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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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gründete auch eine Ungleichheit des Rechts, und die gleichzeitig eindringende
griechische Bildung verwirrte vollends die angestammten sittlichen Begriffe,
Daher lag in der gewaltigen Erweiterung des römischen Reichs zugleich der
Keim des innern Verfalls; und das fühlte die altrömische Partei sehr wohl.
Ganz im Gegentheil gegen die bisherige Voraussetzung, daß Rom aus uner¬
sättlichen Ehrgeiz immer neue Kriege hervorgerufen, daß die Idee, die Welt
zu unterwerfen, schon in den Anfängen seines Staatslebens begründet gewesen
sei, stellt sich vielmehr mit unabweislicher Evidenz heraus, daß die Römer die
Eroberungen außerhalb Italiens solange vermieden, als es irgend möglich
war und daß nur der Drang der Nothwendigkeit sie in immer neue Verwi¬
ckelungen trieb, grade wie die Engländer in Ostindien. --
' Wir können von diesem Werke, dessen Bedeutung wir nur angestreift
haben, nicht scheiden, ohne unsre Freude darüber auszusprechen, daß sich in
unsrer Literatur doch immer noch Erscheinungen vorfinden, aus denen sich die
ungeschwächte Kraft des deutschen Geistes, seiner Productivität und seines ge¬
sunden Menschenverstandes ergibt. Wir gehen um so lieber auf die,Erschei¬
nungen der wissenschaftlichen Literatur ein, da das, was sich in den letzten Jahren
Poesie oder auch Philosophie nennt, nicht grade geeignet ist, uns über unsre
Zukunft tröstliche Versicherungen zu geben. --


Geschichte Roms. In drei Bänden. Vom Director Carl Peter. Halle,
Waisenhaus. 1. Bd. Bis zu den Gracchen.. 2. Bd. Bis zur Schlacht
bei Antium. -- ^

Nur mit Widerstreben haben wir uns dazu bestimmt, dieses Buch neben
dem vorhergehenden anzuzeigen; denn die Zusammenstellung mit einer glän¬
zenden Leistung thut einer guten Eintrag. Allein die Gleichartigkeit des Stoffes
und die Gleichzeitigkeit des Erscheinens bedingte doch die gemeinschaftliche Be¬
trachtung. Wir haben , den ersten Band der römischen Geschichte bereits früher
besprochen; wir begnügen uns hier damit, diejenige Seite hervorzuheben, die
diesem Werke eine Berechtigung neben dem vorhergehenden verschafft, insofern
es eine Ergänzung desselben bildet. Obgleich Mommsenö Schreibart so lebhaft,
und die Gedanken, die er anwendet, so allgemein giltig sind, daß seine Schrift
auch diejenigen fesseln wird, die sich früher mit der römischen Geschichte nicht
mehr beschäftigt haben, als auf den Schulen zu geschehen pflegt, so wird sein
wahrer Gehalt doch nur von denjenigen erkannt werden, die sich wenigstens
ungefähr mit den früheren Forschungen bekannt gemacht haben. Seine Ge¬
schichte ist die Anbahnung einer neuen Phase der Wissenschaft, das Werk des
Herrn Peter kann man gewissermaßen als Abschluß des bisherigen Stand-
Punktes betrachten. Er erzählt die römische Geschichte in der bisherigen Weise
nach der früher beliebten chronologischen Ordnung, nur daß er jedesmal darauf


gründete auch eine Ungleichheit des Rechts, und die gleichzeitig eindringende
griechische Bildung verwirrte vollends die angestammten sittlichen Begriffe,
Daher lag in der gewaltigen Erweiterung des römischen Reichs zugleich der
Keim des innern Verfalls; und das fühlte die altrömische Partei sehr wohl.
Ganz im Gegentheil gegen die bisherige Voraussetzung, daß Rom aus uner¬
sättlichen Ehrgeiz immer neue Kriege hervorgerufen, daß die Idee, die Welt
zu unterwerfen, schon in den Anfängen seines Staatslebens begründet gewesen
sei, stellt sich vielmehr mit unabweislicher Evidenz heraus, daß die Römer die
Eroberungen außerhalb Italiens solange vermieden, als es irgend möglich
war und daß nur der Drang der Nothwendigkeit sie in immer neue Verwi¬
ckelungen trieb, grade wie die Engländer in Ostindien. —
' Wir können von diesem Werke, dessen Bedeutung wir nur angestreift
haben, nicht scheiden, ohne unsre Freude darüber auszusprechen, daß sich in
unsrer Literatur doch immer noch Erscheinungen vorfinden, aus denen sich die
ungeschwächte Kraft des deutschen Geistes, seiner Productivität und seines ge¬
sunden Menschenverstandes ergibt. Wir gehen um so lieber auf die,Erschei¬
nungen der wissenschaftlichen Literatur ein, da das, was sich in den letzten Jahren
Poesie oder auch Philosophie nennt, nicht grade geeignet ist, uns über unsre
Zukunft tröstliche Versicherungen zu geben. —


Geschichte Roms. In drei Bänden. Vom Director Carl Peter. Halle,
Waisenhaus. 1. Bd. Bis zu den Gracchen.. 2. Bd. Bis zur Schlacht
bei Antium. — ^

Nur mit Widerstreben haben wir uns dazu bestimmt, dieses Buch neben
dem vorhergehenden anzuzeigen; denn die Zusammenstellung mit einer glän¬
zenden Leistung thut einer guten Eintrag. Allein die Gleichartigkeit des Stoffes
und die Gleichzeitigkeit des Erscheinens bedingte doch die gemeinschaftliche Be¬
trachtung. Wir haben , den ersten Band der römischen Geschichte bereits früher
besprochen; wir begnügen uns hier damit, diejenige Seite hervorzuheben, die
diesem Werke eine Berechtigung neben dem vorhergehenden verschafft, insofern
es eine Ergänzung desselben bildet. Obgleich Mommsenö Schreibart so lebhaft,
und die Gedanken, die er anwendet, so allgemein giltig sind, daß seine Schrift
auch diejenigen fesseln wird, die sich früher mit der römischen Geschichte nicht
mehr beschäftigt haben, als auf den Schulen zu geschehen pflegt, so wird sein
wahrer Gehalt doch nur von denjenigen erkannt werden, die sich wenigstens
ungefähr mit den früheren Forschungen bekannt gemacht haben. Seine Ge¬
schichte ist die Anbahnung einer neuen Phase der Wissenschaft, das Werk des
Herrn Peter kann man gewissermaßen als Abschluß des bisherigen Stand-
Punktes betrachten. Er erzählt die römische Geschichte in der bisherigen Weise
nach der früher beliebten chronologischen Ordnung, nur daß er jedesmal darauf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/19>, abgerufen am 27.07.2024.