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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Rußlands Politik und Hilfsquellen.

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Seit Peter dem Großen war die russische Politik im Innern Absolutismus,
nach Außen Universalherrschaft, Als Peter der Große im Jahre 171 i die
Schweden in Finnland und in der Ostsee besiegt, die Alandsinseln genommen
hatte und triumphirend in Petersburg einzog, sagte er zu den Abgeordneten
der Stände seines Reiches: "Einst hatten die Künste und Wissenschaften in
Giechenland ihren Sitz; von da verbreiteten sie sich über Italien und über
die übrigen Länder Europas. Durch die Nachlässigkeit unsrer Vorfahren
machten sie in Polen Halt und konnten zu uns nicht gelangen. Jetzt ist
die Reihe an uns, wenn ihr in meinen Unternehmungen mich unterstützt,
wenn ihr arbeitet und gehorcht." Derselbe Gedanke ist leitend in der
Denkschrift, welche das "Testament Peters des Großen" genannt wird. Durch
die russische Civilisation wollte er die Well unterjochen: Rußland civilisiren
wollte er ohne die Mitwirkung einer starken und freien Aristokratie, ohne den
Beistand einer unabhängigen Geistlichkeit, lediglich durch den Despotismus
über Leib und Seele. Bis auf Katharina II. hatte Peter der Große nur
schwache Nachfolger. Diese Kaiserin hatte nur einen Gedanken: erobern und
herrschen; sie setzte in der auswärtigen Politik die Ueberlieferungen Peters
fort. Unter ihr erfolgte die Zerstücklung Polens und mit derselben die Grün¬
dung des russischen Einflusses auf den Occident, unter ihr wurde die Krim
eine russische Provinz und ein Stützpunkt der Angriffe Rußlands auf die
Türkei und Persien. Fortan galten den Russen der Sund und die Dardanellen
als die Endpunkte "russischer Meere", deren Küsten Rußland gehören müßten.
Für die wahre Civilisation ihres Volkes that Katharina nichts. Wol wollte
ihr Enkel, der gemäßigte und aufgeklärte Alexander das russische Volk geistig
und sittlich veredeln. Er versuchte Reformen in der Verwaltung und unter
der Geistlichkeit. Er dachte sogar an Aufhebung der Leibeigenschaft. Aber seine
Kräfte waren für dies Riesenwerk ^u schwach. Er starb entmuthigt und an
Rußlands Civilisation und Zukunft verzweifelnd.

Mit der Thronbesteigung seines Bruders Nikolaus trat der Gedanke
Peters des Großen wieder in volle Kraft; nur wurden bei der Ausführung
desselben die Zeitverhältnisse und die moralischen und materiellen Kräfte des Landes
berücksichtigt. Nikolaus gelangte auf den Thron, nachdem er eine Verschwörung
niedergeworfen, an welcher direct oder indirect der ganze hohe Adel Rußlands
Theil genommen und welche nichts Geringeres bezweckt hatte als die Aus-


Rußlands Politik und Hilfsquellen.

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Seit Peter dem Großen war die russische Politik im Innern Absolutismus,
nach Außen Universalherrschaft, Als Peter der Große im Jahre 171 i die
Schweden in Finnland und in der Ostsee besiegt, die Alandsinseln genommen
hatte und triumphirend in Petersburg einzog, sagte er zu den Abgeordneten
der Stände seines Reiches: „Einst hatten die Künste und Wissenschaften in
Giechenland ihren Sitz; von da verbreiteten sie sich über Italien und über
die übrigen Länder Europas. Durch die Nachlässigkeit unsrer Vorfahren
machten sie in Polen Halt und konnten zu uns nicht gelangen. Jetzt ist
die Reihe an uns, wenn ihr in meinen Unternehmungen mich unterstützt,
wenn ihr arbeitet und gehorcht." Derselbe Gedanke ist leitend in der
Denkschrift, welche das „Testament Peters des Großen" genannt wird. Durch
die russische Civilisation wollte er die Well unterjochen: Rußland civilisiren
wollte er ohne die Mitwirkung einer starken und freien Aristokratie, ohne den
Beistand einer unabhängigen Geistlichkeit, lediglich durch den Despotismus
über Leib und Seele. Bis auf Katharina II. hatte Peter der Große nur
schwache Nachfolger. Diese Kaiserin hatte nur einen Gedanken: erobern und
herrschen; sie setzte in der auswärtigen Politik die Ueberlieferungen Peters
fort. Unter ihr erfolgte die Zerstücklung Polens und mit derselben die Grün¬
dung des russischen Einflusses auf den Occident, unter ihr wurde die Krim
eine russische Provinz und ein Stützpunkt der Angriffe Rußlands auf die
Türkei und Persien. Fortan galten den Russen der Sund und die Dardanellen
als die Endpunkte „russischer Meere", deren Küsten Rußland gehören müßten.
Für die wahre Civilisation ihres Volkes that Katharina nichts. Wol wollte
ihr Enkel, der gemäßigte und aufgeklärte Alexander das russische Volk geistig
und sittlich veredeln. Er versuchte Reformen in der Verwaltung und unter
der Geistlichkeit. Er dachte sogar an Aufhebung der Leibeigenschaft. Aber seine
Kräfte waren für dies Riesenwerk ^u schwach. Er starb entmuthigt und an
Rußlands Civilisation und Zukunft verzweifelnd.

Mit der Thronbesteigung seines Bruders Nikolaus trat der Gedanke
Peters des Großen wieder in volle Kraft; nur wurden bei der Ausführung
desselben die Zeitverhältnisse und die moralischen und materiellen Kräfte des Landes
berücksichtigt. Nikolaus gelangte auf den Thron, nachdem er eine Verschwörung
niedergeworfen, an welcher direct oder indirect der ganze hohe Adel Rußlands
Theil genommen und welche nichts Geringeres bezweckt hatte als die Aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/59>, abgerufen am 23.07.2024.