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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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seiner Unterstützung der Bnndespolitik vom allgemein schweizerischen Standpunkte aus
die Erörterung der Maßregeln der Bundesregierung aus ihren speciellen cantonalen
Gesichtspunkten entgegenbringen. Zu derartigen, namentlich in der Nordostschweiz
bestehenden Journale" sehen wir jetzt "Berner Blatter" und eine Luzerner
"Wochenschrift" trete". Bemerkenswerth ist gleichzeitig, daß mehre Organe des
aristokratischen Cantönli-Conservatismus, mit dem alten Jahr ein Schwindsucht
verstorben sind. Unter den ultramontanen Blättern verschwindet allerdings kein
Titel. Aber man könnte, besonders in der Ostschweiz, die Mehrzahl derselben
namentlich als solche aufführen, deren Existenz weder im Lescbedürsuiß, noch in
der Menge ihrer Abonnenten begründet ist, sondern durch reiche Zuschüsse von
auße" her erhalten wird. Welche intellectuellen Kräfte von außen her dazutreten,
erhellt wol am besten daraus, wenn man mir den einen ans der Leuschen Sache
berufenen Berhörrichter Amman" nennt, der in Tyrol ein gezwungenes Exil fand,
da kein Ort der Schweiz mehr für ihn möglich war.




Die Weihnachtszeit in Rom.

Das Weihnachtsfest ist für den heiligen
Vater äußerst anstrengend. Nach einem uralten Herkomme", das bis auf Gregor
den Großen zurückgeführt wird, soll in der Nacht des 24. December jeder Prie¬
ster, den Papst nicht ausgenommen, drei Messe" lesen. Von diese" nimmt der
Papst nnn freilich eine in der Vesper, die in der Sixtina gehalten wird, voraus,
die andre ist Abends in Se. Maria Maggiore, die dritte vier Uhr Morgens in
Se. Anastasia am Palatin. Ob Pius IX. sjch von dieser letzten dispen-
sirt hat, wie es Gregor der sechzehnte zu thun pflegte, weiß ich nicht zu sagen.
Er fuhr mit einer sehr großen Bedeckung nach Se. Maria Maggiore, weil ein
Gerücht von Unruhen verbreitet war, die stattfinden würden. Die erwartete Gas¬
beleuchtung blieb aus (heute, am 1. Januar, ist mit ihr der Anfang gemacht
worden), dafür machten sich die päpstlichen Dragoner, durch die Finsterniß
in ihren weißen Mänteln mit Pechsackeln sprengend, desto besser. Die un¬
geheure Basilika war aufs prächtigste geschmückt; die jonischen Säulen mit rothen
Stoffen bezogen, so daß nur die Capitäle unbedeckt blieben, die Wände
des oberen Stockwerks mit sechs Reihen von Kerzen auf Armleuchtern über¬
einander beleuchtet -- das alles gab ihr das Aussehen eines riesenhaften Ball¬
saales. Die Reste der heiligen Krippe wurden in einem höchst kostbaren Gefäß
in Procession hereingebracht und auf den Altar gesetzt, und der Papst schwenkte
vor ihr das Rauchfaß. Gegen elf Uhr ungefähr war die Messe beendet und der
Papst wurde auf einem Sessel durch die Kirche hinausgetragen, wobei er. seinen


seiner Unterstützung der Bnndespolitik vom allgemein schweizerischen Standpunkte aus
die Erörterung der Maßregeln der Bundesregierung aus ihren speciellen cantonalen
Gesichtspunkten entgegenbringen. Zu derartigen, namentlich in der Nordostschweiz
bestehenden Journale» sehen wir jetzt „Berner Blatter" und eine Luzerner
„Wochenschrift" trete». Bemerkenswerth ist gleichzeitig, daß mehre Organe des
aristokratischen Cantönli-Conservatismus, mit dem alten Jahr ein Schwindsucht
verstorben sind. Unter den ultramontanen Blättern verschwindet allerdings kein
Titel. Aber man könnte, besonders in der Ostschweiz, die Mehrzahl derselben
namentlich als solche aufführen, deren Existenz weder im Lescbedürsuiß, noch in
der Menge ihrer Abonnenten begründet ist, sondern durch reiche Zuschüsse von
auße» her erhalten wird. Welche intellectuellen Kräfte von außen her dazutreten,
erhellt wol am besten daraus, wenn man mir den einen ans der Leuschen Sache
berufenen Berhörrichter Amman» nennt, der in Tyrol ein gezwungenes Exil fand,
da kein Ort der Schweiz mehr für ihn möglich war.




Die Weihnachtszeit in Rom.

