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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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der Douane von Galata sich einen herrlichen Steinpcilast zu erbauen begann.
Die Steine dazu, köstlicher Marmor und Basalt, waren von den griechischen
Inseln verschrieben, die Architekten, Maurer und sonstigen Handwerker kamen
aus Paris, aus Rom, aus Trieft. Man sagt, daß es in der Absicht des Er¬
bauers gelegen, das Schloß nach seiner Vollendung dem. Sultan Abdul Med-
schid zum Geschenk zu machen. In dieser Hinsicht war es eine -- Spe-
culation!

Jetzt, nachdem wir um den Vorsprung bei Imi Köj herumgebogen sind,
liegt die weite Bucht von Busukdere vor uns. Diesseits derselben, aber auf
dem astatischen Ufer, liegt Beykos, wo gegenwärtig die combinirten Flotten vor
Anker liegen. Hier endlich hat der ununterbrochene Häuserbau längs beiden
Ufern ein Ende. Die Stadtstraße hört auf, die unbeengte Natur gewinnt wie¬
der ganz die Oberhand und füllt die inzwischen sich immer weiter dehnende Land¬
schaft. Unser Fahrzeug wendet sich links, binnenwärts der Bai von Bujukdere.
Letzteres und Therapia sind fast links; hier ist es, wo die Natur zum zweiten
Mal den Versuch machte, ein goldnes Horn, mit anderen Worten einen senk¬
recht von der Meerenge her tiefeinschneidender Hafen zu bilden. Wäre eS ge¬
lungen, so dürfte die Bevölkerung am Bosporus anstatt um einen, um zwei
Brennpunkte sich gruppirt haben. Jedenfalls ist hier der Ort, welcher am ersten
mit der classischen Stelle gegenüber der Serailspitze, inmitten der drei Promon-
torien von Toppana, Skutari und Serai Humajun verglichen werden kann.
Hier haben die Großmächte (Preußen zählt in der Türkei nicht darunter) für
ihre Gesandten imposante Paläste und weite Pgrks. Hier lebt im Sommer
alles, was mit der Diplomatie von Pera in Verbindung steht; hier ist die
Sommerfrankenstadt im eigentlichen Sinne des Worts. Es ist der letzte Punkt
zugleich, auf welchem der Bosporus eine lächelnde Physiognomie weiset. Von
nun an weiter aufwärts wird er ernst, nicht allein der spärlichen Vegetation,
sondern der kriegerischen Vorbereitungen, der gewaltigen Zerstörungsapparate
wegen, welche in Gestalt von Hundl rtkanonenbatterien und Pairhansempla-
cements auf beiden Ufern bemerkbar werden. Wir sind nur noch eine halbe
Meile vom Ausgange der Meerenge in den Pontus entfernt. Es ist dies ein
Bild für sich, das einen besonderen Abschnitt als Rahmen verlangt.


II.
Der Eingang des Bosporus.

Eine halbe Stunde oberhalb von Bujukdere verengt sich der Bosporus
zu einem schmalen Halse von der Hälfte seiner sonstigen Breite, die Krümmung
desselben ist nicht so groß, um nicht von der Bai aus schon weit über den
Seespiegel hinaus das offene Meer erkennen zu können. Diese Perspektive


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der Douane von Galata sich einen herrlichen Steinpcilast zu erbauen begann.
Die Steine dazu, köstlicher Marmor und Basalt, waren von den griechischen
Inseln verschrieben, die Architekten, Maurer und sonstigen Handwerker kamen
aus Paris, aus Rom, aus Trieft. Man sagt, daß es in der Absicht des Er¬
bauers gelegen, das Schloß nach seiner Vollendung dem. Sultan Abdul Med-
schid zum Geschenk zu machen. In dieser Hinsicht war es eine — Spe-
culation!

