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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Sire ist, und der türkischen Aussprache nicht entspricht). Alles in allem mochten
an fünfzig höhere Offiziere sich im Gefolge befinden, unter ihnen auch der
englische, nunmehr zum General avancirte frühere Colonel Rose (einst Ge¬
schäftsträger in Stambul).

Da die Fronte ziemlich ausgedehnt war, dauerte der Jnspectionsritt ihr
entlang mindestens eine Viertelstunde. Man hatte erwartet, daß der Sultan
demnächst auf dem Divan in dem für ihn hergerichteten Zelte Platz nehmen
und den Vorbeimarsch von hier aus abnehmen werde, indeß blieb er, wol
nicht ohne sich vorher nach dem europäischen Gebrauch bei derlei Fällen er¬
kundigt zu haben, im Sattel.

Ich hatte nicht Ausdauer genug, das Defiliren der ganzen Truppenmasfe
abzuwarten. Die Hitze war enorm, und da ich einen weiten Rückweg vor mir
hatte, so verließ ich den Schauplatz, als eben die vier türkischen Bataillone
und ihre drei Batterien, welche das Ganze schlössen, vortraten. Alles in allem
waren 10,000 Mann zur Stelle gewesen; nämlich etwa 6500 Mann
Franzosen und 3S00 Türken. Wie ich höre werden die ersteren nunmehr
ehestens per Dampfer nach Varna transportirt werden, um hinter der Ihnen
bekannten Linie des Dewnosees Stellung zu nehmen.

Um nach Hause zu gelangen, schlug ich diesmal einen andern Weg ein.
Ich ging nämlich über Ejub und schiffte mich dort auf einem Kalk nach Dolma-
Bagdscha ein. Diese Fahrt führt den ganzen Hafen und den von der Stadt
begrenzten Theil des Bosporus entlang und ist unvergleichlich schön. Leider
fehlt mir die Muße, um sie hier zu beschreiben. Ich gedenke aber baldigst,
bei einer andern Gelegenheit, Ihnen das zauberische Bild der von-Ejub
aus gesehenen Stadtfronte mit der Serailspitze im Hintergrunde vorzu¬
führen.




Aus Konstantinopel.

Ziemlich gleichzeitig mit dem Tage, für welchen der Kalender den Anfang
des Sommers bezeichnet, hat sich hier die enorme Hitze eingestellt, die den
Ausenthalt in Stambul und seinen Vorstädten während dieser Jahreszeit unan¬
genehm, ich möchte sagen unerträglich macht. Der Himmel ist azurblau und
von keinem Wölkchen beschattet, um volle zehn Grade höher wie bei uns in
Deutschland erhebt sich um Mittag die Sonne, alle Schatten sind nach und nach
kürzer geworden und haben nunmehr ihre kleinste Dimension erreicht, das Pfla-


Sire ist, und der türkischen Aussprache nicht entspricht). Alles in allem mochten
an fünfzig höhere Offiziere sich im Gefolge befinden, unter ihnen auch der
englische, nunmehr zum General avancirte frühere Colonel Rose (einst Ge¬
schäftsträger in Stambul).

Da die Fronte ziemlich ausgedehnt war, dauerte der Jnspectionsritt ihr
entlang mindestens eine Viertelstunde. Man hatte erwartet, daß der Sultan
demnächst auf dem Divan in dem für ihn hergerichteten Zelte Platz nehmen
und den Vorbeimarsch von hier aus abnehmen werde, indeß blieb er, wol
nicht ohne sich vorher nach dem europäischen Gebrauch bei derlei Fällen er¬
kundigt zu haben, im Sattel.

Ich hatte nicht Ausdauer genug, das Defiliren der ganzen Truppenmasfe
abzuwarten. Die Hitze war enorm, und da ich einen weiten Rückweg vor mir
hatte, so verließ ich den Schauplatz, als eben die vier türkischen Bataillone
und ihre drei Batterien, welche das Ganze schlössen, vortraten. Alles in allem
waren 10,000 Mann zur Stelle gewesen; nämlich etwa 6500 Mann
Franzosen und 3S00 Türken. Wie ich höre werden die ersteren nunmehr
ehestens per Dampfer nach Varna transportirt werden, um hinter der Ihnen
bekannten Linie des Dewnosees Stellung zu nehmen.

