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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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ihr Bündniß mit Gustav Adoph, wir billigen es auch nach ^unsern heutigen
Ueberzeugungen. Man darf nur unbefangen zusammenstellen, was feit Ende des
17. Jahrhunderts die Protestanten und was die Katholiken in Deutschland geleistet,
um die Männer zu segnen, die durch ihre Empörung den Glaubensdruck
wenigstens von Norddeutschland abgewandt haben. Es ist möglich, daß wir
jetzt ein Einheitsstaat wären, wenn es Wallenstein mit seiner Soldateska ge¬
lungen wäre, den Widerstand der Protestanten zu brechen, und die Jesuiten zu
Führern der deutschen Cultur zu machen. Aber Spanien hat sich ja dieses
Glücks auch erfreut, und sowenig wir mit der deutschen Entwicklung zufrieden sind,
so scheint sie uns doch immer noch den Preis vor der spanischen zu verdienen.
Spanien ist durch die Bigvterie aus den Reihen der Culturvölker herausge¬
treten. Deutschland ist trotz der Verwüstungen des dreißigjährigen Krieges,
trotz der Erschöpfung aller seiner Kräfte durch den Protestantismus in die
Reihe der Culturvölker eingeführt worden. Und dieser Gewinn kommt nicht
nur den deutschen Protestanten, sondern auch den deutschen Katholiken zugute.

Wir halten die leidenschaftliche Erbitterung, mit welcher Herr Hcising die
protestantischen Geschichtschreiber bekämpft, für sehr bedenklich. Es ist noch
nicht lange Zeit her, daß wir eine Analyse von der literarischen Stellung
Gfrörers gaben. Damals suchten wir nachzuweisen, daß keineswegs der re¬
ligiöse Glaube, sondern die politische Doctrin diesen Schriftsteller bestimmt hat¬
ten, in seinem Urtheil sich so entschieden von der öffentlichen Stimmung abzu¬
wenden. Aber es ist ein altes Sprichwort, daß der Teufel, wenn man ihm
einen Finger gibt, bald die ganze Hand nimmt. Kurze Zeit nach unsrem Artikel
kehrte Herr Gfrörer als reuiger Sohn" in den Schoß der alleinseligmachenden
Kirche zurück. Diese Thatsache muß uns darauf aufmerksam machen, daß man
nicht ungestraft unter dem Anschein der Parteilostgteit die eigne Partei ver¬
lästert. --


Die Jugend Caterinas de Medici. Von Alfred von Neumond. Mit
einem Titelbilde. Berlin, Decker.

Herr von Neumond hat uns aus dem Gebiet der, italienischen Geschichte
schon manche beachtenswerthe Monographie gegeben. Das gegenwärtige Werk
schließt sich würdig seinen Vorgängern an. Es beschäftigt sich mit der Jugend¬
zeit einer Frau, die in ihrer Beziehung zu der blutigen Bartholomäusnacht
in der Geschichte einen unheilvollen Namen davongetragen hat. Wenn aber
von ihrem eignen Wesen sich uns in dieser Vorgeschichte wenig enthüllt, so
lernen wir doch aus ver Charakteristik der Umgebungen, unter denen sie auf¬
wuchs, durch die Geschichte der Intriguen, deren Mittelpunkt sie schon in ihrer
frühesten Kindheit war, die sittliche Atmosphäre verstehen, die uns ihre spätere
Handlungsweise zwar nicht entschuldigt, aber doch einigermaßen erklärt. -- In


ihr Bündniß mit Gustav Adoph, wir billigen es auch nach ^unsern heutigen
Ueberzeugungen. Man darf nur unbefangen zusammenstellen, was feit Ende des
17. Jahrhunderts die Protestanten und was die Katholiken in Deutschland geleistet,
um die Männer zu segnen, die durch ihre Empörung den Glaubensdruck
wenigstens von Norddeutschland abgewandt haben. Es ist möglich, daß wir
jetzt ein Einheitsstaat wären, wenn es Wallenstein mit seiner Soldateska ge¬
lungen wäre, den Widerstand der Protestanten zu brechen, und die Jesuiten zu
Führern der deutschen Cultur zu machen. Aber Spanien hat sich ja dieses
Glücks auch erfreut, und sowenig wir mit der deutschen Entwicklung zufrieden sind,
so scheint sie uns doch immer noch den Preis vor der spanischen zu verdienen.
Spanien ist durch die Bigvterie aus den Reihen der Culturvölker herausge¬
treten. Deutschland ist trotz der Verwüstungen des dreißigjährigen Krieges,
trotz der Erschöpfung aller seiner Kräfte durch den Protestantismus in die
Reihe der Culturvölker eingeführt worden. Und dieser Gewinn kommt nicht
nur den deutschen Protestanten, sondern auch den deutschen Katholiken zugute.

