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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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nicht eher gedeihen könne, als bis es wieder katholisch geworden sei. Die
Bekehrungen haben in der That in diesem Kreise einen gesegneten Fortgang-
Diese Methode ist gewiß dem Unternehmen der Schule nicht förderlich, denn
ein großer Theil des Publicums, der nichts dagegen einwenden würde, daß
ein Erker zweckmäßiger ist als ein Balcon, ein spitzes Dach zweckmüßiger als
ein plattes, wird stutzig gemacht, wenn man ihm zugleich sagt, daß der Erker,
das spitze Dach :c. mit der alleinseligmachenden Kirche im innigsten Zusammen¬
hang stehen.

Um so dringender liegt denjenigen Künstlern, die nicht die Absicht haben,
sich der Kunst zu Liebe zu den sieben Scicramenten zu bekennen, die Verpflich¬
tung ob, von einem freieren Standpunkt aus das, was ihre Gegner ihnen
bieten, gewissenhaft zu prüfen, damit endlich zwei Fragen, die in gar keinem
Zusammenhang stehen, voneinander gesondert in Erwägung gezogen werden
können. Eine Reform der bürgerlichen Baukunst ist in der That an der Zeit,
und grade jetzt, wo man unternehmungslustiger ist als je, würde sich auch ein
neues System wol Bahn brechen können. Um so nothwendiger ist es aber,
die Einseitigkeiten einer Doctrin fernzuhalten, denn in den praktischen Fragen
des gemeinen Lebens ist die Doctrin noch viel schädlicher, als in der Politik.


I. S.


Correspondenzen.
Musikalisches.

-- Unsere musikalische Wintersaison ist glänzend
eröffnet worden durch eine am 3. November von den Herren Maurin, Chevillard,
Mas und Sabatier aus Paris gegebene Quartettsoiree, die von einem un-
gemein zahlreichen Publicum besucht war. Am folgenden Morgen bot das gastliche
Haus unseres trefflichen Kunstfreundes Herrn Kyllm ann, einem kleinen musikalischen
Kreise noch einmal erwünschte Gelegenheit, die Künstler zu bewundern. Wir hörten
von ihnen zwei der^rasumowskyschen Quartetts vou Beethoven in l'- und L-^tur und
zwei aus der Reihe der letzten, das in ^.-moll und in v-<>u>'. Bekanntlich haben diese
Herren seit Jahren ihr Studium, wenn auch nicht ausschließlich, doch vorzugsweise
auf die späteren großen Quartetts Beethovens gerichtet, und sich die Ausgabe
gestellt, durch möglichst vollkommene Ausführung das Verständniß derselben im
Publicum zu verbreiten. Es erfordert eine Begeisterung und Ausdauer ungewöhn¬
lichster Art, die außerordentlichen Schwierigkeiten jeder Art, welche sich einer
vollkommnen Ausführung entgegenstellen, zu überwinden, um dann aus ungünstigem
Terrain auch die Theilnahme und den Beifall des Publicums zu gewinnen. Das,
Beispiel der Cvnscrvatorinmsconccrte, in welchen durch die vollendeten Leistungen
des Orchesters den Symphonien Beethovens die vollgiltige Anerkennung errungen
wurde, mag den Künstlern Muth gegeben haben, und sie sind demselben ruhm¬
würdig gefolgt. Nachdem sie im vorigen Jahr einen Ausflug nach Frankfurt ge-


nicht eher gedeihen könne, als bis es wieder katholisch geworden sei. Die
Bekehrungen haben in der That in diesem Kreise einen gesegneten Fortgang-
Diese Methode ist gewiß dem Unternehmen der Schule nicht förderlich, denn
ein großer Theil des Publicums, der nichts dagegen einwenden würde, daß
ein Erker zweckmäßiger ist als ein Balcon, ein spitzes Dach zweckmüßiger als
ein plattes, wird stutzig gemacht, wenn man ihm zugleich sagt, daß der Erker,
das spitze Dach :c. mit der alleinseligmachenden Kirche im innigsten Zusammen¬
hang stehen.

Um so dringender liegt denjenigen Künstlern, die nicht die Absicht haben,
sich der Kunst zu Liebe zu den sieben Scicramenten zu bekennen, die Verpflich¬
tung ob, von einem freieren Standpunkt aus das, was ihre Gegner ihnen
bieten, gewissenhaft zu prüfen, damit endlich zwei Fragen, die in gar keinem
Zusammenhang stehen, voneinander gesondert in Erwägung gezogen werden
können. Eine Reform der bürgerlichen Baukunst ist in der That an der Zeit,
und grade jetzt, wo man unternehmungslustiger ist als je, würde sich auch ein
neues System wol Bahn brechen können. Um so nothwendiger ist es aber,
die Einseitigkeiten einer Doctrin fernzuhalten, denn in den praktischen Fragen
des gemeinen Lebens ist die Doctrin noch viel schädlicher, als in der Politik.


I. S.


Correspondenzen.
Musikalisches.

— Unsere musikalische Wintersaison ist glänzend
eröffnet worden durch eine am 3. November von den Herren Maurin, Chevillard,
Mas und Sabatier aus Paris gegebene Quartettsoiree, die von einem un-
gemein zahlreichen Publicum besucht war. Am folgenden Morgen bot das gastliche
Haus unseres trefflichen Kunstfreundes Herrn Kyllm ann, einem kleinen musikalischen
Kreise noch einmal erwünschte Gelegenheit, die Künstler zu bewundern. Wir hörten
von ihnen zwei der^rasumowskyschen Quartetts vou Beethoven in l'- und L-^tur und
zwei aus der Reihe der letzten, das in ^.-moll und in v-<>u>'. Bekanntlich haben diese
Herren seit Jahren ihr Studium, wenn auch nicht ausschließlich, doch vorzugsweise
auf die späteren großen Quartetts Beethovens gerichtet, und sich die Ausgabe
gestellt, durch möglichst vollkommene Ausführung das Verständniß derselben im
Publicum zu verbreiten. Es erfordert eine Begeisterung und Ausdauer ungewöhn¬
lichster Art, die außerordentlichen Schwierigkeiten jeder Art, welche sich einer
vollkommnen Ausführung entgegenstellen, zu überwinden, um dann aus ungünstigem
Terrain auch die Theilnahme und den Beifall des Publicums zu gewinnen. Das,
Beispiel der Cvnscrvatorinmsconccrte, in welchen durch die vollendeten Leistungen
des Orchesters den Symphonien Beethovens die vollgiltige Anerkennung errungen
wurde, mag den Künstlern Muth gegeben haben, und sie sind demselben ruhm¬
würdig gefolgt. Nachdem sie im vorigen Jahr einen Ausflug nach Frankfurt ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/320>, abgerufen am 03.07.2024.