Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Regierung des englischen Ostindiens.

Bei den neuerlichen Verhandlungen des englischen Parlaments über die
Reform der Regierung Ostindiens wurde erwähnt, der Herzog von Newcastle sei
ans einer Reise i" Tyrol mit einem sehr gebildeten und einsichtsvollen östreichischen
General zusammengetroffen, der ihm versichert, er wisse sich die Macht Englands
in allen Dingen zu erklären, außer, wie eS sein Reich in Ostindien gegründet
habe und aufrecht erhalte; dies sei und bleibe ihm ein Geheimniß. Das offen¬
herzige Geständnis) des Generals macht ihm keine Schande, denn, von Deutschland
ganz zu geschweige", selbst die Mehrzahl der politisch gebildeten Engländer ist
mit ihm in einer Lage. Ein Reich von -Is0 Millionen Menschen verschiedener
Religion und Nationalitäten in den schönsten Strichen des mylhenreichen Orients,
regiert von einer Actiengesellschaft von Privatleuten einer kleinen Insel im ncbel-
kalten nordischen Meer, durch einfache Kaufleute den mächtigsten einheimischen
Fürsten, den kriegerischsten indischen Völkern, und den tapfersten Generalen
Frankreichs abgerungen, und regiert von 800 englischen Civilbeamten, ist in
seinem Entstehen ein Wunder, und in seiner Fortdauer und seinem Wachsthum
ein politisches Phänomen.

Wer regiert dieses ungeheure Reich? Ungefähr -1800 in England refidirende
Herren und Damen, die mindestens im Besitz von -1000 Pfd. (Nominalwerth --
der Marktwerth ist zwischen 2--3000 Pfd.) Actien der ostindischen Compagnie sind,
und die im Verhältniß der Anzahl Actien, die sie besitzen, -I--6 Stimmen haben,
wählen die Directoren der ostindischen Compagnie. Zum Director ist jeder
wählbar, der 2000 Pfd. Actien der Compagnie besitzt, einer andern Qualification
bedarf es nicht. Die Zahl der Directoren ist 30, und von diesen treten alljährlich
6 aus, so daß das Collegium der fungirenden Directoren stets 24 ist. Ihr
Gehalt ist sehr mäßig und beträgt blos 300 Pfd. jährlich; der Vorsitzende und
der Vicevorsitzende erhalten das doppelte. Obgleich die Directoren nominell
auf -I Jahr gewählt sind, wird doch thatsächlich ihr Amt in den meisten Fällen
ein lebenslängliches.


Grenzl'vel", III. 1863. 56
Die Regierung des englischen Ostindiens.

Bei den neuerlichen Verhandlungen des englischen Parlaments über die
Reform der Regierung Ostindiens wurde erwähnt, der Herzog von Newcastle sei
ans einer Reise i» Tyrol mit einem sehr gebildeten und einsichtsvollen östreichischen
General zusammengetroffen, der ihm versichert, er wisse sich die Macht Englands
in allen Dingen zu erklären, außer, wie eS sein Reich in Ostindien gegründet
habe und aufrecht erhalte; dies sei und bleibe ihm ein Geheimniß. Das offen¬
herzige Geständnis) des Generals macht ihm keine Schande, denn, von Deutschland
ganz zu geschweige», selbst die Mehrzahl der politisch gebildeten Engländer ist
mit ihm in einer Lage. Ein Reich von -Is0 Millionen Menschen verschiedener
Religion und Nationalitäten in den schönsten Strichen des mylhenreichen Orients,
regiert von einer Actiengesellschaft von Privatleuten einer kleinen Insel im ncbel-
kalten nordischen Meer, durch einfache Kaufleute den mächtigsten einheimischen
Fürsten, den kriegerischsten indischen Völkern, und den tapfersten Generalen
Frankreichs abgerungen, und regiert von 800 englischen Civilbeamten, ist in
seinem Entstehen ein Wunder, und in seiner Fortdauer und seinem Wachsthum
ein politisches Phänomen.

Wer regiert dieses ungeheure Reich? Ungefähr -1800 in England refidirende
Herren und Damen, die mindestens im Besitz von -1000 Pfd. (Nominalwerth —
der Marktwerth ist zwischen 2—3000 Pfd.) Actien der ostindischen Compagnie sind,
und die im Verhältniß der Anzahl Actien, die sie besitzen, -I—6 Stimmen haben,
wählen die Directoren der ostindischen Compagnie. Zum Director ist jeder
wählbar, der 2000 Pfd. Actien der Compagnie besitzt, einer andern Qualification
bedarf es nicht. Die Zahl der Directoren ist 30, und von diesen treten alljährlich
6 aus, so daß das Collegium der fungirenden Directoren stets 24 ist. Ihr
Gehalt ist sehr mäßig und beträgt blos 300 Pfd. jährlich; der Vorsitzende und
der Vicevorsitzende erhalten das doppelte. Obgleich die Directoren nominell
auf -I Jahr gewählt sind, wird doch thatsächlich ihr Amt in den meisten Fällen
ein lebenslängliches.


