Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.Dieser dürste in diesem Augenblick in Silistria weilen, und es ist wahrscheinlich Ihre Leser werden von der bedenklichen Uneinigkeit gelesen haben, die zwischen Am Dienstag fand hier eine Art Wolkenbruch statt. Niemals, seitdem ich -- Es läßt sich nicht leugnen, daß seit der Eröffnung 20*
Dieser dürste in diesem Augenblick in Silistria weilen, und es ist wahrscheinlich Ihre Leser werden von der bedenklichen Uneinigkeit gelesen haben, die zwischen Am Dienstag fand hier eine Art Wolkenbruch statt. Niemals, seitdem ich — Es läßt sich nicht leugnen, daß seit der Eröffnung 20*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281314"/> <p xml:id="ID_496" prev="#ID_495"> Dieser dürste in diesem Augenblick in Silistria weilen, und es ist wahrscheinlich<lb/> daß er einen bedeutenden Theil seiner Armee vorwärtsgeschoben hat, indeß die beiden<lb/> Verbündeten den rechten Flügel »och zurückgezogen halten und in Varna Schanzen,<lb/> bei Prawadi Lager und Magazine etabliren.</p><lb/> <p xml:id="ID_497"> Ihre Leser werden von der bedenklichen Uneinigkeit gelesen haben, die zwischen<lb/> dem Lord Raglan und den beiden Häuptern der französischen Armee, Prinz Na¬<lb/> poleon und dem Marschall Se. Arnaud herrschen soll. Das Wahre ist, daß letz¬<lb/> terer sich durch seine Antecedenzien nicht eben bestens bei den Engländern empfohlen<lb/> hat, und von dieser Stimmung gegen ihn in Kenntniß gesetzt, sich bei einigen Ge¬<lb/> legenheiten minder zuvorkommend erwiesen hat, als man erwarten durfte. Ernste<lb/> Conflicte sind indeß nicht vorgekommen, und was das Verhältniß Omer Paschas zu<lb/> den fremden Chefs angeht, so ist es gradezu Thatsache, daß er bei den stattgefun-<lb/> denen mehrmaligen Besprechungen einen äußerst günstigen Eindruck hervorrief.<lb/> Beider Oberfeldherrn Ansichten, des englischen und französischen, trennen sich in der<lb/> Weise, daß Lord Raglan mehr für ein rasches Einschreiten und darum für einen<lb/> schnellen Marsch von Varna an die Donau ist, dagegen Se. Arnaud es für noth¬<lb/> wendig erachtet, bevor man im offenen Felde auftritt, die Ankunft der Cavalerie<lb/> zu erwarten. Der französische Marschall äußerte zu mehren Malen: sein britischer<lb/> College fürchte allzusehr die englische Oppositionspresse und habe bei seiner Neigung<lb/> zu eilfertigen Operationen nur im Sinne, der mißliebigen Kritik und dem Zaudcr-<lb/> tadel zu entgehen, der schon Dundas getroffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_498"> Am Dienstag fand hier eine Art Wolkenbruch statt. Niemals, seitdem ich<lb/> Konstantinopel kenne, fiel der Regen in solcher Masse. Die Straßen waren über¬<lb/> schwemmt und boten den Anblick reißender Bergströme, namentlich im Stadttheil<lb/> Kassia Pascha. Den Pferden ging die Flut bis unter den Bauch, und Fußgänger<lb/> würden hinweggerissen worden sein, wenn sie sich hineingewagt hätten. Noch heute<lb/> spürt man die Wirkung dieses Gusses. Die Luft ist minder schwül, und nach lan¬<lb/> ger Zeit zum ersten Male hatten wir wieder kühle Nächte.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> </head> <p xml:id="ID_499" next="#ID_500"> — Es läßt sich nicht leugnen, daß seit der Eröffnung<lb/> des Parlaments die Stellung des Ministeriums von Tag zu Tag schwächer ge¬<lb/> worden ist, und daß es sich ohne den Krieg schwerlich halten würde. Die Schuld<lb/> daran trägt nicht seine auswärtige, sondern die merkwürdige Unfruchtbarkeit seine.r<lb/> innern Politik. Von den vielen Maßregeln, welche bei der Eröffnung des Parla¬<lb/> ments angekündigt worden sind, sind die meisten zurückgenommen, und die wenigen,<lb/> die Annahme gesunden, sind fast bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt worden. Eine<lb/> weitere Reform deö Parlaments bildete die Basis der Koalition zwischen den Whigs<lb/> und den Pcclitcn; sie wurde auf allen Wahlbühncn versprochen; die Bill wurde trotz<lb/> des Krieges eingebracht, um unter den Thränen Lord I. Nussells zurückgenommen<lb/> zu werden, weil der Krieg nicht erlaube, daß das Ministerium, das ihn begonnen<lb/> und für ihn verantwortlich sei, für eine ihm fernliegende Maßregel seine Existenz<lb/> aufs Spiel setze. Schon in voriger Session beantragte Lord I. Russell eine Reihe<lb/> Resolutionen, welche die Grundzüge einer großartigen Reform des gesammten Er¬<lb/> ziehungswesens verzeichneten; in dieser Session wurde eine die Ausführung begin¬<lb/> nende Bill eingebracht — sie verschwindet von der Tagesordnung, und Lord I. Russell</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 20*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0163]
Dieser dürste in diesem Augenblick in Silistria weilen, und es ist wahrscheinlich
daß er einen bedeutenden Theil seiner Armee vorwärtsgeschoben hat, indeß die beiden
Verbündeten den rechten Flügel »och zurückgezogen halten und in Varna Schanzen,
bei Prawadi Lager und Magazine etabliren.
