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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Bcschlußcntwurfc zwei Artikel beigefügt, wonach eine wiederholte Einladung an den
kaiserlich russischen Hof, sich zur Annahme der vier Punkte bereit zu erklären, ge¬
richtet werde, und im Fall der Annahme die Mitglieder des Bündnisses vom 20. April
ohne einen vorgängigen gemeinschaftlichen Beschluß weitere Forderungen an Ru߬
land weder stellen noch unterstützen, sich also auch nicht bei deren Ausführung be-
theiligen würden. Oestreich vermag solche Verpflichtungen gegen die Mitglieder des
Bündnisses nicht einzugehen und will, daß diese beiden Artikel aus dem Beschlusse
wegbleiben. Zu einer gemeinsamen wiederholten Einladung an Rußland, die Oest¬
reich nach der kategorischen Ablehnung der vier Punkte und Weigerung Rußlands,
sich in ihre Erörterung einzulassen, nicht für sich an diese Macht richten kann,
würde es sich verstehen, aber vor den Bund könnte diese Angelegenheit nicht eher
gebracht werden, als bis die Regierungen sich vertraulich über Form und Trag¬
weite eines solchen Schrittes zuvor verständigt hätten. Dies sei um so nothwen¬
diger, da Oestreich nur dann bei einem solchen Schritte sich betheiligen könne, wenn
er sehr ernst gemeint ist, und man daher für den Fall der abermaligen Verwer¬
fung der vier Punkte alle Verabredungen treffen müsse und davon selbst die Noth¬
wendigkeit der Ergr eifnng der Offensive nicht ausschließen dürfe. End¬
lich vermag Oestreich nicht zuzugeben, daß ihm nach dem preußischen Entwürfe erst
nach nochmaliger Verwerfung jener Punkte von Seiten Rußlands die Hilfe des
Bundes gegen jeden Augriff aus die östreichischen Truppen in den Fürstenthümern
oder auf östreichisches Gebiet zugesichert werde. In diesem Falle würde es ja in
die Entscheidung Rußlands gelegt werden, ob Oestreich vom Bunde Hilfe zu ge¬
wärtigen habe oder nicht. Es steht nun zu erwarten, welche Entschlüsse Preußen
infolge der östreichischen Einwendungen fassen wird. Zuverlässig aber ist,
daß Oestreich in keinem Falle sich die Rolle der Neutralität, die es
schon so oft zurückgewiesen hat, aufdrängen lassen wird. --


Nacbtraq zu den Wiener Plaudereien.

Gott sei
Dank, wir leben wieder etwas auf. Der Sturm vor Sebastovol am 3. hat die verzwei¬
felten Gemüther ein wenig aufgerichtet und auch die von ungewohnter Mäßigung
geschwächten Leiber können sich nun restauriren, da die Cholera, zwar langsam
aber entschieden, im Abnehmen begriffen ist. Was "unsere" Kämpfe vor Se¬
bastovol betrifft, herrscht hier allgemein die wärmste Theilnahme für "unsere"
tapfern, hartgeprüften Alliirten. Der scharfe Nordwester, der mit stürmischer Ge¬
walt in den ersten Tagen dieser Woche durch unsere Straßen fuhr, hat recht
lebhast die Gedanken "unsern" braven Hochländern und Znaven zugewendet. Wenn
so ein heftiger Windstoß alle Fenster der warmen Familienstube klirren machte,
während eben der Haussohn oder ein guter Freund die neuesten Abendberichte vom
Kriegsschauplatz las, da wurde manches Mutterherz weich und manche Thräne
perlte aus schönen Wiener Augen um "unsere" armen Soldaten, die in dieser
grimmigen Kälte in den Laufgräben liegen und viele Wochen keinen Löffel warmer
Suppe zu kosten bekommen. Gewiß, es bedürfte nur eines geringen Anlasses, um
unseren weiblichen Patrioten die wärmsten Spenden an Wäsche, Kleidern, Charpie
und andern Utensilien für "unsere" Truppen in der Krim zu entlocken. Die
Wiener Gemüthlichkeit ist dem Verstände der Diplomaten vorangeeilt, die Allianz


