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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Zwar lassen sie es sich außerordentliche Summen kosten, aber wenn die Ostsce-
erpedition, nachdem sie Bomarsunv zerstört, ruhig nach Hause zurückkehrt, so
stehen doch wol die Mittel zum Zweck in keinem Verhältniß. Wir von unsrer
Seite werden fortfahren, die Erhebung Deutschlands gegen Nußland ganz
unabhängig von den orientalischen Angelegenheiten als eine Sache der Noth¬
wendigkeit darzustellen. Aber wenn die Engländer und Franzosen in uns
dringen wollen, so müssen sie vorher ihre eignen Regierungen auffordern, dem
Kriege eine ernstere Wendung zu geben. Solange es sich zwischen den West¬
mächten und Nußland nur um Demo"stratio"nen handelt, werden die deutschen
Regierungen sür ihr Zögern immer den Grund anführen können, daß man
unnütze Ausgaben vermeiden muß.




Ein Blatt aus der spanischen Revolutionsgeschichte.

Seit länger alö einem Jahre hat eine Reihe von spanischen Ministerien
versucht, den absolutistischen Willen einer höfischen Camarilla gegen eine ent¬
schiedene, aber in streng gesetzlichen Formen auftretende Opposition durchzu-
setzen, und wurde dadurch in die unangenehme Lage versetzt, die Angriffs-
mittel in dem Maße zu steigern, als die Opposition im Lande selbst immer mehr
an Boden gewann. Den letzten Versuch mit Hilfe der Cortes'zu seinem Ziele
zu gelangen, machte im December des vergangenen Jahres das Ministerium
San Luis; als es aber bereits in einer der ersten Sitzungen des Senats eine
entscheidende Niederlage erlitt, löste es die Cortes auf, und entschloß sich,
andern Mitteln zu greifen. Die Moderadoö, die von jeher einen äußerst ver¬
dünnten Constitutionalismus vertreten, die lange Zeit die sichersten Stützen der
Regierung gegen die liberalere Partei der Progrcssisten gewesen waren, waren
die standhaftesten Gegner des Ministeriums geworden, und unter ihren vor¬
nehmsten Mitgliedern zählte man mehre Generale, welche großen Einfluß auf
die Armee hatten. Dieser militärischen Chefs sich zu entledigen, war die erste
Sorge des Ministeriums. Narvaez, der energische Führer der moderatistischen
Opposition, in hohem Ansehen durch die großen Dienste, die er der Königs
geleistet, war längst beseitigt. Um der Armee ganz sicher zu sein, erhielten
nun auch die Generale ODonnell und Manuel Concha Befehl, sich mich den
canarischen, Jose Concha und Infante sich nach den balearischen Inseln ^
begeben. Manuel Concha und Infante gehorchten, Jose Concha zog es vor,
sich nach Frankreich zu begeben, ODonnell verschwand. Letzterer ist von die¬
sen Generalen der bedeutendste. Aus einer Ferdinand VIl. und sogar de>"
absolutistischen Königthum sehr ergebenen Familie entsprossen, war er durch


Zwar lassen sie es sich außerordentliche Summen kosten, aber wenn die Ostsce-
erpedition, nachdem sie Bomarsunv zerstört, ruhig nach Hause zurückkehrt, so
stehen doch wol die Mittel zum Zweck in keinem Verhältniß. Wir von unsrer
Seite werden fortfahren, die Erhebung Deutschlands gegen Nußland ganz
unabhängig von den orientalischen Angelegenheiten als eine Sache der Noth¬
wendigkeit darzustellen. Aber wenn die Engländer und Franzosen in uns
dringen wollen, so müssen sie vorher ihre eignen Regierungen auffordern, dem
Kriege eine ernstere Wendung zu geben. Solange es sich zwischen den West¬
mächten und Nußland nur um Demo»stratio«nen handelt, werden die deutschen
Regierungen sür ihr Zögern immer den Grund anführen können, daß man
unnütze Ausgaben vermeiden muß.




Ein Blatt aus der spanischen Revolutionsgeschichte.

Seit länger alö einem Jahre hat eine Reihe von spanischen Ministerien
versucht, den absolutistischen Willen einer höfischen Camarilla gegen eine ent¬
schiedene, aber in streng gesetzlichen Formen auftretende Opposition durchzu-
setzen, und wurde dadurch in die unangenehme Lage versetzt, die Angriffs-
mittel in dem Maße zu steigern, als die Opposition im Lande selbst immer mehr
an Boden gewann. Den letzten Versuch mit Hilfe der Cortes'zu seinem Ziele
zu gelangen, machte im December des vergangenen Jahres das Ministerium
San Luis; als es aber bereits in einer der ersten Sitzungen des Senats eine
entscheidende Niederlage erlitt, löste es die Cortes auf, und entschloß sich,
andern Mitteln zu greifen. Die Moderadoö, die von jeher einen äußerst ver¬
dünnten Constitutionalismus vertreten, die lange Zeit die sichersten Stützen der
Regierung gegen die liberalere Partei der Progrcssisten gewesen waren, waren
die standhaftesten Gegner des Ministeriums geworden, und unter ihren vor¬
nehmsten Mitgliedern zählte man mehre Generale, welche großen Einfluß auf
die Armee hatten. Dieser militärischen Chefs sich zu entledigen, war die erste
Sorge des Ministeriums. Narvaez, der energische Führer der moderatistischen
Opposition, in hohem Ansehen durch die großen Dienste, die er der Königs
geleistet, war längst beseitigt. Um der Armee ganz sicher zu sein, erhielten
nun auch die Generale ODonnell und Manuel Concha Befehl, sich mich den
canarischen, Jose Concha und Infante sich nach den balearischen Inseln ^
begeben. Manuel Concha und Infante gehorchten, Jose Concha zog es vor,
sich nach Frankreich zu begeben, ODonnell verschwand. Letzterer ist von die¬
sen Generalen der bedeutendste. Aus einer Ferdinand VIl. und sogar de>»
absolutistischen Königthum sehr ergebenen Familie entsprossen, war er durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/468>, abgerufen am 27.07.2024.