Ihre Leser werden von der bedenklichen Uneinigkeit gelesen haben, die zwischen
dem Lord Raglan und den beiden Häuptern der französischen Armee, Prinz Na¬
poleon und dem Marschall Se. Arnaud herrschen soll. Das Wahre ist, daß letz¬
terer sich durch seine Antecedenzien nicht eben bestens bei den Engländern empfohlen
hat, und von dieser Stimmung gegen ihn in Kenntniß gesetzt, sich bei einigen Ge¬
legenheiten minder zuvorkommend erwiesen hat, als man erwarten durfte. Ernste
Conflicte sind indeß nicht vorgekommen, und was das Verhältniß Omer Paschas zu
den fremden Chefs angeht, so ist es gradezu Thatsache, daß er bei den stattgefun-
denen mehrmaligen Besprechungen einen äußerst günstigen Eindruck hervorrief.
Beider Oberfeldherrn Ansichten, des englischen und französischen, trennen sich in der
Weise, daß Lord Raglan mehr für ein rasches Einschreiten und darum für einen
schnellen Marsch von Varna an die Donau ist, dagegen Se. Arnaud es für noth¬
wendig erachtet, bevor man im offenen Felde auftritt, die Ankunft der Cavalerie
zu erwarten. Der französische Marschall äußerte zu mehren Malen: sein britischer
College fürchte allzusehr die englische Oppositionspresse und habe bei seiner Neigung
zu eilfertigen Operationen nur im Sinne, der mißliebigen Kritik und dem Zaudcr-
tadel zu entgehen, der schon Dundas getroffen.
Am Dienstag fand hier eine Art Wolkenbruch statt. Niemals, seitdem ich
Konstantinopel kenne, fiel der Regen in solcher Masse. Die Straßen waren über¬
schwemmt und boten den Anblick reißender Bergströme, namentlich im Stadttheil
Kassia Pascha. Den Pferden ging die Flut bis unter den Bauch, und Fußgänger
würden hinweggerissen worden sein, wenn sie sich hineingewagt hätten. Noch heute
spürt man die Wirkung dieses Gusses. Die Luft ist minder schwül, und nach lan¬
ger Zeit zum ersten Male hatten wir wieder kühle Nächte.
— Es läßt sich nicht leugnen, daß seit der Eröffnung
des Parlaments die Stellung des Ministeriums von Tag zu Tag schwächer ge¬
worden ist, und daß es sich ohne den Krieg schwerlich halten würde. Die Schuld
daran trägt nicht seine auswärtige, sondern die merkwürdige Unfruchtbarkeit seine.r
innern Politik. Von den vielen Maßregeln, welche bei der Eröffnung des Parla¬
ments angekündigt worden sind, sind die meisten zurückgenommen, und die wenigen,
die Annahme gesunden, sind fast bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt worden. Eine
weitere Reform deö Parlaments bildete die Basis der Koalition zwischen den Whigs
und den Pcclitcn; sie wurde auf allen Wahlbühncn versprochen; die Bill wurde trotz
des Krieges eingebracht, um unter den Thränen Lord I. Nussells zurückgenommen
zu werden, weil der Krieg nicht erlaube, daß das Ministerium, das ihn begonnen
und für ihn verantwortlich sei, für eine ihm fernliegende Maßregel seine Existenz
aufs Spiel setze. Schon in voriger Session beantragte Lord I. Russell eine Reihe
Resolutionen, welche die Grundzüge einer großartigen Reform des gesammten Er¬
ziehungswesens verzeichneten; in dieser Session wurde eine die Ausführung begin¬
nende Bill eingebracht — sie verschwindet von der Tagesordnung, und Lord I. Russell
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