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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Reisebilder.
Aus den Pyrenäen. Von Claire v. Glümer. 2 Bde. Dessau, Katz. --

Das kleine Buch hat einen sehr wohlthuenden Eindruck auf uns gemacht.
Einerseits die Treue und Correctheit der Beobachtung, die sich jeder vorgefaßten
Meinung enthält und mit klaren, gesunden Augen die Dinge anschaut; andrer¬
seits die Wärme und Innigkeit der Empfindung, die man in vielen Fällen
poetisch nennen kann, verleihen diesen Bildern einen Reiz, den wir in ähnlichen
Versuchen selten antreffen würden. Die Verfasserin verbindet mit der Anmuth
und Innigkeit, die man wenigstens in prosaischen Werken nur bei Frauen
findet,' weil die Männer nicht so daran gewöhnt sind, aus sich selbst heraus¬
zugehen, eine Bildung und eine Besonnenheit, die einem Mann Ehre machen
würde. Jemehr unser Büchermarkt vor? Versuchen ähnlicher Art, die keinen
Werth haben, überschwemmt wird, umsomehr halten wir es für unsre Pflicht,
aus diese ungewöhnlich liebenswürdige Erscheinung aufmerksam zu machen. --


Christen und Türken. Ein Skizzenbuch von der save bis zum Eisernen Thor.
Von "Siegfried Kap per. Zwei Theile. Leipzig, Brockhaus. --

Das Buch ist gewissermaßen die Fortsetzung der südslawischen Bilder von
demselben Verfasser, die einen verdienten Beifall gefunden haben. Im gegen¬
wärtigen Augenblick, wo die Länder, die er bereist, ein historisches Interesse
gewonnen haben, wird man seinen Wanderungen mit noch größerer Auf¬
merksamkeit folgen. An dem Stil hätten wir manches auszusetzen, er ist häufig
sehr nachlässig und dabei zuweilen gegiert. Auch die politischen Reflerionen
nehmen im Verhältniß zu ihrem wirklichen Inhalt einen viel zu großen Raum
ein. Aber das Auge, mit dem der Verfasser die Mannigfaltigkeit der höchst
..fremdartigen Eindrücke beherrscht, ist scharf und klar, und das plastische Talent,
mit dem er seine Eindrücke verarbeitet, sehr bedeutend. Vielleicht der anziehendste
Theil ist derjenige, welcher uns Mittheilungen aus der serbischen Volkspoesie
und Volksmusik gibt. Es ist daraus zwar schon sehr viel bekannt geworden,
aber der serbische Stamm scheint darin eine ganz unendliche Productivität zu
entwickeln. Wir würden die eine dieser Balladen, die Geschichte von der Rache
des Radul Petrowitzsch hier aufnehmen, wenn sie nicht zu lang wäre. --


Ein So um er in London. Von Theodor Fontane. Dessau, Katz. --

Vielleicht rührt der höchst unangenehme Eindruck, den dieses Buch des
sonst talentvollen Verfassers auf uns gemacht hat, aus der Zusammenstellung
mit dem vorigen her. Von unbefangener Auffassung der Wirklichkeit haben
wir hier keine Spur. Wir befinden uns auf durchaus jungdeutschen Boden,


Reisebilder.
Aus den Pyrenäen. Von Claire v. Glümer. 2 Bde. Dessau, Katz. —

Das kleine Buch hat einen sehr wohlthuenden Eindruck auf uns gemacht.
Einerseits die Treue und Correctheit der Beobachtung, die sich jeder vorgefaßten
Meinung enthält und mit klaren, gesunden Augen die Dinge anschaut; andrer¬
seits die Wärme und Innigkeit der Empfindung, die man in vielen Fällen
poetisch nennen kann, verleihen diesen Bildern einen Reiz, den wir in ähnlichen
Versuchen selten antreffen würden. Die Verfasserin verbindet mit der Anmuth
und Innigkeit, die man wenigstens in prosaischen Werken nur bei Frauen
findet,' weil die Männer nicht so daran gewöhnt sind, aus sich selbst heraus¬
zugehen, eine Bildung und eine Besonnenheit, die einem Mann Ehre machen
würde. Jemehr unser Büchermarkt vor? Versuchen ähnlicher Art, die keinen
Werth haben, überschwemmt wird, umsomehr halten wir es für unsre Pflicht,
aus diese ungewöhnlich liebenswürdige Erscheinung aufmerksam zu machen. —


Christen und Türken. Ein Skizzenbuch von der save bis zum Eisernen Thor.
Von «Siegfried Kap per. Zwei Theile. Leipzig, Brockhaus. —

