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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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bekannte Gesellschaft mit allen Zeichen eines in eifriger Spannung lauschenden
Auditoriums. Endlich zeigt uns das dritte.die Vorbereitung zu einem Schau¬
spiel. Ein Amor, bereits angezogen, in der einen Hand die Maske eines
bärtigen Greises, in der anderen einen Krummstab, hört auf die Worte eines
zweiten, der ihm lebhaft zuspricht. Ein anderer, ebenfalls schon im langen
Gewände, hat sich gesetzt und bindet sich eilig die Schuhe zu; hinter einem
Tisch, auf dem zwei Masken liegen, wird noch Psyche sichtbar.

Das sind recht eigentliche Genrebilder, mitten aus dem unmittelbarsten
Leben der Gegenwart herausgerissen; allein dadurch, daß Amoren und Psychen
handelnd auftreten, kommt ein eigenthümliches Temperament in dieselben,
durch welches sich alte und moderne Kunst bestimmt scheiden.




Oestreich und Preußen.

Aus die östreichische Note, die unsren Patriotismus so lebhaft afficirte,
ist nun auch die preußische Antwort veröffentlicht worden. Wenn das diplo¬
matische Geschäft ein Spiel des Witzes wäre, bei welchem es vorzugsweise
darauf ankäme, dem Gegner durch geistvolle Einfälle zu imponiren und ihn
durch scharfsinnige Combinationen außer Fassung zu setzen, so würde uns diese
Note in hohem Grade befriedigen; denn sie ist in der That mit großer Feinheit
und selbst mit Grazie geschrieben. Auf den ungestümen, herausfordernden Ton
Oestreichs wird mit der höflichen Ironie einer seinen Bildung erwidert und in
der Art und Weise, wie die Gründe für und wider in Reihe und Glied gestellt
werden, verräth sich ohne Zweifel die Metropole der Intelligenz, das Adoptiv-
vaterland der Hegelschen Philosophie.

Wir glauben aber nicht, daß die Entfaltung gebildeter Formen der Haupt¬
zweck der Diplomatie sein kann. Es kommt uns das grade so vor, als wenn
in einem tödtlichen Duell der eine der Kämpfer seinen Gegner und die Zeugen,
die eben einen kräftigen Stoß erwarten, durch ein zierliches Pas überrascht.
Dergleichen wird in der edlen Fechtkunst wol auch eingeübt, aber doch nicht,
um bei dem wirklichen Kampf in Anwendung gebracht zu werden. In Bezie¬
hung auf die Sache selbst, der durch die östreichische Note eine so bestimmte
Richtung gegeben war, sagt die preußische Note nichts; wenn wir nicht etwa
den einen Passus sür eine versteckte Anspielung aus das, was Preußen eigent¬
lich wünscht, halten wollen. Preußen erinnert nämlich Oestreich daran, daß
es bei einer früheren Gelegenheit, welche das Interesse Deutschlands viel leb¬
hafter berührte als die Freiheit der Donauschiffahrt, mit seinen Unternehmun¬
gen sür Deutschland an dem Widerstand des gestimmten Europa, Oestreich mit


bekannte Gesellschaft mit allen Zeichen eines in eifriger Spannung lauschenden
Auditoriums. Endlich zeigt uns das dritte.die Vorbereitung zu einem Schau¬
spiel. Ein Amor, bereits angezogen, in der einen Hand die Maske eines
bärtigen Greises, in der anderen einen Krummstab, hört auf die Worte eines
zweiten, der ihm lebhaft zuspricht. Ein anderer, ebenfalls schon im langen
Gewände, hat sich gesetzt und bindet sich eilig die Schuhe zu; hinter einem
Tisch, auf dem zwei Masken liegen, wird noch Psyche sichtbar.

Das sind recht eigentliche Genrebilder, mitten aus dem unmittelbarsten
Leben der Gegenwart herausgerissen; allein dadurch, daß Amoren und Psychen
handelnd auftreten, kommt ein eigenthümliches Temperament in dieselben,
durch welches sich alte und moderne Kunst bestimmt scheiden.




Oestreich und Preußen.

Aus die östreichische Note, die unsren Patriotismus so lebhaft afficirte,
ist nun auch die preußische Antwort veröffentlicht worden. Wenn das diplo¬
matische Geschäft ein Spiel des Witzes wäre, bei welchem es vorzugsweise
darauf ankäme, dem Gegner durch geistvolle Einfälle zu imponiren und ihn
durch scharfsinnige Combinationen außer Fassung zu setzen, so würde uns diese
Note in hohem Grade befriedigen; denn sie ist in der That mit großer Feinheit
und selbst mit Grazie geschrieben. Auf den ungestümen, herausfordernden Ton
Oestreichs wird mit der höflichen Ironie einer seinen Bildung erwidert und in
der Art und Weise, wie die Gründe für und wider in Reihe und Glied gestellt
werden, verräth sich ohne Zweifel die Metropole der Intelligenz, das Adoptiv-
vaterland der Hegelschen Philosophie.

