Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.Briefe aus Konstantinopel. --Seit Abgang meines letzten Briefes sind wiederum kleinere fran¬ Von der Donau verlautet, daß die Stellung Omer Paschas mehr und Es ist schwer, schon jetzt zu sagen, welche Folgen ein Wechsel im Oberbefehl Briefe aus Konstantinopel. --Seit Abgang meines letzten Briefes sind wiederum kleinere fran¬ Von der Donau verlautet, daß die Stellung Omer Paschas mehr und Es ist schwer, schon jetzt zu sagen, welche Folgen ein Wechsel im Oberbefehl <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0380" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98694"/> </div> <div n="1"> <head> Briefe aus Konstantinopel.</head><lb/> <p xml:id="ID_1224"> --Seit Abgang meines letzten Briefes sind wiederum kleinere fran¬<lb/> zösische Verstärkungscorps zu Schiffe hier nach der Krim durchgegangen. Die¬<lb/> selben werden im Hasen von Chersones ausgeschifft. Der Verlust, welchen die<lb/> verbündeten Heere durch Krankheiten erleiden, ist immer noch groß. Von den<lb/> Genesenen wird aus den hiesigen Spitälern nur ein Theil nach dem Kriegs¬<lb/> schauplatz zurückgesendet; ein andrer kehrt zu den Depots der betreffenden<lb/> Truppentheile in der Heimat zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_1225"> Von der Donau verlautet, daß die Stellung Omer Paschas mehr und<lb/> mehr unsicher werde. Man bezeichnet den östreichischen Einfluß als denjenigen,<lb/> welcher dem Feldherrn nicht wohlwollte; außerdem arbeiten hier mehre höchste<lb/> Würdenträger von ehemals und jetzt an seinem Sturz. Am meisten Feind<lb/> scheint ihm Mehemed Ruschdi Pascha zu sein, derselbe, welcher lange Zeit hin¬<lb/> durch dem Kriegsministerium vorstand und hernach Minister ohne Portefeuille<lb/> im Ministerium Mustafa Paschas (einer Null, hinter der die doppelte In¬<lb/> spiration Mehemed Alis und Neschid Paschas stand), wurde. Möglich, daß<lb/> Mehemed Ruschdi nach der Würde eines Serdar Ekrem trachtet; daß er sie<lb/> erhält, ist deßungeachtet sehr unwahrscheinlich. Wenn Sie mir gestatten wollen,<lb/> eine Vermuthung auszusprechen, die noch wenig Halt in sich hat und vorerst<lb/> lediglich auf der Combination einiger Umstände beruht, so möchte ich dem Ach-<lb/> med Pascha, welcher zur Zeit das Gardecorps commandirt, eintretendenfalls<lb/> Omer Paschas Nachfolge prophezeihen. Er ist zwar noch nicht Muschir, steht<lb/> aber im Begriff, es zu werden; seine Erziehung erhielt er in Wien und erstand<lb/> sich allezeit gut mit den Vertretern Oestreichs, mochten sie Konsuln oder Jnter-<lb/> nuntien sein. Behalten Sie diesen Mann im Auge; über seine Eigenschaften<lb/> erlaube ich mir noch kein Urtheil; aber er scheint mir aus dem Punkte zu stehen,<lb/> in die Bahn einer großen Rolle einzutreten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1226" next="#ID_1227"> Es ist schwer, schon jetzt zu sagen, welche Folgen ein Wechsel im Oberbefehl<lb/> der osmanischen Donauarmee mit sich bringen würde. Wenn einige behaupten<lb/> wollen, daß dieselbe sodann eine Gesammtverwendung in der Krim finden werde,<lb/> so halte ich solche Ansicht sür mindestens noch etwas frühreif. Meine Argu¬<lb/> mentation für ihr Verbleiben in der Walachei steht aber sozusagen auf zwei<lb/> Beinen: tritt Oestreich dem Bündniß der Westmächte mit der Türkei bei und<lb/> bricht es definitiv mit Nußland, so wird es sich nicht gern einer Hilfsmacht,<lb/> wie die türkische Donauarmee sie ist, beraubt wissen wollen, die ihm manche<lb/> nützliche Dienste erweisen kann; geschieht das dagegen nicht, so würde es un-<lb/> rathsam sein, die osmanische Waffenmacht im Norden des Balkan noch mehr</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0380]
Briefe aus Konstantinopel.
--Seit Abgang meines letzten Briefes sind wiederum kleinere fran¬
zösische Verstärkungscorps zu Schiffe hier nach der Krim durchgegangen. Die¬
selben werden im Hasen von Chersones ausgeschifft. Der Verlust, welchen die
verbündeten Heere durch Krankheiten erleiden, ist immer noch groß. Von den
Genesenen wird aus den hiesigen Spitälern nur ein Theil nach dem Kriegs¬
schauplatz zurückgesendet; ein andrer kehrt zu den Depots der betreffenden
Truppentheile in der Heimat zurück.
Von der Donau verlautet, daß die Stellung Omer Paschas mehr und
mehr unsicher werde. Man bezeichnet den östreichischen Einfluß als denjenigen,
welcher dem Feldherrn nicht wohlwollte; außerdem arbeiten hier mehre höchste
Würdenträger von ehemals und jetzt an seinem Sturz. Am meisten Feind
scheint ihm Mehemed Ruschdi Pascha zu sein, derselbe, welcher lange Zeit hin¬
durch dem Kriegsministerium vorstand und hernach Minister ohne Portefeuille
im Ministerium Mustafa Paschas (einer Null, hinter der die doppelte In¬
spiration Mehemed Alis und Neschid Paschas stand), wurde. Möglich, daß
Mehemed Ruschdi nach der Würde eines Serdar Ekrem trachtet; daß er sie
erhält, ist deßungeachtet sehr unwahrscheinlich. Wenn Sie mir gestatten wollen,
eine Vermuthung auszusprechen, die noch wenig Halt in sich hat und vorerst
lediglich auf der Combination einiger Umstände beruht, so möchte ich dem Ach-
med Pascha, welcher zur Zeit das Gardecorps commandirt, eintretendenfalls
Omer Paschas Nachfolge prophezeihen. Er ist zwar noch nicht Muschir, steht
aber im Begriff, es zu werden; seine Erziehung erhielt er in Wien und erstand
sich allezeit gut mit den Vertretern Oestreichs, mochten sie Konsuln oder Jnter-
nuntien sein. Behalten Sie diesen Mann im Auge; über seine Eigenschaften
erlaube ich mir noch kein Urtheil; aber er scheint mir aus dem Punkte zu stehen,
in die Bahn einer großen Rolle einzutreten.
Es ist schwer, schon jetzt zu sagen, welche Folgen ein Wechsel im Oberbefehl
der osmanischen Donauarmee mit sich bringen würde. Wenn einige behaupten
wollen, daß dieselbe sodann eine Gesammtverwendung in der Krim finden werde,
so halte ich solche Ansicht sür mindestens noch etwas frühreif. Meine Argu¬
mentation für ihr Verbleiben in der Walachei steht aber sozusagen auf zwei
Beinen: tritt Oestreich dem Bündniß der Westmächte mit der Türkei bei und
bricht es definitiv mit Nußland, so wird es sich nicht gern einer Hilfsmacht,
wie die türkische Donauarmee sie ist, beraubt wissen wollen, die ihm manche
nützliche Dienste erweisen kann; geschieht das dagegen nicht, so würde es un-
rathsam sein, die osmanische Waffenmacht im Norden des Balkan noch mehr
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