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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Die Kanarischen Inseln, ihre Vergangenheit und Zukunft. Von "r. Jul.
Freiherrn v. Minutvli. Berlin, Allgemeine deutsche Verlags-Anstalt. --

Eine bedeutende und gründlich gearbeitete Monographie, deren Zweck der
Verfasser in der Vorrede angibt, "Ich wünsche zunächst über die Vergcmgen-
h'eit der Inseln die vorhandenen Lücken in der Geschichte mit demjenigen aus¬
zufüllen, was ich darüber in Archiven und Bibliotheken aufgefunden habe.
Daran werde ich meine Ansichten über die gegenwärtige Lage der Inseln, die
Bedingungen, Quellen und Verwerthung ihres Bodenreichthums und ihrer
Arbeitskräfte knüpfen......Wenn die Negierung der Veranlassung zur Ent¬
völkerung der Inseln nachforscht, so können ihr die eigentlichen Motive der
Verarmung und deren- Konsequenzen nicht entgehen. Die Lage der besitzlosen
Classe ist auf den Canarien durch die eigenthümlichen Verhältnisse bedingt.
Sie ist unbillig, unhaltbar, und wird auf die Dauer unerträglich. So traurig
v>me Abnahme der Bevölkerung durch Auswanderung immerhin ist, eine solche
Seibstverbannung bleibt mindestens ein friedliches Mittel zur Lösung der
Frage. Wahre sich die Negierung, daß es nicht zu einem Versuche der gewalt¬
samen Lösung komme, denn ein solcher muß nöthged,rungcn durch gewaltsame,
vernichtende Mittel unterdrückt und beseitigt werden. Durch vieljährige Er¬
fahrung und das Studium des Menschen in den verschiedenen Classen der
Bevölkerung schärfen sich Aug und Ohr, und bei meiner Bereisung jener
Inseln bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, daß trotz der Gutartigkeit, Ein-'
fachheit und Liebenswürdigkeit ihrer Bewohner, diese doch schon zum Bewußtsein
über ihre Lage und Zukunft gelangt sind."

Aus diesen Bemerkungen geht hervor, daß das Hauptaugenmerk des Ver"
fassers auf die politische Entwicklung der Inseln gerichtet gewesen ist. So
gering die Bedeutung derselben für die allgemeine Geschichte sein mag, so
wichtig ist es, die Erfahrungen der verschiedenen Colonien miteinander zu ver¬
gleichen, um zu bleibenden, wissenschaftlich begründeten Resultaten zu gelangen,
und in dieser Beziehung macht es keinen großen Unterschied, wie groß der
Umfang des beobachteten Gegenstandes ist. Im gegenwärtigen Fall werden
die Beobachtungen deö Verfassers umsomehr Eindruck machen, da er mit
Wohlwollen und wahrem Interesse zu Werke geht, und durchaus nicht in den
Fehler der gewöhnlichen Touristen verfällt, durch Uebertreibungen und schwarze
Farben auf die Phantasie der Leser zu wirken. Er hat den ernsthaften Willen,
klar zu sehen und nirgend einen Tadel auszusprechen, wo er nicht auf eine Ab¬
hilfe wenigstens hindeuten kann.

Einen bleibenden Werth hat die Beschreibung der Inseln und der kurze
Abriß ihrer Geschichte, die eng in die Geschichte des Mutterlandes verwebt ist,
und über manche dunkle Umstände derselben Licht verbreiten kann, da man in


Die Kanarischen Inseln, ihre Vergangenheit und Zukunft. Von »r. Jul.
Freiherrn v. Minutvli. Berlin, Allgemeine deutsche Verlags-Anstalt. —

Eine bedeutende und gründlich gearbeitete Monographie, deren Zweck der
Verfasser in der Vorrede angibt, „Ich wünsche zunächst über die Vergcmgen-
h'eit der Inseln die vorhandenen Lücken in der Geschichte mit demjenigen aus¬
zufüllen, was ich darüber in Archiven und Bibliotheken aufgefunden habe.
Daran werde ich meine Ansichten über die gegenwärtige Lage der Inseln, die
Bedingungen, Quellen und Verwerthung ihres Bodenreichthums und ihrer
Arbeitskräfte knüpfen......Wenn die Negierung der Veranlassung zur Ent¬
völkerung der Inseln nachforscht, so können ihr die eigentlichen Motive der
Verarmung und deren- Konsequenzen nicht entgehen. Die Lage der besitzlosen
Classe ist auf den Canarien durch die eigenthümlichen Verhältnisse bedingt.
Sie ist unbillig, unhaltbar, und wird auf die Dauer unerträglich. So traurig
v>me Abnahme der Bevölkerung durch Auswanderung immerhin ist, eine solche
Seibstverbannung bleibt mindestens ein friedliches Mittel zur Lösung der
Frage. Wahre sich die Negierung, daß es nicht zu einem Versuche der gewalt¬
samen Lösung komme, denn ein solcher muß nöthged,rungcn durch gewaltsame,
vernichtende Mittel unterdrückt und beseitigt werden. Durch vieljährige Er¬
fahrung und das Studium des Menschen in den verschiedenen Classen der
Bevölkerung schärfen sich Aug und Ohr, und bei meiner Bereisung jener
Inseln bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, daß trotz der Gutartigkeit, Ein-'
fachheit und Liebenswürdigkeit ihrer Bewohner, diese doch schon zum Bewußtsein
über ihre Lage und Zukunft gelangt sind."