Um nach Hause zu gelangen, schlug ich diesmal einen andern Weg ein.
Ich ging nämlich über Ejub und schiffte mich dort auf einem Kalk nach Dolma-
Bagdscha ein. Diese Fahrt führt den ganzen Hafen und den von der Stadt
begrenzten Theil des Bosporus entlang und ist unvergleichlich schön. Leider
fehlt mir die Muße, um sie hier zu beschreiben. Ich gedenke aber baldigst,
bei einer andern Gelegenheit, Ihnen das zauberische Bild der von-Ejub
aus gesehenen Stadtfronte mit der Serailspitze im Hintergrunde vorzu¬
führen.




Aus Konstantinopel.

Ziemlich gleichzeitig mit dem Tage, für welchen der Kalender den Anfang
des Sommers bezeichnet, hat sich hier die enorme Hitze eingestellt, die den
Ausenthalt in Stambul und seinen Vorstädten während dieser Jahreszeit unan¬
genehm, ich möchte sagen unerträglich macht. Der Himmel ist azurblau und
von keinem Wölkchen beschattet, um volle zehn Grade höher wie bei uns in
Deutschland erhebt sich um Mittag die Sonne, alle Schatten sind nach und nach
kürzer geworden und haben nunmehr ihre kleinste Dimension erreicht, das Pfla-


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[0071] Sire ist, und der türkischen Aussprache nicht entspricht). Alles in allem mochten an fünfzig höhere Offiziere sich im Gefolge befinden, unter ihnen auch der englische, nunmehr zum General avancirte frühere Colonel Rose (einst Ge¬ schäftsträger in Stambul). Da die Fronte ziemlich ausgedehnt war, dauerte der Jnspectionsritt ihr entlang mindestens eine Viertelstunde. Man hatte erwartet, daß der Sultan demnächst auf dem Divan in dem für ihn hergerichteten Zelte Platz nehmen und den Vorbeimarsch von hier aus abnehmen werde, indeß blieb er, wol nicht ohne sich vorher nach dem europäischen Gebrauch bei derlei Fällen er¬ kundigt zu haben, im Sattel. Ich hatte nicht Ausdauer genug, das Defiliren der ganzen Truppenmasfe abzuwarten. Die Hitze war enorm, und da ich einen weiten Rückweg vor mir hatte, so verließ ich den Schauplatz, als eben die vier türkischen Bataillone und ihre drei Batterien, welche das Ganze schlössen, vortraten. Alles in allem waren 10,000 Mann zur Stelle gewesen; nämlich etwa 6500 Mann Franzosen und 3S00 Türken. Wie ich höre werden die ersteren nunmehr ehestens per Dampfer nach Varna transportirt werden, um hinter der Ihnen bekannten Linie des Dewnosees Stellung zu nehmen. Um nach Hause zu gelangen, schlug ich diesmal einen andern Weg ein. Ich ging nämlich über Ejub und schiffte mich dort auf einem Kalk nach Dolma- Bagdscha ein. Diese Fahrt führt den ganzen Hafen und den von der Stadt begrenzten Theil des Bosporus entlang und ist unvergleichlich schön. Leider fehlt mir die Muße, um sie hier zu beschreiben. Ich gedenke aber baldigst, bei einer andern Gelegenheit, Ihnen das zauberische Bild der von-Ejub aus gesehenen Stadtfronte mit der Serailspitze im Hintergrunde vorzu¬ führen. Aus Konstantinopel. Ziemlich gleichzeitig mit dem Tage, für welchen der Kalender den Anfang des Sommers bezeichnet, hat sich hier die enorme Hitze eingestellt, die den Ausenthalt in Stambul und seinen Vorstädten während dieser Jahreszeit unan¬ genehm, ich möchte sagen unerträglich macht. Der Himmel ist azurblau und von keinem Wölkchen beschattet, um volle zehn Grade höher wie bei uns in Deutschland erhebt sich um Mittag die Sonne, alle Schatten sind nach und nach kürzer geworden und haben nunmehr ihre kleinste Dimension erreicht, das Pfla-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/71>, abgerufen am 27.07.2024.