Wir halten die leidenschaftliche Erbitterung, mit welcher Herr Hcising die
protestantischen Geschichtschreiber bekämpft, für sehr bedenklich. Es ist noch
nicht lange Zeit her, daß wir eine Analyse von der literarischen Stellung
Gfrörers gaben. Damals suchten wir nachzuweisen, daß keineswegs der re¬
ligiöse Glaube, sondern die politische Doctrin diesen Schriftsteller bestimmt hat¬
ten, in seinem Urtheil sich so entschieden von der öffentlichen Stimmung abzu¬
wenden. Aber es ist ein altes Sprichwort, daß der Teufel, wenn man ihm
einen Finger gibt, bald die ganze Hand nimmt. Kurze Zeit nach unsrem Artikel
kehrte Herr Gfrörer als reuiger Sohn" in den Schoß der alleinseligmachenden
Kirche zurück. Diese Thatsache muß uns darauf aufmerksam machen, daß man
nicht ungestraft unter dem Anschein der Parteilostgteit die eigne Partei ver¬
lästert. —


Die Jugend Caterinas de Medici. Von Alfred von Neumond. Mit
einem Titelbilde. Berlin, Decker.

Herr von Neumond hat uns aus dem Gebiet der, italienischen Geschichte
schon manche beachtenswerthe Monographie gegeben. Das gegenwärtige Werk
schließt sich würdig seinen Vorgängern an. Es beschäftigt sich mit der Jugend¬
zeit einer Frau, die in ihrer Beziehung zu der blutigen Bartholomäusnacht
in der Geschichte einen unheilvollen Namen davongetragen hat. Wenn aber
von ihrem eignen Wesen sich uns in dieser Vorgeschichte wenig enthüllt, so
lernen wir doch aus ver Charakteristik der Umgebungen, unter denen sie auf¬
wuchs, durch die Geschichte der Intriguen, deren Mittelpunkt sie schon in ihrer
frühesten Kindheit war, die sittliche Atmosphäre verstehen, die uns ihre spätere
Handlungsweise zwar nicht entschuldigt, aber doch einigermaßen erklärt. — In


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[0029] ihr Bündniß mit Gustav Adoph, wir billigen es auch nach ^unsern heutigen Ueberzeugungen. Man darf nur unbefangen zusammenstellen, was feit Ende des 17. Jahrhunderts die Protestanten und was die Katholiken in Deutschland geleistet, um die Männer zu segnen, die durch ihre Empörung den Glaubensdruck wenigstens von Norddeutschland abgewandt haben. Es ist möglich, daß wir jetzt ein Einheitsstaat wären, wenn es Wallenstein mit seiner Soldateska ge¬ lungen wäre, den Widerstand der Protestanten zu brechen, und die Jesuiten zu Führern der deutschen Cultur zu machen. Aber Spanien hat sich ja dieses Glücks auch erfreut, und sowenig wir mit der deutschen Entwicklung zufrieden sind, so scheint sie uns doch immer noch den Preis vor der spanischen zu verdienen. Spanien ist durch die Bigvterie aus den Reihen der Culturvölker herausge¬ treten. Deutschland ist trotz der Verwüstungen des dreißigjährigen Krieges, trotz der Erschöpfung aller seiner Kräfte durch den Protestantismus in die Reihe der Culturvölker eingeführt worden. Und dieser Gewinn kommt nicht nur den deutschen Protestanten, sondern auch den deutschen Katholiken zugute. Wir halten die leidenschaftliche Erbitterung, mit welcher Herr Hcising die protestantischen Geschichtschreiber bekämpft, für sehr bedenklich. Es ist noch nicht lange Zeit her, daß wir eine Analyse von der literarischen Stellung Gfrörers gaben. Damals suchten wir nachzuweisen, daß keineswegs der re¬ ligiöse Glaube, sondern die politische Doctrin diesen Schriftsteller bestimmt hat¬ ten, in seinem Urtheil sich so entschieden von der öffentlichen Stimmung abzu¬ wenden. Aber es ist ein altes Sprichwort, daß der Teufel, wenn man ihm einen Finger gibt, bald die ganze Hand nimmt. Kurze Zeit nach unsrem Artikel kehrte Herr Gfrörer als reuiger Sohn" in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche zurück. Diese Thatsache muß uns darauf aufmerksam machen, daß man nicht ungestraft unter dem Anschein der Parteilostgteit die eigne Partei ver¬ lästert. — Die Jugend Caterinas de Medici. Von Alfred von Neumond. Mit einem Titelbilde. Berlin, Decker. Herr von Neumond hat uns aus dem Gebiet der, italienischen Geschichte schon manche beachtenswerthe Monographie gegeben. Das gegenwärtige Werk schließt sich würdig seinen Vorgängern an. Es beschäftigt sich mit der Jugend¬ zeit einer Frau, die in ihrer Beziehung zu der blutigen Bartholomäusnacht in der Geschichte einen unheilvollen Namen davongetragen hat. Wenn aber von ihrem eignen Wesen sich uns in dieser Vorgeschichte wenig enthüllt, so lernen wir doch aus ver Charakteristik der Umgebungen, unter denen sie auf¬ wuchs, durch die Geschichte der Intriguen, deren Mittelpunkt sie schon in ihrer frühesten Kindheit war, die sittliche Atmosphäre verstehen, die uns ihre spätere Handlungsweise zwar nicht entschuldigt, aber doch einigermaßen erklärt. — In

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/29>, abgerufen am 22.07.2024.