Aus diesen Bemerkungen geht hervor, daß das Hauptaugenmerk des Ver»
fassers auf die politische Entwicklung der Inseln gerichtet gewesen ist. So
gering die Bedeutung derselben für die allgemeine Geschichte sein mag, so
wichtig ist es, die Erfahrungen der verschiedenen Colonien miteinander zu ver¬
gleichen, um zu bleibenden, wissenschaftlich begründeten Resultaten zu gelangen,
und in dieser Beziehung macht es keinen großen Unterschied, wie groß der
Umfang des beobachteten Gegenstandes ist. Im gegenwärtigen Fall werden
die Beobachtungen deö Verfassers umsomehr Eindruck machen, da er mit
Wohlwollen und wahrem Interesse zu Werke geht, und durchaus nicht in den
Fehler der gewöhnlichen Touristen verfällt, durch Uebertreibungen und schwarze
Farben auf die Phantasie der Leser zu wirken. Er hat den ernsthaften Willen,
klar zu sehen und nirgend einen Tadel auszusprechen, wo er nicht auf eine Ab¬
hilfe wenigstens hindeuten kann.

Einen bleibenden Werth hat die Beschreibung der Inseln und der kurze
Abriß ihrer Geschichte, die eng in die Geschichte des Mutterlandes verwebt ist,
und über manche dunkle Umstände derselben Licht verbreiten kann, da man in


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[0068] Die Kanarischen Inseln, ihre Vergangenheit und Zukunft. Von »r. Jul. Freiherrn v. Minutvli. Berlin, Allgemeine deutsche Verlags-Anstalt. — Eine bedeutende und gründlich gearbeitete Monographie, deren Zweck der Verfasser in der Vorrede angibt, „Ich wünsche zunächst über die Vergcmgen- h'eit der Inseln die vorhandenen Lücken in der Geschichte mit demjenigen aus¬ zufüllen, was ich darüber in Archiven und Bibliotheken aufgefunden habe. Daran werde ich meine Ansichten über die gegenwärtige Lage der Inseln, die Bedingungen, Quellen und Verwerthung ihres Bodenreichthums und ihrer Arbeitskräfte knüpfen......Wenn die Negierung der Veranlassung zur Ent¬ völkerung der Inseln nachforscht, so können ihr die eigentlichen Motive der Verarmung und deren- Konsequenzen nicht entgehen. Die Lage der besitzlosen Classe ist auf den Canarien durch die eigenthümlichen Verhältnisse bedingt. Sie ist unbillig, unhaltbar, und wird auf die Dauer unerträglich. So traurig v>me Abnahme der Bevölkerung durch Auswanderung immerhin ist, eine solche Seibstverbannung bleibt mindestens ein friedliches Mittel zur Lösung der Frage. Wahre sich die Negierung, daß es nicht zu einem Versuche der gewalt¬ samen Lösung komme, denn ein solcher muß nöthged,rungcn durch gewaltsame, vernichtende Mittel unterdrückt und beseitigt werden. Durch vieljährige Er¬ fahrung und das Studium des Menschen in den verschiedenen Classen der Bevölkerung schärfen sich Aug und Ohr, und bei meiner Bereisung jener Inseln bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, daß trotz der Gutartigkeit, Ein-' fachheit und Liebenswürdigkeit ihrer Bewohner, diese doch schon zum Bewußtsein über ihre Lage und Zukunft gelangt sind." Aus diesen Bemerkungen geht hervor, daß das Hauptaugenmerk des Ver» fassers auf die politische Entwicklung der Inseln gerichtet gewesen ist. So gering die Bedeutung derselben für die allgemeine Geschichte sein mag, so wichtig ist es, die Erfahrungen der verschiedenen Colonien miteinander zu ver¬ gleichen, um zu bleibenden, wissenschaftlich begründeten Resultaten zu gelangen, und in dieser Beziehung macht es keinen großen Unterschied, wie groß der Umfang des beobachteten Gegenstandes ist. Im gegenwärtigen Fall werden die Beobachtungen deö Verfassers umsomehr Eindruck machen, da er mit Wohlwollen und wahrem Interesse zu Werke geht, und durchaus nicht in den Fehler der gewöhnlichen Touristen verfällt, durch Uebertreibungen und schwarze Farben auf die Phantasie der Leser zu wirken. Er hat den ernsthaften Willen, klar zu sehen und nirgend einen Tadel auszusprechen, wo er nicht auf eine Ab¬ hilfe wenigstens hindeuten kann. Einen bleibenden Werth hat die Beschreibung der Inseln und der kurze Abriß ihrer Geschichte, die eng in die Geschichte des Mutterlandes verwebt ist, und über manche dunkle Umstände derselben Licht verbreiten kann, da man in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/68>, abgerufen am 28.12.2024.