Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.10K Reflexion des Verstandes oder gar als eine romantische Grille schildern wollen. Eine Sommerreise (183i). Die ziemlich ausführliche Novelle, die aber ... Don Quixote, so treu, edel und' herzhaft er ist, nimmt sich etwas vor. das, obgleich Es wird dann die Anwendung auf einen Anwesenden gemacht, der im Ihre aufgeregte Phantasie würdigt die schöne und bildrciche Seite des katholische" Cultus, 10K Reflexion des Verstandes oder gar als eine romantische Grille schildern wollen. Eine Sommerreise (183i). Die ziemlich ausführliche Novelle, die aber ... Don Quixote, so treu, edel und' herzhaft er ist, nimmt sich etwas vor. das, obgleich Es wird dann die Anwendung auf einen Anwesenden gemacht, der im Ihre aufgeregte Phantasie würdigt die schöne und bildrciche Seite des katholische» Cultus, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0114" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98428"/> </div> <div n="1"> <head> 10K</head><lb/> <p xml:id="ID_327" prev="#ID_326"> Reflexion des Verstandes oder gar als eine romantische Grille schildern wollen.<lb/> Man muß es serner nicht durch Weichmüthigkeit abschwächen, man muß es<lb/> vielmehr den andern historischen Kräften überlassen, die Einseitigkeit zu cor-<lb/> rigiren. — Der Ton der Erzählung ist gut getroffen; die Frauencharakrere sind,<lb/> wie fast immer bei Tieck, verfehlt.</p><lb/> <p xml:id="ID_328"> Eine Sommerreise (183i). Die ziemlich ausführliche Novelle, die aber<lb/> sehr nachlässig componirt ist, enthält vorzugsweise literarische Reminiscenzen<lb/> aus der Periode von 1803, die uns sehr interessant sein würden, wenn Tieck<lb/> nicht fortwährend Wahrheit und Dichtung vermischt hätte. ' Einzelne Bemer¬<lb/> kungen sind für die Charakteristik des romantischen Princips sehr wichtig.<lb/> Wir heben die eine derselben hervor, welche sich aus das Verhältniß des künst¬<lb/> lerischen Idealismus zu den realen Ueberzeugungen des Dichters bezieht.</p><lb/> <p xml:id="ID_329"> ... Don Quixote, so treu, edel und' herzhaft er ist, nimmt sich etwas vor. das, obgleich<lb/> es schön und herrlich ist, er auszuführen keine Mittel besitzt.... Die Phantasie des ebenso<lb/> braven als poetischen Manchancrs ist dnrch jene Bücher verschoben, die schon längst der Poesie<lb/> ebensosehr wie der Wahrheit abgesagt hatten. Das, was noch in ihnen poetisch war, oder<lb/> jenes Phantastische, was das Unmögliche erstrebte, sowie die schönen Sitten der Ritterzeit,'<lb/> alles dies durfte der ehrsame Herr Quixote wol in einem seinen Sinne bewahren, ja sich zu<lb/> jener adligen Tugend seines eingebildeten Ritters hinancrzichen, wenn er nicht darauf aus¬<lb/> gegangen wäre, diese Fabelwelt in der wirklichen aufzusuchen und in diesem von Mond und<lb/> Sonne zugleich beschienenen Gemälde den Mittelpunkt und die Hauptfigur selbst zu formtreu.<lb/> Er. war aber im Recht, wenn er, manchen seiner Zeitgenossen entgegen, die Lichtseite und die<lb/> Poesie jener entschwundenen Zeit und Sitte würdigte, wenn er sich selbst als Dichtcrsteund<lb/> an dem ganz Thörichten und Phantastischen seiner Bücher ergötzte/ Nun aber zog er aus,<lb/> alles das, was ihm begeisternd vorschwebte, selbst zu erleben; jeues unsichtbare Wunder, welches<lb/> ihn reizte, wollte er mit seinen körperlichen Händen erfassen und als einen Besitz sich an¬<lb/> eignen ----</p><lb/> <p xml:id="ID_330"> Es wird dann die Anwendung auf einen Anwesenden gemacht, der im<lb/> Begriff ist, katholisch zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_331" next="#ID_332"> Ihre aufgeregte Phantasie würdigt die schöne und bildrciche Seite des katholische» Cultus,<lb/> Sie sind in unsern späten Tagen von jener Rührung durchdrungen, die einst kräftige Jahr¬<lb/> hunderte begeisterten. Seit kurzem ist ein religiöser Sinn bei jungen Gemüther» in Deutsch¬<lb/> land wieder erwacht, Novalis und dessen Freunde sprechen , reine» und dichten, um das ver¬<lb/> kannte Heilige in seine Rechte wiedereinzusetzen; aber diese Anerkennung, diese süße Poesie<lb/> des stillen Gemüthes in der Wirklichkeit suchen oder erschaffe» wolle», scheint mir ganz der¬<lb/> selbe Mißverstand zu sein, den wir oben charakterisier haben... In einem Gebirgslande verirrt<lb/> sich ein Jüngling, der ganz in der zweifelnden Aufgeklärtheit seiner Zeit erzogen, aber dabei<lb/> schwärmerisch verliebt ist, in der Einsamkeit des Waldgebirges. Unvermnthet trifft er auf einen<lb/> Einsiedler . . . Ueber den Beruf der Einsiedler, über die Wunder der Kirche, über die Legende<lb/> und alles, was sich in diesem Kreise bewegt, verwundert sich der Jüngling und kann es nicht<lb/> unterlassen, auf seine Weise zu spotten . .„Wie? ruft der Greis, du bist in Liebe entzündet<lb/> und kannst doch kein Wunder fasse»? Ist die Blume, welche dein Mädchen berührt, die<lb/> Locke, die sie dir geschenkt hat, nicht Reliquie? empfindest, siehst d» an ihnen nicht Licht und-<lb/> Weihe, die kein andrer Gegenstand dir bietet? . . und doch verkennst du i» der Geschichte der<lb/> Vorzeit den Ausdruck dieser Liebe, in den seltsamen Entzückungen begeisterter Gemüther, blos<lb/> weil sie diese Sehnsucht und Herzenstrnukcuhcit nicht ans ein Weib' hingelenkt haben?" —<lb/> Der Jüngling wird nachdenkend und besucht den Alten nun, so oft er die Stunde erübrigen<lb/> kann. In diesen Zeiträumen erzählt ihm der Greis jene wundersamen Legenden von Einsied-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0114]
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Reflexion des Verstandes oder gar als eine romantische Grille schildern wollen.