Bcschlußcntwurfc zwei Artikel beigefügt, wonach eine wiederholte Einladung an den
kaiserlich russischen Hof, sich zur Annahme der vier Punkte bereit zu erklären, ge¬
richtet werde, und im Fall der Annahme die Mitglieder des Bündnisses vom 20. April
ohne einen vorgängigen gemeinschaftlichen Beschluß weitere Forderungen an Ru߬
land weder stellen noch unterstützen, sich also auch nicht bei deren Ausführung be-
theiligen würden. Oestreich vermag solche Verpflichtungen gegen die Mitglieder des
Bündnisses nicht einzugehen und will, daß diese beiden Artikel aus dem Beschlusse
wegbleiben. Zu einer gemeinsamen wiederholten Einladung an Rußland, die Oest¬
reich nach der kategorischen Ablehnung der vier Punkte und Weigerung Rußlands,
sich in ihre Erörterung einzulassen, nicht für sich an diese Macht richten kann,
würde es sich verstehen, aber vor den Bund könnte diese Angelegenheit nicht eher
gebracht werden, als bis die Regierungen sich vertraulich über Form und Trag¬
weite eines solchen Schrittes zuvor verständigt hätten. Dies sei um so nothwen¬
diger, da Oestreich nur dann bei einem solchen Schritte sich betheiligen könne, wenn
er sehr ernst gemeint ist, und man daher für den Fall der abermaligen Verwer¬
fung der vier Punkte alle Verabredungen treffen müsse und davon selbst die Noth¬
wendigkeit der Ergr eifnng der Offensive nicht ausschließen dürfe. End¬
lich vermag Oestreich nicht zuzugeben, daß ihm nach dem preußischen Entwürfe erst
nach nochmaliger Verwerfung jener Punkte von Seiten Rußlands die Hilfe des
Bundes gegen jeden Augriff aus die östreichischen Truppen in den Fürstenthümern
oder auf östreichisches Gebiet zugesichert werde. In diesem Falle würde es ja in
die Entscheidung Rußlands gelegt werden, ob Oestreich vom Bunde Hilfe zu ge¬
wärtigen habe oder nicht. Es steht nun zu erwarten, welche Entschlüsse Preußen
infolge der östreichischen Einwendungen fassen wird. Zuverlässig aber ist,
daß Oestreich in keinem Falle sich die Rolle der Neutralität, die es
schon so oft zurückgewiesen hat, aufdrängen lassen wird. —


Nacbtraq zu den Wiener Plaudereien.

Gott sei
Dank, wir leben wieder etwas auf. Der Sturm vor Sebastovol am 3. hat die verzwei¬
felten Gemüther ein wenig aufgerichtet und auch die von ungewohnter Mäßigung
geschwächten Leiber können sich nun restauriren, da die Cholera, zwar langsam
aber entschieden, im Abnehmen begriffen ist. Was „unsere" Kämpfe vor Se¬
bastovol betrifft, herrscht hier allgemein die wärmste Theilnahme für „unsere"
tapfern, hartgeprüften Alliirten. Der scharfe Nordwester, der mit stürmischer Ge¬
walt in den ersten Tagen dieser Woche durch unsere Straßen fuhr, hat recht
lebhast die Gedanken „unsern" braven Hochländern und Znaven zugewendet. Wenn
so ein heftiger Windstoß alle Fenster der warmen Familienstube klirren machte,
während eben der Haussohn oder ein guter Freund die neuesten Abendberichte vom
Kriegsschauplatz las, da wurde manches Mutterherz weich und manche Thräne
perlte aus schönen Wiener Augen um „unsere" armen Soldaten, die in dieser
grimmigen Kälte in den Laufgräben liegen und viele Wochen keinen Löffel warmer
Suppe zu kosten bekommen. Gewiß, es bedürfte nur eines geringen Anlasses, um
unseren weiblichen Patrioten die wärmsten Spenden an Wäsche, Kleidern, Charpie
und andern Utensilien für „unsere" Truppen in der Krim zu entlocken. Die
Wiener Gemüthlichkeit ist dem Verstände der Diplomaten vorangeeilt, die Allianz


