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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Aaron Burr, Amerikas Catilina.

Während der orientalischen Verwickelungen nimmt eine zweite Frage von
nicht geringerer Bedeutung, die am Gesichtskreise politischer Hoffnungen und Be¬
fürchtungen auftaucht, das allgemeine Interesse in Anspruch -- die Frage nach
der Stellung Amerikas zur alten Welt. Die Beantwortung derselben
wird abhängig davon, ob die Macht der Vereinigten Staaten des Nordens, der
einzigen Macht, an die wir denken, wenn von Amerika die Rede ist, anch in der
Zukunft vereinigt bleiben wird. Die Naturverhältnisse des Landes und die
Geschichte deö Volkes berechtigen uus, darüber eine Wahrscheinlichkeitsrechnung
anzustellen.

Die Geographie sagt: Nordamerika ist zu einem innigen politischen Zu¬
sammenhange bestimmt, gleichviel unter welcher Staatsform. Die Bildung der
Küste, wie die Structur des Innern verhindern zwar nicht eine Trennung der
einzelnen Theile, wol aber lassen sie keine Dauer einer solchen Trennung zu.
Der Süden mag sich,, wenn die Sorge für seine Sonderinteressen, wie Freihandel,
Sklaverei, Baargeld, seine Anhänglichkeit an das Ganze überwiegt, zeitweilig vom
Norden ablösen, der Westen sich, von anders gestalteten Rücksichten veranlaßt,
periodisch vom Osten lossagen; allein bei dem Mangel natürlicher innerer
Grenzen in einem Lande, welches zum Wechselverkehr von der Natur genöthigt
ist, kann ein derartiger Auseinander fall der Staaten, welche gegenwärtig dnrch
das Band der Union lose und dennoch fest verbunden sind, nicht zu wirklicher
Trennung führen. Aus dem Wetteifer solcher unabhängig gewordenen Theile
würden Kollisionen der Interessen entstehen, und der stärkere Staat würde den
schwächeren zwingen, als Trabant seiner Planetenbahn zu folgen. Die ganze
Physische Gestaltung des Mississippithales, dieses großen innern Beckens, welches
das Centrum Nordamerikas bildet, deutet bei seiner merkwürdigen Einförmigkeit
anch entschieden die natnrnothwendige Einheit nicht nur in der Politik, sondern
auch in Sitte und Sprache an. Daher denn auch das rasche Aufgehen der


Grenzboten. 1, >I8Li, 46
Aaron Burr, Amerikas Catilina.

Während der orientalischen Verwickelungen nimmt eine zweite Frage von
nicht geringerer Bedeutung, die am Gesichtskreise politischer Hoffnungen und Be¬
fürchtungen auftaucht, das allgemeine Interesse in Anspruch — die Frage nach
der Stellung Amerikas zur alten Welt. Die Beantwortung derselben
wird abhängig davon, ob die Macht der Vereinigten Staaten des Nordens, der
einzigen Macht, an die wir denken, wenn von Amerika die Rede ist, anch in der
Zukunft vereinigt bleiben wird. Die Naturverhältnisse des Landes und die
Geschichte deö Volkes berechtigen uus, darüber eine Wahrscheinlichkeitsrechnung
anzustellen.

Die Geographie sagt: Nordamerika ist zu einem innigen politischen Zu¬
sammenhange bestimmt, gleichviel unter welcher Staatsform. Die Bildung der
Küste, wie die Structur des Innern verhindern zwar nicht eine Trennung der
einzelnen Theile, wol aber lassen sie keine Dauer einer solchen Trennung zu.
Der Süden mag sich,, wenn die Sorge für seine Sonderinteressen, wie Freihandel,
Sklaverei, Baargeld, seine Anhänglichkeit an das Ganze überwiegt, zeitweilig vom
Norden ablösen, der Westen sich, von anders gestalteten Rücksichten veranlaßt,
periodisch vom Osten lossagen; allein bei dem Mangel natürlicher innerer
Grenzen in einem Lande, welches zum Wechselverkehr von der Natur genöthigt
ist, kann ein derartiger Auseinander fall der Staaten, welche gegenwärtig dnrch
das Band der Union lose und dennoch fest verbunden sind, nicht zu wirklicher
Trennung führen. Aus dem Wetteifer solcher unabhängig gewordenen Theile
würden Kollisionen der Interessen entstehen, und der stärkere Staat würde den
schwächeren zwingen, als Trabant seiner Planetenbahn zu folgen. Die ganze
Physische Gestaltung des Mississippithales, dieses großen innern Beckens, welches
das Centrum Nordamerikas bildet, deutet bei seiner merkwürdigen Einförmigkeit
anch entschieden die natnrnothwendige Einheit nicht nur in der Politik, sondern
auch in Sitte und Sprache an. Daher denn auch das rasche Aufgehen der


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[0369] Aaron Burr, Amerikas Catilina. Während der orientalischen Verwickelungen nimmt eine zweite Frage von nicht geringerer Bedeutung, die am Gesichtskreise politischer Hoffnungen und Be¬ fürchtungen auftaucht, das allgemeine Interesse in Anspruch — die Frage nach der Stellung Amerikas zur alten Welt. Die Beantwortung derselben wird abhängig davon, ob die Macht der Vereinigten Staaten des Nordens, der einzigen Macht, an die wir denken, wenn von Amerika die Rede ist, anch in der Zukunft vereinigt bleiben wird. Die Naturverhältnisse des Landes und die Geschichte deö Volkes berechtigen uus, darüber eine Wahrscheinlichkeitsrechnung anzustellen. Die Geographie sagt: Nordamerika ist zu einem innigen politischen Zu¬ sammenhange bestimmt, gleichviel unter welcher Staatsform. Die Bildung der Küste, wie die Structur des Innern verhindern zwar nicht eine Trennung der einzelnen Theile, wol aber lassen sie keine Dauer einer solchen Trennung zu. Der Süden mag sich,, wenn die Sorge für seine Sonderinteressen, wie Freihandel, Sklaverei, Baargeld, seine Anhänglichkeit an das Ganze überwiegt, zeitweilig vom Norden ablösen, der Westen sich, von anders gestalteten Rücksichten veranlaßt, periodisch vom Osten lossagen; allein bei dem Mangel natürlicher innerer Grenzen in einem Lande, welches zum Wechselverkehr von der Natur genöthigt ist, kann ein derartiger Auseinander fall der Staaten, welche gegenwärtig dnrch das Band der Union lose und dennoch fest verbunden sind, nicht zu wirklicher Trennung führen. Aus dem Wetteifer solcher unabhängig gewordenen Theile würden Kollisionen der Interessen entstehen, und der stärkere Staat würde den schwächeren zwingen, als Trabant seiner Planetenbahn zu folgen. Die ganze Physische Gestaltung des Mississippithales, dieses großen innern Beckens, welches das Centrum Nordamerikas bildet, deutet bei seiner merkwürdigen Einförmigkeit anch entschieden die natnrnothwendige Einheit nicht nur in der Politik, sondern auch in Sitte und Sprache an. Daher denn auch das rasche Aufgehen der Grenzboten. 1, >I8Li, 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/369>, abgerufen am 03.07.2024.