Wir glauben aber nicht, daß die Entfaltung gebildeter Formen der Haupt¬
zweck der Diplomatie sein kann. Es kommt uns das grade so vor, als wenn
in einem tödtlichen Duell der eine der Kämpfer seinen Gegner und die Zeugen,
die eben einen kräftigen Stoß erwarten, durch ein zierliches Pas überrascht.
Dergleichen wird in der edlen Fechtkunst wol auch eingeübt, aber doch nicht,
um bei dem wirklichen Kampf in Anwendung gebracht zu werden. In Bezie¬
hung auf die Sache selbst, der durch die östreichische Note eine so bestimmte
Richtung gegeben war, sagt die preußische Note nichts; wenn wir nicht etwa
den einen Passus sür eine versteckte Anspielung aus das, was Preußen eigent¬
lich wünscht, halten wollen. Preußen erinnert nämlich Oestreich daran, daß
es bei einer früheren Gelegenheit, welche das Interesse Deutschlands viel leb¬
hafter berührte als die Freiheit der Donauschiffahrt, mit seinen Unternehmun¬
gen sür Deutschland an dem Widerstand des gestimmten Europa, Oestreich mit


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[0192] bekannte Gesellschaft mit allen Zeichen eines in eifriger Spannung lauschenden Auditoriums. Endlich zeigt uns das dritte.die Vorbereitung zu einem Schau¬ spiel. Ein Amor, bereits angezogen, in der einen Hand die Maske eines bärtigen Greises, in der anderen einen Krummstab, hört auf die Worte eines zweiten, der ihm lebhaft zuspricht. Ein anderer, ebenfalls schon im langen Gewände, hat sich gesetzt und bindet sich eilig die Schuhe zu; hinter einem Tisch, auf dem zwei Masken liegen, wird noch Psyche sichtbar. Das sind recht eigentliche Genrebilder, mitten aus dem unmittelbarsten Leben der Gegenwart herausgerissen; allein dadurch, daß Amoren und Psychen handelnd auftreten, kommt ein eigenthümliches Temperament in dieselben, durch welches sich alte und moderne Kunst bestimmt scheiden. Oestreich und Preußen. Aus die östreichische Note, die unsren Patriotismus so lebhaft afficirte, ist nun auch die preußische Antwort veröffentlicht worden. Wenn das diplo¬ matische Geschäft ein Spiel des Witzes wäre, bei welchem es vorzugsweise darauf ankäme, dem Gegner durch geistvolle Einfälle zu imponiren und ihn durch scharfsinnige Combinationen außer Fassung zu setzen, so würde uns diese Note in hohem Grade befriedigen; denn sie ist in der That mit großer Feinheit und selbst mit Grazie geschrieben. Auf den ungestümen, herausfordernden Ton Oestreichs wird mit der höflichen Ironie einer seinen Bildung erwidert und in der Art und Weise, wie die Gründe für und wider in Reihe und Glied gestellt werden, verräth sich ohne Zweifel die Metropole der Intelligenz, das Adoptiv- vaterland der Hegelschen Philosophie. Wir glauben aber nicht, daß die Entfaltung gebildeter Formen der Haupt¬ zweck der Diplomatie sein kann. Es kommt uns das grade so vor, als wenn in einem tödtlichen Duell der eine der Kämpfer seinen Gegner und die Zeugen, die eben einen kräftigen Stoß erwarten, durch ein zierliches Pas überrascht. Dergleichen wird in der edlen Fechtkunst wol auch eingeübt, aber doch nicht, um bei dem wirklichen Kampf in Anwendung gebracht zu werden. In Bezie¬ hung auf die Sache selbst, der durch die östreichische Note eine so bestimmte Richtung gegeben war, sagt die preußische Note nichts; wenn wir nicht etwa den einen Passus sür eine versteckte Anspielung aus das, was Preußen eigent¬ lich wünscht, halten wollen. Preußen erinnert nämlich Oestreich daran, daß es bei einer früheren Gelegenheit, welche das Interesse Deutschlands viel leb¬ hafter berührte als die Freiheit der Donauschiffahrt, mit seinen Unternehmun¬ gen sür Deutschland an dem Widerstand des gestimmten Europa, Oestreich mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/192>, abgerufen am 22.07.2024.