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[0362] Bcschlußcntwurfc zwei Artikel beigefügt, wonach eine wiederholte Einladung an den kaiserlich russischen Hof, sich zur Annahme der vier Punkte bereit zu erklären, ge¬ richtet werde, und im Fall der Annahme die Mitglieder des Bündnisses vom 20. April ohne einen vorgängigen gemeinschaftlichen Beschluß weitere Forderungen an Ru߬ land weder stellen noch unterstützen, sich also auch nicht bei deren Ausführung be- theiligen würden. Oestreich vermag solche Verpflichtungen gegen die Mitglieder des Bündnisses nicht einzugehen und will, daß diese beiden Artikel aus dem Beschlusse wegbleiben. Zu einer gemeinsamen wiederholten Einladung an Rußland, die Oest¬ reich nach der kategorischen Ablehnung der vier Punkte und Weigerung Rußlands, sich in ihre Erörterung einzulassen, nicht für sich an diese Macht richten kann, würde es sich verstehen, aber vor den Bund könnte diese Angelegenheit nicht eher gebracht werden, als bis die Regierungen sich vertraulich über Form und Trag¬ weite eines solchen Schrittes zuvor verständigt hätten. Dies sei um so nothwen¬ diger, da Oestreich nur dann bei einem solchen Schritte sich betheiligen könne, wenn er sehr ernst gemeint ist, und man daher für den Fall der abermaligen Verwer¬ fung der vier Punkte alle Verabredungen treffen müsse und davon selbst die Noth¬ wendigkeit der Ergr eifnng der Offensive nicht ausschließen dürfe. End¬ lich vermag Oestreich nicht zuzugeben, daß ihm nach dem preußischen Entwürfe erst nach nochmaliger Verwerfung jener Punkte von Seiten Rußlands die Hilfe des Bundes gegen jeden Augriff aus die östreichischen Truppen in den Fürstenthümern oder auf östreichisches Gebiet zugesichert werde. In diesem Falle würde es ja in die Entscheidung Rußlands gelegt werden, ob Oestreich vom Bunde Hilfe zu ge¬ wärtigen habe oder nicht. Es steht nun zu erwarten, welche Entschlüsse Preußen infolge der östreichischen Einwendungen fassen wird. Zuverlässig aber ist, daß Oestreich in keinem Falle sich die Rolle der Neutralität, die es schon so oft zurückgewiesen hat, aufdrängen lassen wird. — Nacbtraq zu den Wiener Plaudereien. Gott sei Dank, wir leben wieder etwas auf. Der Sturm vor Sebastovol am 3. hat die verzwei¬ felten Gemüther ein wenig aufgerichtet und auch die von ungewohnter Mäßigung geschwächten Leiber können sich nun restauriren, da die Cholera, zwar langsam aber entschieden, im Abnehmen begriffen ist. Was „unsere" Kämpfe vor Se¬ bastovol betrifft, herrscht hier allgemein die wärmste Theilnahme für „unsere" tapfern, hartgeprüften Alliirten. Der scharfe Nordwester, der mit stürmischer Ge¬ walt in den ersten Tagen dieser Woche durch unsere Straßen fuhr, hat recht lebhast die Gedanken „unsern" braven Hochländern und Znaven zugewendet. Wenn so ein heftiger Windstoß alle Fenster der warmen Familienstube klirren machte, während eben der Haussohn oder ein guter Freund die neuesten Abendberichte vom Kriegsschauplatz las, da wurde manches Mutterherz weich und manche Thräne perlte aus schönen Wiener Augen um „unsere" armen Soldaten, die in dieser grimmigen Kälte in den Laufgräben liegen und viele Wochen keinen Löffel warmer Suppe zu kosten bekommen. Gewiß, es bedürfte nur eines geringen Anlasses, um unseren weiblichen Patrioten die wärmsten Spenden an Wäsche, Kleidern, Charpie und andern Utensilien für „unsere" Truppen in der Krim zu entlocken. Die Wiener Gemüthlichkeit ist dem Verstände der Diplomaten vorangeeilt, die Allianz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/362>, abgerufen am 28.12.2024.