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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Von Porträtbüsten in Marmor nenne ich Ihnen eine außerordentlich
schöne Büste Humboldts von Rauch, von geistreichem Ausdruck und Leben
athmend, auch die Büste Leopolds von Buch von Wichmann ist gut,
von vortrefflicher Durchführung, und die Büste eines Knaben von Bläser
hat viel Leben. Dies wäre wol das erwähncnswcrtheste. --

Bei dieser Gelegenheit theile ich Ihnen zugleich mit, daß seit einigen
Wochen die siebente Gruppe auf der Schloßbrücke aufgestellt ist. Ein Jüng¬
ling, von Minerva angeführt, stürzt sich zum Kampf vor, von
Bläser, die im ganzen den Erwartungen entspricht, die man von Bläser hegen
durfte.--Es ist ein Zug kräftig feurigen Lebens in der Gruppe, die außerdem
eine in den Lineen schön zusammengehende Masse bildet. Der Kopf der Mi¬
nerva ist wol ein wenig zu klein; die Behandlung der Gewänder, namentlich
des Obergewandes der Minerva ist etwas unbeholfen und reizlos. Im
ganzen steht die Gruppe den besseren der übrigen, also der von Schievelbein
und A. Wolf würdig szur Seite. Die letzte Gruppe wird wol noch ziemlich
lange aus sich warten lassen, da, wie wir hören, Wredow noch bei dem
Modell, die Arbeit in Marmor noch gar nicht begonnen ist. --




Russische Zustände.
Aus dem Tagebuch eines Jägers. Von Iwan Turghanew. Deutsch
von August Biedere. Berlin, Schindler. ---
Der Revisor. Lustspiel in 3 Acten, nach dem Russischen des Gogol von August
Biedere. Berlin, Trowitzsch u. Sohn. --

Es ist über die Sittlichkeit des russischen Volks von Freunden und Feinden
sehr viel geschrieben worden, und die politische Sympathie oder Antipathie hat
in den meisten Fällen die Augengläser dazu hergegeben. Am natürlichsten
ist es wol, wenn wir die russischen Schriftsteller selbst zu Rathe ziehen, und
zwar vorzugsweise denjenigen Theil der Literatur, der in unbefangenen Ab¬
bildern die Zustände des Volks wiedergibt. Wie es mit der höhern Aristokratie
beschaffen ist, welche die barbarischen Gewohnheiten ihrer Vorfahren mit mo¬
dernsten Byronschen Weltschmerz zu vermählen sucht, haben wir aus den Dich¬
tungen Puschkins entnehmen können. Die vorliegenden beiden Werke sühren
uns in den Kreis der bürgerlichen Gesellschaft ein.

Der "Revisor" ist ein Lustspiel, das, soviel wir wissen, in Rußland ohne
Anstand gegeben und gern gesehen wird. Die darin dargestellten Sitten müssen
also für das russische Publicum nichts Anstößiges haben. D"ö Stück führt
"uns ungefähr in der Weise der Kotzebueschen "Kleinstädter" in das Leben


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Von Porträtbüsten in Marmor nenne ich Ihnen eine außerordentlich
schöne Büste Humboldts von Rauch, von geistreichem Ausdruck und Leben
athmend, auch die Büste Leopolds von Buch von Wichmann ist gut,
von vortrefflicher Durchführung, und die Büste eines Knaben von Bläser
hat viel Leben. Dies wäre wol das erwähncnswcrtheste. —

Bei dieser Gelegenheit theile ich Ihnen zugleich mit, daß seit einigen
Wochen die siebente Gruppe auf der Schloßbrücke aufgestellt ist. Ein Jüng¬
ling, von Minerva angeführt, stürzt sich zum Kampf vor, von
Bläser, die im ganzen den Erwartungen entspricht, die man von Bläser hegen
durfte.--Es ist ein Zug kräftig feurigen Lebens in der Gruppe, die außerdem
eine in den Lineen schön zusammengehende Masse bildet. Der Kopf der Mi¬
nerva ist wol ein wenig zu klein; die Behandlung der Gewänder, namentlich
des Obergewandes der Minerva ist etwas unbeholfen und reizlos. Im
ganzen steht die Gruppe den besseren der übrigen, also der von Schievelbein
und A. Wolf würdig szur Seite. Die letzte Gruppe wird wol noch ziemlich
lange aus sich warten lassen, da, wie wir hören, Wredow noch bei dem
Modell, die Arbeit in Marmor noch gar nicht begonnen ist. —




