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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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der Verfasser von Seiten der Künstler, die er nach ihrem eignen Gefühl zu sehr
getadelt oder auch mir zu wenig gelobt hat, starke Anfechtungen zuziehen wird.
Das wäre indeß leicht zu ertragen, wenn er nur seine künstlerischen Maximen
strenger hervorgehoben hätte. Aber der technische Gesichtspunkt fehlt fast
ganz, und die ästhetische Motivirung ist mehr eine allgemein ästhetische, als eine
der bestimmten Kunst angehörige. Herr Müller urtheilt im allgemeinen wie eil?
gebildeter Laie zu urtheilen pflegt, der zunächst die Stoffe und die Art end Weise
ihrer Auffassung ins Auge fast, während der eigentliche Künstler und der Kenner
zunächst den Werth der Ausführung anschlägt. Was die Auffassung betrifft, so
ist jetzt in Deutschland das Urtheil über die Düsseldorfer Schule in dem speci¬
fischen Sinn, wie man die Bezeichnung gebraucht, ziemlich festgestellt. Die Zeit ist
glücklicherweise längst vorüber, wo man die breit ausgeführten Genrebilder von
Hübner, Bendemann, Sohn und ähnlichen als Kunstwerke des historischen Stils
verehren konnte. Ja in dieser Beziehung konnte die Schule unserm Verfasser
noch Dank wissen, denn er hat in sehr zarten und milden Formen ausge¬
sprochen, was man anderwärts viel schroffer und entschiedener hören kaun. Aber
grade da er sein Urtheil auch Ms alle Einzelnen ausdehnt, reicht diese Ma¬
xime nicht aus, denn jeder Einzelne, der etwas geleistet zu haben glaubt, wird
verlangen, vom Standpunkt seiner besondern Kunst aus charakterisirt und beur¬
theilt zu werden, und grade über die technische Seite, über den Stil und die Ma¬
nier der Düsseldorfer Schule ließe sich noch vieles sehr Wichtige sagen, was hier
mehr angedeutet, als ausgeführt ist. -- Inwieweit der Verfasser in seinen ein¬
zelnen Urtheilen das Nichtige trifft, können wir natürlich nicht überall verfolgen
da uns der bei weitem größere Theil der charakterisirten Bilder entweder gänz¬
lich unbekannt oder aus dem Gedächtniß entrückt ist. Doch macht er überall den
Eindruck eines billigen und wohlmeinenden Kritikers, der, ohne den Eindruck auf
die Beurtheilten besonders zu fürchten, doch in zweifelhaften Fällen eher lobt als
tadelt. Die Anknüpfung der Düsseldorfer Richtung an die gleichzeitigen litera¬
rischen Erscheinungen, der Einfluß, den zunächst die Romantik, dann zehn Jahre
darauf die philosophischen und religiösen Gährungen ans dieselbe ausgeübt haben,
ist mit Geist angedeutet. Wir hätten wol gewünscht, daß auch diese Seite der
Kunst, die dem Verfasser grade näher zu stehen scheint, etwas ausführlicher be¬
rücksichtigt wäre. -- Das Buch wird viel gelesen und von sehr verschiedenen Stand¬
punkten besprochen werden. Unter allen Umständen wird es dazu beitragen, die
Anfmerksamkeit des gebildeten Publicums ans die deutsche Kunstentwicklung zu stei¬
gern und das Athen zu vermitteln. --


Kleine Schristen und Studien zur Kunstgeschichte von Franz Kugler,
mit Illustrationen und andern artistischen Beilage". 7. und 8. Lieferung.
Suttgart, Ebner und seubert. --

Es ist noch nicht lange Zeit her, daß wir von diesem interessanten und reich-


Äveilzbolc", II. üiüi, , 18

der Verfasser von Seiten der Künstler, die er nach ihrem eignen Gefühl zu sehr
getadelt oder auch mir zu wenig gelobt hat, starke Anfechtungen zuziehen wird.
Das wäre indeß leicht zu ertragen, wenn er nur seine künstlerischen Maximen
strenger hervorgehoben hätte. Aber der technische Gesichtspunkt fehlt fast
ganz, und die ästhetische Motivirung ist mehr eine allgemein ästhetische, als eine
der bestimmten Kunst angehörige. Herr Müller urtheilt im allgemeinen wie eil?
gebildeter Laie zu urtheilen pflegt, der zunächst die Stoffe und die Art end Weise
ihrer Auffassung ins Auge fast, während der eigentliche Künstler und der Kenner
zunächst den Werth der Ausführung anschlägt. Was die Auffassung betrifft, so
ist jetzt in Deutschland das Urtheil über die Düsseldorfer Schule in dem speci¬
fischen Sinn, wie man die Bezeichnung gebraucht, ziemlich festgestellt. Die Zeit ist
glücklicherweise längst vorüber, wo man die breit ausgeführten Genrebilder von
Hübner, Bendemann, Sohn und ähnlichen als Kunstwerke des historischen Stils
verehren konnte. Ja in dieser Beziehung konnte die Schule unserm Verfasser
noch Dank wissen, denn er hat in sehr zarten und milden Formen ausge¬
sprochen, was man anderwärts viel schroffer und entschiedener hören kaun. Aber
grade da er sein Urtheil auch Ms alle Einzelnen ausdehnt, reicht diese Ma¬
xime nicht aus, denn jeder Einzelne, der etwas geleistet zu haben glaubt, wird
verlangen, vom Standpunkt seiner besondern Kunst aus charakterisirt und beur¬
theilt zu werden, und grade über die technische Seite, über den Stil und die Ma¬
nier der Düsseldorfer Schule ließe sich noch vieles sehr Wichtige sagen, was hier
mehr angedeutet, als ausgeführt ist. — Inwieweit der Verfasser in seinen ein¬
zelnen Urtheilen das Nichtige trifft, können wir natürlich nicht überall verfolgen
da uns der bei weitem größere Theil der charakterisirten Bilder entweder gänz¬
lich unbekannt oder aus dem Gedächtniß entrückt ist. Doch macht er überall den
Eindruck eines billigen und wohlmeinenden Kritikers, der, ohne den Eindruck auf
die Beurtheilten besonders zu fürchten, doch in zweifelhaften Fällen eher lobt als
tadelt. Die Anknüpfung der Düsseldorfer Richtung an die gleichzeitigen litera¬
rischen Erscheinungen, der Einfluß, den zunächst die Romantik, dann zehn Jahre
darauf die philosophischen und religiösen Gährungen ans dieselbe ausgeübt haben,
ist mit Geist angedeutet. Wir hätten wol gewünscht, daß auch diese Seite der
Kunst, die dem Verfasser grade näher zu stehen scheint, etwas ausführlicher be¬
rücksichtigt wäre. — Das Buch wird viel gelesen und von sehr verschiedenen Stand¬
punkten besprochen werden. Unter allen Umständen wird es dazu beitragen, die
Anfmerksamkeit des gebildeten Publicums ans die deutsche Kunstentwicklung zu stei¬
gern und das Athen zu vermitteln. —