Man muß es serner nicht durch Weichmüthigkeit abschwächen, man muß es
vielmehr den andern historischen Kräften überlassen, die Einseitigkeit zu cor-
rigiren. — Der Ton der Erzählung ist gut getroffen; die Frauencharakrere sind,
wie fast immer bei Tieck, verfehlt.
Eine Sommerreise (183i). Die ziemlich ausführliche Novelle, die aber
sehr nachlässig componirt ist, enthält vorzugsweise literarische Reminiscenzen
aus der Periode von 1803, die uns sehr interessant sein würden, wenn Tieck
nicht fortwährend Wahrheit und Dichtung vermischt hätte. ' Einzelne Bemer¬
kungen sind für die Charakteristik des romantischen Princips sehr wichtig.
Wir heben die eine derselben hervor, welche sich aus das Verhältniß des künst¬
lerischen Idealismus zu den realen Ueberzeugungen des Dichters bezieht.
... Don Quixote, so treu, edel und' herzhaft er ist, nimmt sich etwas vor. das, obgleich
es schön und herrlich ist, er auszuführen keine Mittel besitzt.... Die Phantasie des ebenso
braven als poetischen Manchancrs ist dnrch jene Bücher verschoben, die schon längst der Poesie
ebensosehr wie der Wahrheit abgesagt hatten. Das, was noch in ihnen poetisch war, oder
jenes Phantastische, was das Unmögliche erstrebte, sowie die schönen Sitten der Ritterzeit,'
alles dies durfte der ehrsame Herr Quixote wol in einem seinen Sinne bewahren, ja sich zu
jener adligen Tugend seines eingebildeten Ritters hinancrzichen, wenn er nicht darauf aus¬
gegangen wäre, diese Fabelwelt in der wirklichen aufzusuchen und in diesem von Mond und
Sonne zugleich beschienenen Gemälde den Mittelpunkt und die Hauptfigur selbst zu formtreu.
Er. war aber im Recht, wenn er, manchen seiner Zeitgenossen entgegen, die Lichtseite und die
Poesie jener entschwundenen Zeit und Sitte würdigte, wenn er sich selbst als Dichtcrsteund
an dem ganz Thörichten und Phantastischen seiner Bücher ergötzte/ Nun aber zog er aus,
alles das, was ihm begeisternd vorschwebte, selbst zu erleben; jeues unsichtbare Wunder, welches
ihn reizte, wollte er mit seinen körperlichen Händen erfassen und als einen Besitz sich an¬
eignen ----
Es wird dann die Anwendung auf einen Anwesenden gemacht, der im
Begriff ist, katholisch zu werden.
Ihre aufgeregte Phantasie würdigt die schöne und bildrciche Seite des katholische» Cultus,
Sie sind in unsern späten Tagen von jener Rührung durchdrungen, die einst kräftige Jahr¬
hunderte begeisterten. Seit kurzem ist ein religiöser Sinn bei jungen Gemüther» in Deutsch¬
land wieder erwacht, Novalis und dessen Freunde sprechen , reine» und dichten, um das ver¬
kannte Heilige in seine Rechte wiedereinzusetzen; aber diese Anerkennung, diese süße Poesie
des stillen Gemüthes in der Wirklichkeit suchen oder erschaffe» wolle», scheint mir ganz der¬
selbe Mißverstand zu sein, den wir oben charakterisier haben... In einem Gebirgslande verirrt
sich ein Jüngling, der ganz in der zweifelnden Aufgeklärtheit seiner Zeit erzogen, aber dabei
schwärmerisch verliebt ist, in der Einsamkeit des Waldgebirges. Unvermnthet trifft er auf einen
Einsiedler . . . Ueber den Beruf der Einsiedler, über die Wunder der Kirche, über die Legende
und alles, was sich in diesem Kreise bewegt, verwundert sich der Jüngling und kann es nicht
unterlassen, auf seine Weise zu spotten . .„Wie? ruft der Greis, du bist in Liebe entzündet
und kannst doch kein Wunder fasse»? Ist die Blume, welche dein Mädchen berührt, die
Locke, die sie dir geschenkt hat, nicht Reliquie? empfindest, siehst d» an ihnen nicht Licht und-
Weihe, die kein andrer Gegenstand dir bietet? . . und doch verkennst du i» der Geschichte der
Vorzeit den Ausdruck dieser Liebe, in den seltsamen Entzückungen begeisterter Gemüther, blos
weil sie diese Sehnsucht und Herzenstrnukcuhcit nicht ans ein Weib' hingelenkt haben?" —
Der Jüngling wird nachdenkend und besucht den Alten nun, so oft er die Stunde erübrigen
kann. In diesen Zeiträumen erzählt ihm der Greis jene wundersamen Legenden von Einsied-
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