buch erregt in uns einen eigenthümlich gemischten Eindruck. Wir Gefühle anzuregen, sodann wird durch nichts die Aufmerksamkeit so erschlafft, Diese Bemerkungen können natürlich keinen andern Zweck haben, als den Das Leben Friedrichs von Gagern. Das Leben des Generals Friedrich von Gagern. Von Heinrich von Das Buch erregt in uns einen eigenthümlich gemischten Eindruck. Wir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103319"/> <p xml:id="ID_605" prev="#ID_604"> Gefühle anzuregen, sodann wird durch nichts die Aufmerksamkeit so erschlafft,<lb/> als durch eine beständige Spannung des Gefühls.</p><lb/> <p xml:id="ID_606"> Diese Bemerkungen können natürlich keinen andern Zweck haben, als den<lb/> Schriftsteller, der sich eine so schöne Ausgabe gestellt hat, darauf aufmerksam<lb/> zu machen, daß die Form seiner Darstellung etwas zu wünschen übrig läßt.<lb/> Sein Unternehmen ist die Aufgabe eines ganzen Lebens, und er hat also auch<lb/> noch in dieser Beziehung hinreichende Veranlassung, dem höchsten Ideal der<lb/> Kunst nachzustreben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Das Leben Friedrichs von Gagern.</head><lb/> <p xml:id="ID_607"> Das Leben des Generals Friedrich von Gagern. Von Heinrich von<lb/> Gagern. Dritter Band. Literarischer Nachlaß. Leipzig und Heidelberg.<lb/> C. F. Wintcrsche Verlagshandlung. —</p><lb/> <p xml:id="ID_608" next="#ID_609"> Das Buch erregt in uns einen eigenthümlich gemischten Eindruck. Wir<lb/> sollten uns darüber freuen, einen Charakter kennen zu lernen, an dem das<lb/> alte Gerede von dem träumerischen Wesen der deutschen Nation zu Schanden<lb/> wird, einen Charakter, in dem ein Heller, durchdringender Verstand mit dem<lb/> festen, entschlossenen Willen Eins war, in dem ein strenger sittlicher Ernst<lb/> und eine ruhige Beobachtung der Außenwelt sich paarten, ein Mann in der<lb/> schönsten Bedeutung des Worts. Wir sollten uns freuen, denn durch diese<lb/> Kenntniß wird der Schatz unsers Nationalgefühls vermehrt; aber wir müssen<lb/> immer daran denken, daß wir ihn in einem kläglichen Kampf verloren haben,<lb/> in einem Augenblick, wo Deutschland nichts mehr Noth that, als ein Mann,<lb/> der bestimmt wußte, was er wollte, und der wollte, was er wußte. Wir<lb/> waren damals überreich an Männern von klarer, fein durchgebildeter Einsicht,<lb/> aber es fehlte ihnen die Elasticität des Entschlusses; an Männern von starker<lb/> Leidenschaft, aber es fehlte ihnen der gesunde Menschenverstand. Nehmen wir<lb/> noch dazu, daß dieser Mann, was damals in den Reihen der Liberalen sich<lb/> so selten fand, der Waffen kundig war und gewohnt, die Soldaten zu be¬<lb/> handeln und zu führen, so drängt sich uns immer von neuem der Gedanke<lb/> auf, vielleicht hätte Friedrich von Gagern der deutschen Geschichte eine ganz<lb/> andere Wendung gegeben. Alle Achtung vor den großen Gaben seines Bruders,<lb/> seinem wahrhaft edlen Muth, seiner ritterlichen Hingebung an die Sache, aber<lb/> er war zu sehr an das parlamentarische Leben gewöhnt, und noch nie hat die<lb/> parlamentarische Bewegung eine Revolution entschieden. Die besten Köpfe<lb/> Deutschlands saßen in der Paulskirche zusammen, und nach unsäglicher Arbeit<lb/> entwickelte sich endlich bei ihnen das Bild eines vernünftigen Zustandes für</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0186]
Gefühle anzuregen, sodann wird durch nichts die Aufmerksamkeit so erschlafft,
als durch eine beständige Spannung des Gefühls.
Diese Bemerkungen können natürlich keinen andern Zweck haben, als den
Schriftsteller, der sich eine so schöne Ausgabe gestellt hat, darauf aufmerksam
zu machen, daß die Form seiner Darstellung etwas zu wünschen übrig läßt.
Sein Unternehmen ist die Aufgabe eines ganzen Lebens, und er hat also auch
noch in dieser Beziehung hinreichende Veranlassung, dem höchsten Ideal der
Kunst nachzustreben.
Das Leben Friedrichs von Gagern.
Das Leben des Generals Friedrich von Gagern. Von Heinrich von
Gagern. Dritter Band. Literarischer Nachlaß. Leipzig und Heidelberg.
C. F. Wintcrsche Verlagshandlung. —
Das Buch erregt in uns einen eigenthümlich gemischten Eindruck. Wir
sollten uns darüber freuen, einen Charakter kennen zu lernen, an dem das
alte Gerede von dem träumerischen Wesen der deutschen Nation zu Schanden
wird, einen Charakter, in dem ein Heller, durchdringender Verstand mit dem
festen, entschlossenen Willen Eins war, in dem ein strenger sittlicher Ernst
und eine ruhige Beobachtung der Außenwelt sich paarten, ein Mann in der
schönsten Bedeutung des Worts. Wir sollten uns freuen, denn durch diese
Kenntniß wird der Schatz unsers Nationalgefühls vermehrt; aber wir müssen
immer daran denken, daß wir ihn in einem kläglichen Kampf verloren haben,
in einem Augenblick, wo Deutschland nichts mehr Noth that, als ein Mann,
der bestimmt wußte, was er wollte, und der wollte, was er wußte. Wir
waren damals überreich an Männern von klarer, fein durchgebildeter Einsicht,
aber es fehlte ihnen die Elasticität des Entschlusses; an Männern von starker
Leidenschaft, aber es fehlte ihnen der gesunde Menschenverstand. Nehmen wir
noch dazu, daß dieser Mann, was damals in den Reihen der Liberalen sich
so selten fand, der Waffen kundig war und gewohnt, die Soldaten zu be¬
handeln und zu führen, so drängt sich uns immer von neuem der Gedanke
auf, vielleicht hätte Friedrich von Gagern der deutschen Geschichte eine ganz
andere Wendung gegeben. Alle Achtung vor den großen Gaben seines Bruders,
seinem wahrhaft edlen Muth, seiner ritterlichen Hingebung an die Sache, aber
er war zu sehr an das parlamentarische Leben gewöhnt, und noch nie hat die
parlamentarische Bewegung eine Revolution entschieden. Die besten Köpfe
Deutschlands saßen in der Paulskirche zusammen, und nach unsäglicher Arbeit
entwickelte sich endlich bei ihnen das Bild eines vernünftigen Zustandes für
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