Jetzt, nachdem wir um den Vorsprung bei Imi Köj herumgebogen sind,
liegt die weite Bucht von Busukdere vor uns. Diesseits derselben, aber auf
dem astatischen Ufer, liegt Beykos, wo gegenwärtig die combinirten Flotten vor
Anker liegen. Hier endlich hat der ununterbrochene Häuserbau längs beiden
Ufern ein Ende. Die Stadtstraße hört auf, die unbeengte Natur gewinnt wie¬
der ganz die Oberhand und füllt die inzwischen sich immer weiter dehnende Land¬
schaft. Unser Fahrzeug wendet sich links, binnenwärts der Bai von Bujukdere.
Letzteres und Therapia sind fast links; hier ist es, wo die Natur zum zweiten
Mal den Versuch machte, ein goldnes Horn, mit anderen Worten einen senk¬
recht von der Meerenge her tiefeinschneidender Hafen zu bilden. Wäre eS ge¬
lungen, so dürfte die Bevölkerung am Bosporus anstatt um einen, um zwei
Brennpunkte sich gruppirt haben. Jedenfalls ist hier der Ort, welcher am ersten
mit der classischen Stelle gegenüber der Serailspitze, inmitten der drei Promon-
torien von Toppana, Skutari und Serai Humajun verglichen werden kann.
Hier haben die Großmächte (Preußen zählt in der Türkei nicht darunter) für
ihre Gesandten imposante Paläste und weite Pgrks. Hier lebt im Sommer
alles, was mit der Diplomatie von Pera in Verbindung steht; hier ist die
Sommerfrankenstadt im eigentlichen Sinne des Worts. Es ist der letzte Punkt
zugleich, auf welchem der Bosporus eine lächelnde Physiognomie weiset. Von
nun an weiter aufwärts wird er ernst, nicht allein der spärlichen Vegetation,
sondern der kriegerischen Vorbereitungen, der gewaltigen Zerstörungsapparate
wegen, welche in Gestalt von Hundl rtkanonenbatterien und Pairhansempla-
cements auf beiden Ufern bemerkbar werden. Wir sind nur noch eine halbe
Meile vom Ausgange der Meerenge in den Pontus entfernt. Es ist dies ein
Bild für sich, das einen besonderen Abschnitt als Rahmen verlangt.


II.
Der Eingang des Bosporus.

Eine halbe Stunde oberhalb von Bujukdere verengt sich der Bosporus
zu einem schmalen Halse von der Hälfte seiner sonstigen Breite, die Krümmung
desselben ist nicht so groß, um nicht von der Bai aus schon weit über den
Seespiegel hinaus das offene Meer erkennen zu können. Diese Perspektive


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[0195] der Douane von Galata sich einen herrlichen Steinpcilast zu erbauen begann. Die Steine dazu, köstlicher Marmor und Basalt, waren von den griechischen Inseln verschrieben, die Architekten, Maurer und sonstigen Handwerker kamen aus Paris, aus Rom, aus Trieft. Man sagt, daß es in der Absicht des Er¬ bauers gelegen, das Schloß nach seiner Vollendung dem. Sultan Abdul Med- schid zum Geschenk zu machen. In dieser Hinsicht war es eine — Spe- culation! Jetzt, nachdem wir um den Vorsprung bei Imi Köj herumgebogen sind, liegt die weite Bucht von Busukdere vor uns. Diesseits derselben, aber auf dem astatischen Ufer, liegt Beykos, wo gegenwärtig die combinirten Flotten vor Anker liegen. Hier endlich hat der ununterbrochene Häuserbau längs beiden Ufern ein Ende. Die Stadtstraße hört auf, die unbeengte Natur gewinnt wie¬ der ganz die Oberhand und füllt die inzwischen sich immer weiter dehnende Land¬ schaft. Unser Fahrzeug wendet sich links, binnenwärts der Bai von Bujukdere. Letzteres und Therapia sind fast links; hier ist es, wo die Natur zum zweiten Mal den Versuch machte, ein goldnes Horn, mit anderen Worten einen senk¬ recht von der Meerenge her tiefeinschneidender Hafen zu bilden. Wäre eS ge¬ lungen, so dürfte die Bevölkerung am Bosporus anstatt um einen, um zwei Brennpunkte sich gruppirt haben. Jedenfalls ist hier der Ort, welcher am ersten mit der classischen Stelle gegenüber der Serailspitze, inmitten der drei Promon- torien von Toppana, Skutari und Serai Humajun verglichen werden kann. Hier haben die Großmächte (Preußen zählt in der Türkei nicht darunter) für ihre Gesandten imposante Paläste und weite Pgrks. Hier lebt im Sommer alles, was mit der Diplomatie von Pera in Verbindung steht; hier ist die Sommerfrankenstadt im eigentlichen Sinne des Worts. Es ist der letzte Punkt zugleich, auf welchem der Bosporus eine lächelnde Physiognomie weiset. Von nun an weiter aufwärts wird er ernst, nicht allein der spärlichen Vegetation, sondern der kriegerischen Vorbereitungen, der gewaltigen Zerstörungsapparate wegen, welche in Gestalt von Hundl rtkanonenbatterien und Pairhansempla- cements auf beiden Ufern bemerkbar werden. Wir sind nur noch eine halbe Meile vom Ausgange der Meerenge in den Pontus entfernt. Es ist dies ein Bild für sich, das einen besonderen Abschnitt als Rahmen verlangt. II. Der Eingang des Bosporus. Eine halbe Stunde oberhalb von Bujukdere verengt sich der Bosporus zu einem schmalen Halse von der Hälfte seiner sonstigen Breite, die Krümmung desselben ist nicht so groß, um nicht von der Bai aus schon weit über den Seespiegel hinaus das offene Meer erkennen zu können. Diese Perspektive 24*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/195>, abgerufen am 22.07.2024.