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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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kann zu keinem günstigen Resultate damit kommen. In der Provinz Sa" Paulo
dagegen ist man glücklicher gewesen und eine bedeutende Menge für den Verbrauch
im Lande wird dort gewonnen." --




Wochenbericht.
V n om Main.

(Theaterkritik und Schausviclwescn.) Es gibt im allge¬
meinen und mit seltneren Ausnahmen schwerlich eine unnützere und schädlichere Schrift-
stellerei, als die sogenannte Theaterkritik, und daß die "Literaten" sich so zahlreich
darauf verlegen, hat nicht am wenigsten zu dem Verruft beigetragen, worin sie stehe".
Solange die Schriftsteller selbst nicht den Willen oder die Macht haben, dieses und
anderes abzuändern und die unwürdigen Elemente von sich auszuscheiden oder unschäd¬
lich zu machen, solange wird von einem Schriftstellcrftande nicht die Rede sein können,
da der ordentliche Mann, wenn er auch als Schriftsteller wirkt und thätig ist, sich doch
die Ehre verbitten muß, als Mitglied einer, weder nach gemeinsamen Gesetzen, noch
durch gemeinsame Sitte regierten Genossenschaft betrachtet zu werden.

In Beziehung auf die Theaterkritik sind die Localblätter noch für einen weit
geringern Uetelstand zu halten, als wenn auch politische Zeitungen ihre Spalte" dem
Localthcaterklatsch öffnen und dadurch diesen selbst und zugleich die damit verbundenen
Zwecke fördern. Haben diese Zeitungen gar tägliche belletristische Beiblätter, welche sich
Jahr aus Jahr ein mit dem Theater beschäftige", so gehe ich für diejenigen von ihnen,
die ich kenne, eine Wette darauf ein, daß man mir in zehn bis fünfzehn auseinander
folgenden Jahrgängen keine einzige Kritik im Schauspiel aufweisen soll, die etwas
Anderes, als die ewig wiederkehrende" und mit mehr oder weniger Anmaßung vor¬
getragenen Phrasen enthielte, oder ans welcher Schauspieler und Publicum das Ge¬
ringste lernen könnte". Etwas Anderes aber als diese Phrasen wird in das Blatt
nicht zugelassen, und ihre tägliche Handhabung ist das unverbrüchliche Privilegium des ^
Redacteurs.

Der Schauspieler tritt sehr selten mit den wünschenswerthen Vorkenntnissen in
seinen Stand, hat er die herkömmliche Routine erlangt, so hören gewöhnlich seine Fort¬
schritte aus, weil er nicht einmal das Bedürfniß einer gründliche" Bildung fühlt, denn
daß er es fühlte, dazu würde schou eine Bildung gehören, die ihm abgeht. Hat er
nur ein kleines oder ein schlummerndes Talent, so fehlt ihm die Ermunterung, sich
anzustrengen; hat er schöne äußere Mittel, el" angebornes leichtes Talent, welches sich wie
vo" selbst äußert, und Jugend, so überhebt ihn der Beifall, den er findet, jeder weitern
Mühe. Er erlangt bald hohe Gagen und nun ist auch die Theaterkritik in seinem
Lobe unermüdlich, er selbst vergißt sehr bald, daß er dieses nur der Bezahlung, dem
Champagner und der Schmeichelei verdankt, und wenn er endlich den Gipfel seiner
Kunsthöhe erstiegen zu haben glaubt und eben anfängt, sich für einen zweiten Devrient
oder Scydelmcmn zu halte", so ist der gebildete Zuschauer bereits des unverbesserliche"
Actcurs bis zum Ekel überdrüssig. Ein andrer Schauspieler von einem natürlichen


kann zu keinem günstigen Resultate damit kommen. In der Provinz Sa» Paulo
dagegen ist man glücklicher gewesen und eine bedeutende Menge für den Verbrauch
im Lande wird dort gewonnen." —




Wochenbericht.
V n om Main.

(Theaterkritik und Schausviclwescn.) Es gibt im allge¬
meinen und mit seltneren Ausnahmen schwerlich eine unnützere und schädlichere Schrift-
stellerei, als die sogenannte Theaterkritik, und daß die „Literaten" sich so zahlreich
darauf verlegen, hat nicht am wenigsten zu dem Verruft beigetragen, worin sie stehe».
Solange die Schriftsteller selbst nicht den Willen oder die Macht haben, dieses und
anderes abzuändern und die unwürdigen Elemente von sich auszuscheiden oder unschäd¬
lich zu machen, solange wird von einem Schriftstellcrftande nicht die Rede sein können,
da der ordentliche Mann, wenn er auch als Schriftsteller wirkt und thätig ist, sich doch
die Ehre verbitten muß, als Mitglied einer, weder nach gemeinsamen Gesetzen, noch
durch gemeinsame Sitte regierten Genossenschaft betrachtet zu werden.

In Beziehung auf die Theaterkritik sind die Localblätter noch für einen weit
geringern Uetelstand zu halten, als wenn auch politische Zeitungen ihre Spalte» dem
Localthcaterklatsch öffnen und dadurch diesen selbst und zugleich die damit verbundenen
Zwecke fördern. Haben diese Zeitungen gar tägliche belletristische Beiblätter, welche sich
Jahr aus Jahr ein mit dem Theater beschäftige», so gehe ich für diejenigen von ihnen,
die ich kenne, eine Wette darauf ein, daß man mir in zehn bis fünfzehn auseinander
folgenden Jahrgängen keine einzige Kritik im Schauspiel aufweisen soll, die etwas
Anderes, als die ewig wiederkehrende» und mit mehr oder weniger Anmaßung vor¬
getragenen Phrasen enthielte, oder ans welcher Schauspieler und Publicum das Ge¬
ringste lernen könnte». Etwas Anderes aber als diese Phrasen wird in das Blatt
nicht zugelassen, und ihre tägliche Handhabung ist das unverbrüchliche Privilegium des ^
Redacteurs.

Der Schauspieler tritt sehr selten mit den wünschenswerthen Vorkenntnissen in
seinen Stand, hat er die herkömmliche Routine erlangt, so hören gewöhnlich seine Fort¬
schritte aus, weil er nicht einmal das Bedürfniß einer gründliche» Bildung fühlt, denn
daß er es fühlte, dazu würde schou eine Bildung gehören, die ihm abgeht. Hat er
nur ein kleines oder ein schlummerndes Talent, so fehlt ihm die Ermunterung, sich
anzustrengen; hat er schöne äußere Mittel, el» angebornes leichtes Talent, welches sich wie
vo» selbst äußert, und Jugend, so überhebt ihn der Beifall, den er findet, jeder weitern
Mühe. Er erlangt bald hohe Gagen und nun ist auch die Theaterkritik in seinem
Lobe unermüdlich, er selbst vergißt sehr bald, daß er dieses nur der Bezahlung, dem
Champagner und der Schmeichelei verdankt, und wenn er endlich den Gipfel seiner
Kunsthöhe erstiegen zu haben glaubt und eben anfängt, sich für einen zweiten Devrient
oder Scydelmcmn zu halte», so ist der gebildete Zuschauer bereits des unverbesserliche»
Actcurs bis zum Ekel überdrüssig. Ein andrer Schauspieler von einem natürlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/157>, abgerufen am 05.02.2025.