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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei.
Zwischen den Qnellflüssen des Vardar.

Den Namen Vardar führen im oberen Laufe dieses Gewässers zwei Quell-
flüsse, von denen der eine nahe bei Monastir vorüberfließt, der andere seinen Weg
von Nordwesten her, dnrch die Berge neluneiid, dem Vereinigungspunkt bei
Ticknxsch zuströmt. Es ist dieser Flußwinkel, innerhalb dessen die Reise nunmehr
weiter fortschreitet.

Am frühen Morgen -- noch lagen ti! Nebel im Thal und verhüllte" die
Aussicht nach den entfernteren Bergen, -- ritten wir von Monastir ans. Der
Weg ging über Kirchhofe hinweg. Ein Chaos von Grabsteinen, und letztere in
alleu Formen; flach, schmal, niedrig und säulenartig aufragend. Unter den
Steinen nistete ein Heer von Krähen nud Dohlen; bei unserem Nahen flogen
sie massenweise ans und treiseteu, unter betäubendem Geschrei, eine Zeitlang hoch
über uns, indem sie, in bestimmter Richtung und dicht zusammengeschart hin¬
flatternd, gleichsam wie gegen einen fingirten Feind Attaken ausführten.

Das Landvolk in dieser Gegend trägt sich beinahe durchweg albanestsch.
Bereits oben beschrieb ich diese Tracht, die mit derjenigen der Bergschotten eine
auffallende Achnlichkeit hat: ein Beweis vielleicht für den Verkehr jener beiden
Stämme, des celtischen und albanesischen, im vorchristlichen Zeitalter. -- Der
Anbau ist nnr geringfügig und dann und wann ritten wir stundenweit, ohne
auch nnr eine Spur davon wahrzunehmen. Desgleichen zeigte" sich die Dörfer,
die wir antrafen, klein und ärmlich. In der Nähe des Städtchens Pcrlipe stießen
wir auf weite Getreidefelder. , Endlich um Mittag langten wir in der Ortschaft
selbst an und nahmen unser Absteigequartier nahe bei der Post im Hanse eines,
wie man uus sagte, berühmten Mannes. Auf meine Frage, worauf diese Be¬
zeichnung Bezug nehme, hieß es: den Alten.kenne man weit und breit in der
ganzen Gegend. Er sei lange Jahre hindurch, unter der Negierung Sultan
Mehmeds, und insbesondere während des vorletzten Rnssenkriegs, als Courier
> vou der Regierung verwendet worden, und kenne so ziemlich alle Wege und Stege
in der ganzen europäischen Türkei.

Wir fanden den "berühmten Mann" ans einer bedeckten Galerie, hingestreckt
auf einem kurzen, aus Kisten zusammengestellten Diva-n und durch eine baum¬
wollene Gardine gegen die immer noch heiße Octvbersonne geschützt. Bei unsrer
Annäherung schlug er die Füße unter und empfing u"S mit dem türkische" Will¬
kommen (hohes-fa!). El" albanesischer Diener beitete Strohmatten ans und brachte
Divankisten herbei, auf denen wir es uus bequem machte", während der Alte sich
eine neue Kohle auf den Tschibnck legte, sich aber übrigens nicht vom Platze
rührtet Seine Physiognomie verrieth Reste früherer Schönheit, ein dichter Bart,


Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei.
Zwischen den Qnellflüssen des Vardar.

Den Namen Vardar führen im oberen Laufe dieses Gewässers zwei Quell-
flüsse, von denen der eine nahe bei Monastir vorüberfließt, der andere seinen Weg
von Nordwesten her, dnrch die Berge neluneiid, dem Vereinigungspunkt bei
Ticknxsch zuströmt. Es ist dieser Flußwinkel, innerhalb dessen die Reise nunmehr
weiter fortschreitet.

Am frühen Morgen — noch lagen ti! Nebel im Thal und verhüllte» die
Aussicht nach den entfernteren Bergen, — ritten wir von Monastir ans. Der
Weg ging über Kirchhofe hinweg. Ein Chaos von Grabsteinen, und letztere in
alleu Formen; flach, schmal, niedrig und säulenartig aufragend. Unter den
Steinen nistete ein Heer von Krähen nud Dohlen; bei unserem Nahen flogen
sie massenweise ans und treiseteu, unter betäubendem Geschrei, eine Zeitlang hoch
über uns, indem sie, in bestimmter Richtung und dicht zusammengeschart hin¬
flatternd, gleichsam wie gegen einen fingirten Feind Attaken ausführten.

