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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Bilder aus der deutschen Vergangenheit.
Brief eines Hamburger Bürgermeisters an seinen Sohn in
Lissabon, -1681.

Es gibt wenige Stätten des deutschen Grundes, auf denen in der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts unser Blick mit Behagen verweilt, und noch
weniger als an den Höfen und hier und da auf Universitäten ist in den
Städten etwas von deutscher Kraft zu erkennen. Vielleicht die beste Ausnahme ist
Hamburg. Auch dort hatte der lange Krieg und sein Gefolge, Seuchen und
Verwilderung, vieles verwüstet, aber die frische Luft, welche von dem weiten
Ocean her um vie Irrungen der ehrsamen Hamburger wehte, stählte wieder
schnell ihre Kraft. Daß sie sich selbst regieren konnten und als ein kleiner
Staat mit fremden Mächten in Verbindung standen, bewahrte ihr Bürgerthum
vor Engherzigkeit, und es scheint, daß grade sie nach dem dreißigjährigen
Kriege am meisten von den Vortheilen erwarben, welche in einer Zeit der
Abspannung und Schwäche dem Thatkräftigen leicht zu Theil werven. Der
Landhandel nach dem Innern von Deutschland wie der Schiffsverkehr durch
die Wogen der Nordsee und des atlantischen Oceans, gewinnen bald nach dem
Kriege schnellen Aufschwung. Hamburgische Gesandte und Geschäftsträger ver¬
handeln bei den Generalstaaten wie am Hose Cromwells. Die Hamburger
besitzen nicht nur eine große Kaussahrteiflotte, sondern seit -1662 auch eine
kleine Kriegsmarine. Die beiden Fregatten von Sz Kanonen, "Kaiser Leopold 1."
und "das Wappen von Hamburg", wurden der Schrecken der Piraten im
Mittelmeer und in den Fluten der Nordsee. Sie geleiteten große Flotten von
40 bis 50 Kauffahrern, bald Grönlands und Archangels Schiffe, bald nach
Oporto, nach Lissabon, Cadir, Malta, Livorno, wo überall hamburgische
Niederlassungen waren. DaS Wappen von Hamburg wurde berühmt in der
ganzen Christenheit durch seinen schrecklichen Brand und durch den Heldentod
des Hamburger Seehelden, des pflichtgetreuen Admirals Carpfanger, einer der
treuesten und tüchtigsten Heldengestalten aus dem deutschen Bürgerleben früherer
Zeit, und doch in Deutschland so wenig bekannt.") Der Handel Hamburgs,



*) Von -1623---1683- Es ist sehr zu bedauern, daß von dem Detail dieses scena-nns-
lebcns bis jetzt noch so wenig ermittelt ist; die beste Znsammcttstellnng ist zu finden in "Ham¬
burg i sah e G e s es i es t e u und Deutwürdigieitcu von Otto Benecke, Hamburg -1866. --
ES war ein Leben reich an Thaten, Mühseligkeiten, Gefahren und Kränkungen. Ein gefähr¬
licherer Gegner, als die bewaffneten Feinde, waren diesem deutschen Admiral Wind und
Wellen der See und der Krämergeist seiner Landsleute. Es ist charakteristisch, daß sogar der
stolzeste und tndoleuteste aller damalige" Staaten, Spanien, seine Verdienste besser zu schätzen
wußte, als Deutschland. Carpfanger hatte die Gallionen der spattischeu Silberflotte, welche
aus Amerika zurückkehrte, ans der Höhe von Cadix nach tapferen Kampf aus den Händen von
Piraten befreit, er trug deshalb eine goldene spanische Ehrenkelte mit dem Porträt König
Bilder aus der deutschen Vergangenheit.
Brief eines Hamburger Bürgermeisters an seinen Sohn in
Lissabon, -1681.

Es gibt wenige Stätten des deutschen Grundes, auf denen in der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts unser Blick mit Behagen verweilt, und noch
weniger als an den Höfen und hier und da auf Universitäten ist in den
Städten etwas von deutscher Kraft zu erkennen. Vielleicht die beste Ausnahme ist
Hamburg. Auch dort hatte der lange Krieg und sein Gefolge, Seuchen und
Verwilderung, vieles verwüstet, aber die frische Luft, welche von dem weiten
Ocean her um vie Irrungen der ehrsamen Hamburger wehte, stählte wieder
schnell ihre Kraft. Daß sie sich selbst regieren konnten und als ein kleiner
Staat mit fremden Mächten in Verbindung standen, bewahrte ihr Bürgerthum
vor Engherzigkeit, und es scheint, daß grade sie nach dem dreißigjährigen
Kriege am meisten von den Vortheilen erwarben, welche in einer Zeit der
Abspannung und Schwäche dem Thatkräftigen leicht zu Theil werven. Der
Landhandel nach dem Innern von Deutschland wie der Schiffsverkehr durch
die Wogen der Nordsee und des atlantischen Oceans, gewinnen bald nach dem
Kriege schnellen Aufschwung. Hamburgische Gesandte und Geschäftsträger ver¬
handeln bei den Generalstaaten wie am Hose Cromwells. Die Hamburger
besitzen nicht nur eine große Kaussahrteiflotte, sondern seit -1662 auch eine
kleine Kriegsmarine. Die beiden Fregatten von Sz Kanonen, „Kaiser Leopold 1."
und „das Wappen von Hamburg", wurden der Schrecken der Piraten im
Mittelmeer und in den Fluten der Nordsee. Sie geleiteten große Flotten von
40 bis 50 Kauffahrern, bald Grönlands und Archangels Schiffe, bald nach
Oporto, nach Lissabon, Cadir, Malta, Livorno, wo überall hamburgische
Niederlassungen waren. DaS Wappen von Hamburg wurde berühmt in der
ganzen Christenheit durch seinen schrecklichen Brand und durch den Heldentod
des Hamburger Seehelden, des pflichtgetreuen Admirals Carpfanger, einer der
treuesten und tüchtigsten Heldengestalten aus dem deutschen Bürgerleben früherer
Zeit, und doch in Deutschland so wenig bekannt.") Der Handel Hamburgs,



*) Von -1623—-1683- Es ist sehr zu bedauern, daß von dem Detail dieses scena-nns-
lebcns bis jetzt noch so wenig ermittelt ist; die beste Znsammcttstellnng ist zu finden in „Ham¬
burg i sah e G e s es i es t e u und Deutwürdigieitcu von Otto Benecke, Hamburg -1866. —
ES war ein Leben reich an Thaten, Mühseligkeiten, Gefahren und Kränkungen. Ein gefähr¬
licherer Gegner, als die bewaffneten Feinde, waren diesem deutschen Admiral Wind und
Wellen der See und der Krämergeist seiner Landsleute. Es ist charakteristisch, daß sogar der
stolzeste und tndoleuteste aller damalige» Staaten, Spanien, seine Verdienste besser zu schätzen
wußte, als Deutschland. Carpfanger hatte die Gallionen der spattischeu Silberflotte, welche
aus Amerika zurückkehrte, ans der Höhe von Cadix nach tapferen Kampf aus den Händen von
Piraten befreit, er trug deshalb eine goldene spanische Ehrenkelte mit dem Porträt König
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/352>, abgerufen am 23.07.2024.