Das Weihnachtsfest ist für den heiligen
Vater äußerst anstrengend. Nach einem uralten Herkomme«, das bis auf Gregor
den Großen zurückgeführt wird, soll in der Nacht des 24. December jeder Prie¬
ster, den Papst nicht ausgenommen, drei Messe» lesen. Von diese» nimmt der
Papst nnn freilich eine in der Vesper, die in der Sixtina gehalten wird, voraus,
die andre ist Abends in Se. Maria Maggiore, die dritte vier Uhr Morgens in
Se. Anastasia am Palatin. Ob Pius IX. sjch von dieser letzten dispen-
sirt hat, wie es Gregor der sechzehnte zu thun pflegte, weiß ich nicht zu sagen.
Er fuhr mit einer sehr großen Bedeckung nach Se. Maria Maggiore, weil ein
Gerücht von Unruhen verbreitet war, die stattfinden würden. Die erwartete Gas¬
beleuchtung blieb aus (heute, am 1. Januar, ist mit ihr der Anfang gemacht
worden), dafür machten sich die päpstlichen Dragoner, durch die Finsterniß
in ihren weißen Mänteln mit Pechsackeln sprengend, desto besser. Die un¬
geheure Basilika war aufs prächtigste geschmückt; die jonischen Säulen mit rothen
Stoffen bezogen, so daß nur die Capitäle unbedeckt blieben, die Wände
des oberen Stockwerks mit sechs Reihen von Kerzen auf Armleuchtern über¬
einander beleuchtet — das alles gab ihr das Aussehen eines riesenhaften Ball¬
saales. Die Reste der heiligen Krippe wurden in einem höchst kostbaren Gefäß
in Procession hereingebracht und auf den Altar gesetzt, und der Papst schwenkte
vor ihr das Rauchfaß. Gegen elf Uhr ungefähr war die Messe beendet und der
Papst wurde auf einem Sessel durch die Kirche hinausgetragen, wobei er. seinen


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[0230] seiner Unterstützung der Bnndespolitik vom allgemein schweizerischen Standpunkte aus die Erörterung der Maßregeln der Bundesregierung aus ihren speciellen cantonalen Gesichtspunkten entgegenbringen. Zu derartigen, namentlich in der Nordostschweiz bestehenden Journale» sehen wir jetzt „Berner Blatter" und eine Luzerner „Wochenschrift" trete». Bemerkenswerth ist gleichzeitig, daß mehre Organe des aristokratischen Cantönli-Conservatismus, mit dem alten Jahr ein Schwindsucht verstorben sind. Unter den ultramontanen Blättern verschwindet allerdings kein Titel. Aber man könnte, besonders in der Ostschweiz, die Mehrzahl derselben namentlich als solche aufführen, deren Existenz weder im Lescbedürsuiß, noch in der Menge ihrer Abonnenten begründet ist, sondern durch reiche Zuschüsse von auße» her erhalten wird. Welche intellectuellen Kräfte von außen her dazutreten, erhellt wol am besten daraus, wenn man mir den einen ans der Leuschen Sache berufenen Berhörrichter Amman» nennt, der in Tyrol ein gezwungenes Exil fand, da kein Ort der Schweiz mehr für ihn möglich war. Die Weihnachtszeit in Rom. Das Weihnachtsfest ist für den heiligen Vater äußerst anstrengend. Nach einem uralten Herkomme«, das bis auf Gregor den Großen zurückgeführt wird, soll in der Nacht des 24. December jeder Prie¬ ster, den Papst nicht ausgenommen, drei Messe» lesen. Von diese» nimmt der Papst nnn freilich eine in der Vesper, die in der Sixtina gehalten wird, voraus, die andre ist Abends in Se. Maria Maggiore, die dritte vier Uhr Morgens in Se. Anastasia am Palatin. Ob Pius IX. sjch von dieser letzten dispen- sirt hat, wie es Gregor der sechzehnte zu thun pflegte, weiß ich nicht zu sagen. Er fuhr mit einer sehr großen Bedeckung nach Se. Maria Maggiore, weil ein Gerücht von Unruhen verbreitet war, die stattfinden würden. Die erwartete Gas¬ beleuchtung blieb aus (heute, am 1. Januar, ist mit ihr der Anfang gemacht worden), dafür machten sich die päpstlichen Dragoner, durch die Finsterniß in ihren weißen Mänteln mit Pechsackeln sprengend, desto besser. Die un¬ geheure Basilika war aufs prächtigste geschmückt; die jonischen Säulen mit rothen Stoffen bezogen, so daß nur die Capitäle unbedeckt blieben, die Wände des oberen Stockwerks mit sechs Reihen von Kerzen auf Armleuchtern über¬ einander beleuchtet — das alles gab ihr das Aussehen eines riesenhaften Ball¬ saales. Die Reste der heiligen Krippe wurden in einem höchst kostbaren Gefäß in Procession hereingebracht und auf den Altar gesetzt, und der Papst schwenkte vor ihr das Rauchfaß. Gegen elf Uhr ungefähr war die Messe beendet und der Papst wurde auf einem Sessel durch die Kirche hinausgetragen, wobei er. seinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/230>, abgerufen am 22.07.2024.