Grenzl'vel», III. 1863. 56
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0447" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96622"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Regierung des englischen Ostindiens.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1554"> Bei den neuerlichen Verhandlungen des englischen Parlaments über die<lb/>
Reform der Regierung Ostindiens wurde erwähnt, der Herzog von Newcastle sei<lb/>
ans einer Reise i» Tyrol mit einem sehr gebildeten und einsichtsvollen östreichischen<lb/>
General zusammengetroffen, der ihm versichert, er wisse sich die Macht Englands<lb/>
in allen Dingen zu erklären, außer, wie eS sein Reich in Ostindien gegründet<lb/>
habe und aufrecht erhalte; dies sei und bleibe ihm ein Geheimniß. Das offen¬<lb/>
herzige Geständnis) des Generals macht ihm keine Schande, denn, von Deutschland<lb/>
ganz zu geschweige», selbst die Mehrzahl der politisch gebildeten Engländer ist<lb/>
mit ihm in einer Lage. Ein Reich von -Is0 Millionen Menschen verschiedener<lb/>
Religion und Nationalitäten in den schönsten Strichen des mylhenreichen Orients,<lb/>
regiert von einer Actiengesellschaft von Privatleuten einer kleinen Insel im ncbel-<lb/>
kalten nordischen Meer, durch einfache Kaufleute den mächtigsten einheimischen<lb/>
Fürsten, den kriegerischsten indischen Völkern, und den tapfersten Generalen<lb/>
Frankreichs abgerungen, und regiert von 800 englischen Civilbeamten, ist in<lb/>
seinem Entstehen ein Wunder, und in seiner Fortdauer und seinem Wachsthum<lb/>
ein politisches Phänomen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1555"> Wer regiert dieses ungeheure Reich? Ungefähr -1800 in England refidirende<lb/>
Herren und Damen, die mindestens im Besitz von -1000 Pfd. (Nominalwerth &#x2014;<lb/>
der Marktwerth ist zwischen 2&#x2014;3000 Pfd.) Actien der ostindischen Compagnie sind,<lb/>
und die im Verhältniß der Anzahl Actien, die sie besitzen, -I&#x2014;6 Stimmen haben,<lb/>
wählen die Directoren der ostindischen Compagnie. Zum Director ist jeder<lb/>
wählbar, der 2000 Pfd. Actien der Compagnie besitzt, einer andern Qualification<lb/>
bedarf es nicht. Die Zahl der Directoren ist 30, und von diesen treten alljährlich<lb/>
6 aus, so daß das Collegium der fungirenden Directoren stets 24 ist. Ihr<lb/>
Gehalt ist sehr mäßig und beträgt blos 300 Pfd. jährlich; der Vorsitzende und<lb/>
der Vicevorsitzende erhalten das doppelte. Obgleich die Directoren nominell<lb/>
auf -I Jahr gewählt sind, wird doch thatsächlich ihr Amt in den meisten Fällen<lb/>
ein lebenslängliches.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzl'vel», III. 1863. 56</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0447] Die Regierung des englischen Ostindiens. Bei den neuerlichen Verhandlungen des englischen Parlaments über die Reform der Regierung Ostindiens wurde erwähnt, der Herzog von Newcastle sei ans einer Reise i» Tyrol mit einem sehr gebildeten und einsichtsvollen östreichischen General zusammengetroffen, der ihm versichert, er wisse sich die Macht Englands in allen Dingen zu erklären, außer, wie eS sein Reich in Ostindien gegründet habe und aufrecht erhalte; dies sei und bleibe ihm ein Geheimniß. Das offen¬ herzige Geständnis) des Generals macht ihm keine Schande, denn, von Deutschland ganz zu geschweige», selbst die Mehrzahl der politisch gebildeten Engländer ist mit ihm in einer Lage. Ein Reich von -Is0 Millionen Menschen verschiedener Religion und Nationalitäten in den schönsten Strichen des mylhenreichen Orients, regiert von einer Actiengesellschaft von Privatleuten einer kleinen Insel im ncbel- kalten nordischen Meer, durch einfache Kaufleute den mächtigsten einheimischen Fürsten, den kriegerischsten indischen Völkern, und den tapfersten Generalen Frankreichs abgerungen, und regiert von 800 englischen Civilbeamten, ist in seinem Entstehen ein Wunder, und in seiner Fortdauer und seinem Wachsthum ein politisches Phänomen. Wer regiert dieses ungeheure Reich? Ungefähr -1800 in England refidirende Herren und Damen, die mindestens im Besitz von -1000 Pfd. (Nominalwerth — der Marktwerth ist zwischen 2—3000 Pfd.) Actien der ostindischen Compagnie sind, und die im Verhältniß der Anzahl Actien, die sie besitzen, -I—6 Stimmen haben, wählen die Directoren der ostindischen Compagnie. Zum Director ist jeder wählbar, der 2000 Pfd. Actien der Compagnie besitzt, einer andern Qualification bedarf es nicht. Die Zahl der Directoren ist 30, und von diesen treten alljährlich 6 aus, so daß das Collegium der fungirenden Directoren stets 24 ist. Ihr Gehalt ist sehr mäßig und beträgt blos 300 Pfd. jährlich; der Vorsitzende und der Vicevorsitzende erhalten das doppelte. Obgleich die Directoren nominell auf -I Jahr gewählt sind, wird doch thatsächlich ihr Amt in den meisten Fällen ein lebenslängliches. Grenzl'vel», III. 1863. 56

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/447
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/447>, abgerufen am 29.06.2024.