Russische Zustände.
Aus dem Tagebuch eines Jägers. Von Iwan Turghanew. Deutsch
von August Biedere. Berlin, Schindler. -—
Der Revisor. Lustspiel in 3 Acten, nach dem Russischen des Gogol von August
Biedere. Berlin, Trowitzsch u. Sohn. —

Es ist über die Sittlichkeit des russischen Volks von Freunden und Feinden
sehr viel geschrieben worden, und die politische Sympathie oder Antipathie hat
in den meisten Fällen die Augengläser dazu hergegeben. Am natürlichsten
ist es wol, wenn wir die russischen Schriftsteller selbst zu Rathe ziehen, und
zwar vorzugsweise denjenigen Theil der Literatur, der in unbefangenen Ab¬
bildern die Zustände des Volks wiedergibt. Wie es mit der höhern Aristokratie
beschaffen ist, welche die barbarischen Gewohnheiten ihrer Vorfahren mit mo¬
dernsten Byronschen Weltschmerz zu vermählen sucht, haben wir aus den Dich¬
tungen Puschkins entnehmen können. Die vorliegenden beiden Werke sühren
uns in den Kreis der bürgerlichen Gesellschaft ein.

Der „Revisor" ist ein Lustspiel, das, soviel wir wissen, in Rußland ohne
Anstand gegeben und gern gesehen wird. Die darin dargestellten Sitten müssen
also für das russische Publicum nichts Anstößiges haben. D»ö Stück führt
"uns ungefähr in der Weise der Kotzebueschen „Kleinstädter" in das Leben


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[0219] Von Porträtbüsten in Marmor nenne ich Ihnen eine außerordentlich schöne Büste Humboldts von Rauch, von geistreichem Ausdruck und Leben athmend, auch die Büste Leopolds von Buch von Wichmann ist gut, von vortrefflicher Durchführung, und die Büste eines Knaben von Bläser hat viel Leben. Dies wäre wol das erwähncnswcrtheste. — Bei dieser Gelegenheit theile ich Ihnen zugleich mit, daß seit einigen Wochen die siebente Gruppe auf der Schloßbrücke aufgestellt ist. Ein Jüng¬ ling, von Minerva angeführt, stürzt sich zum Kampf vor, von Bläser, die im ganzen den Erwartungen entspricht, die man von Bläser hegen durfte.--Es ist ein Zug kräftig feurigen Lebens in der Gruppe, die außerdem eine in den Lineen schön zusammengehende Masse bildet. Der Kopf der Mi¬ nerva ist wol ein wenig zu klein; die Behandlung der Gewänder, namentlich des Obergewandes der Minerva ist etwas unbeholfen und reizlos. Im ganzen steht die Gruppe den besseren der übrigen, also der von Schievelbein und A. Wolf würdig szur Seite. Die letzte Gruppe wird wol noch ziemlich lange aus sich warten lassen, da, wie wir hören, Wredow noch bei dem Modell, die Arbeit in Marmor noch gar nicht begonnen ist. — Russische Zustände. Aus dem Tagebuch eines Jägers. Von Iwan Turghanew. Deutsch von August Biedere. Berlin, Schindler. -— Der Revisor. Lustspiel in 3 Acten, nach dem Russischen des Gogol von August Biedere. Berlin, Trowitzsch u. Sohn. — Es ist über die Sittlichkeit des russischen Volks von Freunden und Feinden sehr viel geschrieben worden, und die politische Sympathie oder Antipathie hat in den meisten Fällen die Augengläser dazu hergegeben. Am natürlichsten ist es wol, wenn wir die russischen Schriftsteller selbst zu Rathe ziehen, und zwar vorzugsweise denjenigen Theil der Literatur, der in unbefangenen Ab¬ bildern die Zustände des Volks wiedergibt. Wie es mit der höhern Aristokratie beschaffen ist, welche die barbarischen Gewohnheiten ihrer Vorfahren mit mo¬ dernsten Byronschen Weltschmerz zu vermählen sucht, haben wir aus den Dich¬ tungen Puschkins entnehmen können. Die vorliegenden beiden Werke sühren uns in den Kreis der bürgerlichen Gesellschaft ein. Der „Revisor" ist ein Lustspiel, das, soviel wir wissen, in Rußland ohne Anstand gegeben und gern gesehen wird. Die darin dargestellten Sitten müssen also für das russische Publicum nichts Anstößiges haben. D»ö Stück führt "uns ungefähr in der Weise der Kotzebueschen „Kleinstädter" in das Leben 27*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/219>, abgerufen am 28.12.2024.