Kleine Schristen und Studien zur Kunstgeschichte von Franz Kugler,
mit Illustrationen und andern artistischen Beilage». 7. und 8. Lieferung.
Suttgart, Ebner und seubert. —

Es ist noch nicht lange Zeit her, daß wir von diesem interessanten und reich-


Äveilzbolc», II. üiüi, , 18
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[0145] der Verfasser von Seiten der Künstler, die er nach ihrem eignen Gefühl zu sehr getadelt oder auch mir zu wenig gelobt hat, starke Anfechtungen zuziehen wird. Das wäre indeß leicht zu ertragen, wenn er nur seine künstlerischen Maximen strenger hervorgehoben hätte. Aber der technische Gesichtspunkt fehlt fast ganz, und die ästhetische Motivirung ist mehr eine allgemein ästhetische, als eine der bestimmten Kunst angehörige. Herr Müller urtheilt im allgemeinen wie eil? gebildeter Laie zu urtheilen pflegt, der zunächst die Stoffe und die Art end Weise ihrer Auffassung ins Auge fast, während der eigentliche Künstler und der Kenner zunächst den Werth der Ausführung anschlägt. Was die Auffassung betrifft, so ist jetzt in Deutschland das Urtheil über die Düsseldorfer Schule in dem speci¬ fischen Sinn, wie man die Bezeichnung gebraucht, ziemlich festgestellt. Die Zeit ist glücklicherweise längst vorüber, wo man die breit ausgeführten Genrebilder von Hübner, Bendemann, Sohn und ähnlichen als Kunstwerke des historischen Stils verehren konnte. Ja in dieser Beziehung konnte die Schule unserm Verfasser noch Dank wissen, denn er hat in sehr zarten und milden Formen ausge¬ sprochen, was man anderwärts viel schroffer und entschiedener hören kaun. Aber grade da er sein Urtheil auch Ms alle Einzelnen ausdehnt, reicht diese Ma¬ xime nicht aus, denn jeder Einzelne, der etwas geleistet zu haben glaubt, wird verlangen, vom Standpunkt seiner besondern Kunst aus charakterisirt und beur¬ theilt zu werden, und grade über die technische Seite, über den Stil und die Ma¬ nier der Düsseldorfer Schule ließe sich noch vieles sehr Wichtige sagen, was hier mehr angedeutet, als ausgeführt ist. — Inwieweit der Verfasser in seinen ein¬ zelnen Urtheilen das Nichtige trifft, können wir natürlich nicht überall verfolgen da uns der bei weitem größere Theil der charakterisirten Bilder entweder gänz¬ lich unbekannt oder aus dem Gedächtniß entrückt ist. Doch macht er überall den Eindruck eines billigen und wohlmeinenden Kritikers, der, ohne den Eindruck auf die Beurtheilten besonders zu fürchten, doch in zweifelhaften Fällen eher lobt als tadelt. Die Anknüpfung der Düsseldorfer Richtung an die gleichzeitigen litera¬ rischen Erscheinungen, der Einfluß, den zunächst die Romantik, dann zehn Jahre darauf die philosophischen und religiösen Gährungen ans dieselbe ausgeübt haben, ist mit Geist angedeutet. Wir hätten wol gewünscht, daß auch diese Seite der Kunst, die dem Verfasser grade näher zu stehen scheint, etwas ausführlicher be¬ rücksichtigt wäre. — Das Buch wird viel gelesen und von sehr verschiedenen Stand¬ punkten besprochen werden. Unter allen Umständen wird es dazu beitragen, die Anfmerksamkeit des gebildeten Publicums ans die deutsche Kunstentwicklung zu stei¬ gern und das Athen zu vermitteln. — Kleine Schristen und Studien zur Kunstgeschichte von Franz Kugler, mit Illustrationen und andern artistischen Beilage». 7. und 8. Lieferung. Suttgart, Ebner und seubert. — Es ist noch nicht lange Zeit her, daß wir von diesem interessanten und reich- Äveilzbolc», II. üiüi, , 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/144>, abgerufen am 22.12.2024.