Das Landvolk in dieser Gegend trägt sich beinahe durchweg albanestsch.
Bereits oben beschrieb ich diese Tracht, die mit derjenigen der Bergschotten eine
auffallende Achnlichkeit hat: ein Beweis vielleicht für den Verkehr jener beiden
Stämme, des celtischen und albanesischen, im vorchristlichen Zeitalter. — Der
Anbau ist nnr geringfügig und dann und wann ritten wir stundenweit, ohne
auch nnr eine Spur davon wahrzunehmen. Desgleichen zeigte» sich die Dörfer,
die wir antrafen, klein und ärmlich. In der Nähe des Städtchens Pcrlipe stießen
wir auf weite Getreidefelder. , Endlich um Mittag langten wir in der Ortschaft
selbst an und nahmen unser Absteigequartier nahe bei der Post im Hanse eines,
wie man uus sagte, berühmten Mannes. Auf meine Frage, worauf diese Be¬
zeichnung Bezug nehme, hieß es: den Alten.kenne man weit und breit in der
ganzen Gegend. Er sei lange Jahre hindurch, unter der Negierung Sultan
Mehmeds, und insbesondere während des vorletzten Rnssenkriegs, als Courier
> vou der Regierung verwendet worden, und kenne so ziemlich alle Wege und Stege
in der ganzen europäischen Türkei.

Wir fanden den „berühmten Mann" ans einer bedeckten Galerie, hingestreckt
auf einem kurzen, aus Kisten zusammengestellten Diva-n und durch eine baum¬
wollene Gardine gegen die immer noch heiße Octvbersonne geschützt. Bei unsrer
Annäherung schlug er die Füße unter und empfing u»S mit dem türkische» Will¬
kommen (hohes-fa!). El» albanesischer Diener beitete Strohmatten ans und brachte
Divankisten herbei, auf denen wir es uus bequem machte», während der Alte sich
eine neue Kohle auf den Tschibnck legte, sich aber übrigens nicht vom Platze
rührtet Seine Physiognomie verrieth Reste früherer Schönheit, ein dichter Bart,


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[0104] Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei. Zwischen den Qnellflüssen des Vardar. Den Namen Vardar führen im oberen Laufe dieses Gewässers zwei Quell- flüsse, von denen der eine nahe bei Monastir vorüberfließt, der andere seinen Weg von Nordwesten her, dnrch die Berge neluneiid, dem Vereinigungspunkt bei Ticknxsch zuströmt. Es ist dieser Flußwinkel, innerhalb dessen die Reise nunmehr weiter fortschreitet. Am frühen Morgen — noch lagen ti! Nebel im Thal und verhüllte» die Aussicht nach den entfernteren Bergen, — ritten wir von Monastir ans. Der Weg ging über Kirchhofe hinweg. Ein Chaos von Grabsteinen, und letztere in alleu Formen; flach, schmal, niedrig und säulenartig aufragend. Unter den Steinen nistete ein Heer von Krähen nud Dohlen; bei unserem Nahen flogen sie massenweise ans und treiseteu, unter betäubendem Geschrei, eine Zeitlang hoch über uns, indem sie, in bestimmter Richtung und dicht zusammengeschart hin¬ flatternd, gleichsam wie gegen einen fingirten Feind Attaken ausführten. Das Landvolk in dieser Gegend trägt sich beinahe durchweg albanestsch. Bereits oben beschrieb ich diese Tracht, die mit derjenigen der Bergschotten eine auffallende Achnlichkeit hat: ein Beweis vielleicht für den Verkehr jener beiden Stämme, des celtischen und albanesischen, im vorchristlichen Zeitalter. — Der Anbau ist nnr geringfügig und dann und wann ritten wir stundenweit, ohne auch nnr eine Spur davon wahrzunehmen. Desgleichen zeigte» sich die Dörfer, die wir antrafen, klein und ärmlich. In der Nähe des Städtchens Pcrlipe stießen wir auf weite Getreidefelder. , Endlich um Mittag langten wir in der Ortschaft selbst an und nahmen unser Absteigequartier nahe bei der Post im Hanse eines, wie man uus sagte, berühmten Mannes. Auf meine Frage, worauf diese Be¬ zeichnung Bezug nehme, hieß es: den Alten.kenne man weit und breit in der ganzen Gegend. Er sei lange Jahre hindurch, unter der Negierung Sultan Mehmeds, und insbesondere während des vorletzten Rnssenkriegs, als Courier > vou der Regierung verwendet worden, und kenne so ziemlich alle Wege und Stege in der ganzen europäischen Türkei. Wir fanden den „berühmten Mann" ans einer bedeckten Galerie, hingestreckt auf einem kurzen, aus Kisten zusammengestellten Diva-n und durch eine baum¬ wollene Gardine gegen die immer noch heiße Octvbersonne geschützt. Bei unsrer Annäherung schlug er die Füße unter und empfing u»S mit dem türkische» Will¬ kommen (hohes-fa!). El» albanesischer Diener beitete Strohmatten ans und brachte Divankisten herbei, auf denen wir es uus bequem machte», während der Alte sich eine neue Kohle auf den Tschibnck legte, sich aber übrigens nicht vom Platze rührtet Seine Physiognomie verrieth Reste früherer Schönheit, ein dichter Bart,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/103>, abgerufen am 22.12.2024.