Das Buch ist gewissermaßen die Fortsetzung der südslawischen Bilder von
demselben Verfasser, die einen verdienten Beifall gefunden haben. Im gegen¬
wärtigen Augenblick, wo die Länder, die er bereist, ein historisches Interesse
gewonnen haben, wird man seinen Wanderungen mit noch größerer Auf¬
merksamkeit folgen. An dem Stil hätten wir manches auszusetzen, er ist häufig
sehr nachlässig und dabei zuweilen gegiert. Auch die politischen Reflerionen
nehmen im Verhältniß zu ihrem wirklichen Inhalt einen viel zu großen Raum
ein. Aber das Auge, mit dem der Verfasser die Mannigfaltigkeit der höchst
..fremdartigen Eindrücke beherrscht, ist scharf und klar, und das plastische Talent,
mit dem er seine Eindrücke verarbeitet, sehr bedeutend. Vielleicht der anziehendste
Theil ist derjenige, welcher uns Mittheilungen aus der serbischen Volkspoesie
und Volksmusik gibt. Es ist daraus zwar schon sehr viel bekannt geworden,
aber der serbische Stamm scheint darin eine ganz unendliche Productivität zu
entwickeln. Wir würden die eine dieser Balladen, die Geschichte von der Rache
des Radul Petrowitzsch hier aufnehmen, wenn sie nicht zu lang wäre. —


Ein So um er in London. Von Theodor Fontane. Dessau, Katz. —

Vielleicht rührt der höchst unangenehme Eindruck, den dieses Buch des
sonst talentvollen Verfassers auf uns gemacht hat, aus der Zusammenstellung
mit dem vorigen her. Von unbefangener Auffassung der Wirklichkeit haben
wir hier keine Spur. Wir befinden uns auf durchaus jungdeutschen Boden,


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[0101] Reisebilder. Aus den Pyrenäen. Von Claire v. Glümer. 2 Bde. Dessau, Katz. — Das kleine Buch hat einen sehr wohlthuenden Eindruck auf uns gemacht. Einerseits die Treue und Correctheit der Beobachtung, die sich jeder vorgefaßten Meinung enthält und mit klaren, gesunden Augen die Dinge anschaut; andrer¬ seits die Wärme und Innigkeit der Empfindung, die man in vielen Fällen poetisch nennen kann, verleihen diesen Bildern einen Reiz, den wir in ähnlichen Versuchen selten antreffen würden. Die Verfasserin verbindet mit der Anmuth und Innigkeit, die man wenigstens in prosaischen Werken nur bei Frauen findet,' weil die Männer nicht so daran gewöhnt sind, aus sich selbst heraus¬ zugehen, eine Bildung und eine Besonnenheit, die einem Mann Ehre machen würde. Jemehr unser Büchermarkt vor? Versuchen ähnlicher Art, die keinen Werth haben, überschwemmt wird, umsomehr halten wir es für unsre Pflicht, aus diese ungewöhnlich liebenswürdige Erscheinung aufmerksam zu machen. — Christen und Türken. Ein Skizzenbuch von der save bis zum Eisernen Thor. Von «Siegfried Kap per. Zwei Theile. Leipzig, Brockhaus. — Das Buch ist gewissermaßen die Fortsetzung der südslawischen Bilder von demselben Verfasser, die einen verdienten Beifall gefunden haben. Im gegen¬ wärtigen Augenblick, wo die Länder, die er bereist, ein historisches Interesse gewonnen haben, wird man seinen Wanderungen mit noch größerer Auf¬ merksamkeit folgen. An dem Stil hätten wir manches auszusetzen, er ist häufig sehr nachlässig und dabei zuweilen gegiert. Auch die politischen Reflerionen nehmen im Verhältniß zu ihrem wirklichen Inhalt einen viel zu großen Raum ein. Aber das Auge, mit dem der Verfasser die Mannigfaltigkeit der höchst ..fremdartigen Eindrücke beherrscht, ist scharf und klar, und das plastische Talent, mit dem er seine Eindrücke verarbeitet, sehr bedeutend. Vielleicht der anziehendste Theil ist derjenige, welcher uns Mittheilungen aus der serbischen Volkspoesie und Volksmusik gibt. Es ist daraus zwar schon sehr viel bekannt geworden, aber der serbische Stamm scheint darin eine ganz unendliche Productivität zu entwickeln. Wir würden die eine dieser Balladen, die Geschichte von der Rache des Radul Petrowitzsch hier aufnehmen, wenn sie nicht zu lang wäre. — Ein So um er in London. Von Theodor Fontane. Dessau, Katz. — Vielleicht rührt der höchst unangenehme Eindruck, den dieses Buch des sonst talentvollen Verfassers auf uns gemacht hat, aus der Zusammenstellung mit dem vorigen her. Von unbefangener Auffassung der Wirklichkeit haben wir hier keine Spur. Wir befinden uns auf durchaus jungdeutschen Boden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/101>, abgerufen am 28.12.2024.