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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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fortwährend Beweise seiner Achtung gab "und ihn auch später noch zum Kongreß
von Aachen zuzuziehen suchte. Seine Stimmung war keine sehr freudige. Er
spricht in einem Briefe an Capo dJstrias'im Juli -18-16 seine Entmuthigung
über die deutschen Angelegenheiten aus: "Alles beweist mir, daß nichts ge¬
schehen wird, daß weder die großen Höfe noch die kleinen eine Beschränkung
'des Despotismus unsrer kleinen Souveräne wollen. Man hört nicht auf die
verständigen gemäßigten Männer, welche als Gewähr der Reinheit ihrer Ab¬
sichten ein vorwurfsfreies Betragen, Eigenthum, Geburt haben; den hunds¬
föttischen Ministern dieser Prinzlein ist es gelungen, glauben zu machen, daß
die, welche eine, feste und gesetzmäßige Ordnung der Dinge fordern, Ruhestörer
sein, die Throne und Altäre umstürzen wollten, daß es geheime Gesellschaften
gebe, die ihre Verzweigung über den ganzen Erdkreis verbreiten, daß mau sie
überwachen, sie, durch die Bajonette in Zaum halten müsse u. s.- w.; Oestreich
billigt den Widerstand der Fürsten gegen Einrichtung von Landständen, Preußen
zaudert, sich den Wünschen eines Volkes hinzugeben, dossen unermeßliche Opfer
wol die Treue bewiesen haben; der König schwankt, der gute Greis an der
Spitze der Verwaltung wird erdrückt vom Gewicht der Geschäfte, da er das
Einzelne thun will und nicht wagt, sich mit kräftigen Männern zü umgeben
und sich ihnen anzuvertrauen; er hängt an dem kleinlichen Ruhm alles selbst
zu thun und fürchtet in einen Weg gezogen zu werden, den er nicht kennt*)
(S. Si--S6).

Diese Stimmung blieb im Verlauf der Reaction. So schreibt er im
Januar -1818 an Eichhorn: "sie erröthen nicht,'mit der frechsten Schamlosig¬
keit die Grundsätze deö empörendsten Machiavellismus auszusprechen und. zu
verbreiten. Die Bundesacte, sagen sie, verspricht zwar den Ländern Landstände,
aber die Bestimmung des Zeitpunktes und der Art überläßt sie der Weisheit,
d. h. der Willkür der Regierungen; den Unterthanen stehe nur ein Erwartungs¬
recht zu; der Bund hat keine Befugniß, sie zu schützen, vielmehr ist er ver¬
pflichtet, wenn Unruhen entstehen, sie zu unterdrücken, ohne sich um den Grund
der Beschwerden zu bekümmern . . . Standhaft und unablässig werde ich be¬
haupten,'daß solche Grundsätze für Preußen durchaus verderblich sind. Preu¬
ßen ist ein protestantischer Staat, in welchem sich seit zwei Jahrhunderten ein
großes vielseitiges Leben, ein Geist der freien Untersuchung entwickelt hat, der
sich weder unterdrücken noch durch Gaukelspiel irreleiten läßt. Auch dem
Dümmsten im Volk wird man nicht glauben machen, daß es von dem Willen
des Fürsten abhänge, ob, wann und wie er eine übernommene Verbindlichkeit
erfülle, und daß, wenn durch Willkür und Mißhandlungen gereizt er sich diesem
widersetze, ein Nachbar ihn todtzuschlagen befugt sei."



*) Sein Urtheil über Hardcnbera. wurde später viel härter: er gibt nach dem Tode des¬
selben eine sehr bittere Charakteristik; vgl. ,S. 70-1.

fortwährend Beweise seiner Achtung gab "und ihn auch später noch zum Kongreß
von Aachen zuzuziehen suchte. Seine Stimmung war keine sehr freudige. Er
spricht in einem Briefe an Capo dJstrias'im Juli -18-16 seine Entmuthigung
über die deutschen Angelegenheiten aus: „Alles beweist mir, daß nichts ge¬
schehen wird, daß weder die großen Höfe noch die kleinen eine Beschränkung
'des Despotismus unsrer kleinen Souveräne wollen. Man hört nicht auf die
verständigen gemäßigten Männer, welche als Gewähr der Reinheit ihrer Ab¬
sichten ein vorwurfsfreies Betragen, Eigenthum, Geburt haben; den hunds¬
föttischen Ministern dieser Prinzlein ist es gelungen, glauben zu machen, daß
die, welche eine, feste und gesetzmäßige Ordnung der Dinge fordern, Ruhestörer
sein, die Throne und Altäre umstürzen wollten, daß es geheime Gesellschaften
gebe, die ihre Verzweigung über den ganzen Erdkreis verbreiten, daß mau sie
überwachen, sie, durch die Bajonette in Zaum halten müsse u. s.- w.; Oestreich
billigt den Widerstand der Fürsten gegen Einrichtung von Landständen, Preußen
zaudert, sich den Wünschen eines Volkes hinzugeben, dossen unermeßliche Opfer
wol die Treue bewiesen haben; der König schwankt, der gute Greis an der
Spitze der Verwaltung wird erdrückt vom Gewicht der Geschäfte, da er das
Einzelne thun will und nicht wagt, sich mit kräftigen Männern zü umgeben
und sich ihnen anzuvertrauen; er hängt an dem kleinlichen Ruhm alles selbst
zu thun und fürchtet in einen Weg gezogen zu werden, den er nicht kennt*)
(S. Si—S6).

Diese Stimmung blieb im Verlauf der Reaction. So schreibt er im
Januar -1818 an Eichhorn: „sie erröthen nicht,'mit der frechsten Schamlosig¬
keit die Grundsätze deö empörendsten Machiavellismus auszusprechen und. zu
verbreiten. Die Bundesacte, sagen sie, verspricht zwar den Ländern Landstände,
aber die Bestimmung des Zeitpunktes und der Art überläßt sie der Weisheit,
d. h. der Willkür der Regierungen; den Unterthanen stehe nur ein Erwartungs¬
recht zu; der Bund hat keine Befugniß, sie zu schützen, vielmehr ist er ver¬
pflichtet, wenn Unruhen entstehen, sie zu unterdrücken, ohne sich um den Grund
der Beschwerden zu bekümmern . . . Standhaft und unablässig werde ich be¬
haupten,'daß solche Grundsätze für Preußen durchaus verderblich sind. Preu¬
ßen ist ein protestantischer Staat, in welchem sich seit zwei Jahrhunderten ein
großes vielseitiges Leben, ein Geist der freien Untersuchung entwickelt hat, der
sich weder unterdrücken noch durch Gaukelspiel irreleiten läßt. Auch dem
Dümmsten im Volk wird man nicht glauben machen, daß es von dem Willen
des Fürsten abhänge, ob, wann und wie er eine übernommene Verbindlichkeit
erfülle, und daß, wenn durch Willkür und Mißhandlungen gereizt er sich diesem
widersetze, ein Nachbar ihn todtzuschlagen befugt sei."



*) Sein Urtheil über Hardcnbera. wurde später viel härter: er gibt nach dem Tode des¬
selben eine sehr bittere Charakteristik; vgl. ,S. 70-1.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/249>, abgerufen am 29.06.2024.