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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Von der untern Donau.

Der Einmarsch der Nüssen in die Do"a"fürstenthümer geschah in drei
Kolonnen, von denen die eine eine Strecke weit z" Wasser, auf dem Sereth,
transportirt wurde. In der Wallachei ist Fürst Gvrtschakvff General en chef.
Bei seinem Ueberschreite" der Grenze hat er el"e Proclamatio" an die El"wvhner
erlassen, die, in französischer Sprache verfasst und äußerst gewandt stilisirt, eher
den Ursprung ans sublimer diplomatischer Sphäre, wie aus dem Bivouac eines
Corpschefs verräth.

Heute um Mittag wird die Hauptcolonue des russischen Armeecorps in
Bucharest anlange". Ein Seitcncorps traf bereits vor einigen Tagen in Kalla-
wsth, gegeuüber von der auf dem rechte" (türkische") Stromufer gelegene" Festung
Silistria el". Noch zwei Tage und die Occupation der Fürstenthümer wird eine
vollendete Thatsache sei".

Die erwähnte Proclamatio" ist vieldeutig. Namentlich läßt el" Passus, in
welchen: dargelegt wird, wie der Kaiser Nikolaus deu i" Rede stehenden Schritt
als eine vorläufige erste Maßregel betrachte, einer unberechenbare" Reihe von
Entschließungen Raum.

Deu neuesten eingegangenen Nachrichten zufolge hatte Oestreich seine Ver¬
mittelung den beiden Mächten Rußland und der Pforte angeboten, was von
ersterer angenomme", von letzterer aber abgelehnt worden war. Der Divan
seinerseits bestand auf Berufung eines Congresses, z" dein die vier unbetheiligten
Großmächte: England, Frankreich, Oestreich und Preußen Abgeordnete zu sende"
habe" würden. Einer Entscheidung dieses Congresses wolle der Sulla" sich unter
allen Umständen unterordne".

Die Nüsse" se"d in Bucharest nicht eben gern gesehene Gäste. Ma" hat
die Verluste aller Art noch treu im Gedächtniß behalten, welche die früheren
Occnpationen veranlaßten. Was die Verheißung der baaren Zahlungen anlangt,
so sind das Redensarten. Die Bons aus der erwähnten Zeit konnten von den
Inhaber" noch heute nicht verwerthet werde". Indeß werden Generale und
Offiziere in der wallachischen Hauptstadt es sich wohl gefalle" lasse". Für den
ganze" Osten der Donauländer ist Bucharest Centrum. Hier ist der Sitz einer
reichen, wenn auch noch ein wenig "ncivilisirten Aristokratie ^Bojaren) der
Tummelplatz einer Bevölkerung von mindestens 1-10,000 Köpfen und EntfaltungS-
pnnkt eines Luxus und Wohllebens, das hunderte vou Meilen weit im Umkreise
nicht seines Gleichen findet. Die Straße" si"d zu", Theil gerade ""d "ut
modernen Häusern besetzt. Tausend Droschken fahren ohne Unterlaß ans und
nieder. Dazu kommt eine Garnison, die reicher wie irgend eine andere an


Von der untern Donau.

Der Einmarsch der Nüssen in die Do»a»fürstenthümer geschah in drei
Kolonnen, von denen die eine eine Strecke weit z» Wasser, auf dem Sereth,
transportirt wurde. In der Wallachei ist Fürst Gvrtschakvff General en chef.
Bei seinem Ueberschreite» der Grenze hat er el»e Proclamatio» an die El»wvhner
erlassen, die, in französischer Sprache verfasst und äußerst gewandt stilisirt, eher
den Ursprung ans sublimer diplomatischer Sphäre, wie aus dem Bivouac eines
Corpschefs verräth.

Heute um Mittag wird die Hauptcolonue des russischen Armeecorps in
Bucharest anlange». Ein Seitcncorps traf bereits vor einigen Tagen in Kalla-
wsth, gegeuüber von der auf dem rechte» (türkische») Stromufer gelegene» Festung
Silistria el». Noch zwei Tage und die Occupation der Fürstenthümer wird eine
vollendete Thatsache sei».

Die erwähnte Proclamatio» ist vieldeutig. Namentlich läßt el» Passus, in
welchen: dargelegt wird, wie der Kaiser Nikolaus deu i» Rede stehenden Schritt
als eine vorläufige erste Maßregel betrachte, einer unberechenbare» Reihe von
Entschließungen Raum.

Deu neuesten eingegangenen Nachrichten zufolge hatte Oestreich seine Ver¬
mittelung den beiden Mächten Rußland und der Pforte angeboten, was von
ersterer angenomme», von letzterer aber abgelehnt worden war. Der Divan
seinerseits bestand auf Berufung eines Congresses, z» dein die vier unbetheiligten
Großmächte: England, Frankreich, Oestreich und Preußen Abgeordnete zu sende»
habe» würden. Einer Entscheidung dieses Congresses wolle der Sulla» sich unter
allen Umständen unterordne».

Die Nüsse» se»d in Bucharest nicht eben gern gesehene Gäste. Ma» hat
die Verluste aller Art noch treu im Gedächtniß behalten, welche die früheren
Occnpationen veranlaßten. Was die Verheißung der baaren Zahlungen anlangt,
so sind das Redensarten. Die Bons aus der erwähnten Zeit konnten von den
Inhaber» noch heute nicht verwerthet werde». Indeß werden Generale und
Offiziere in der wallachischen Hauptstadt es sich wohl gefalle» lasse». Für den
ganze» Osten der Donauländer ist Bucharest Centrum. Hier ist der Sitz einer
reichen, wenn auch noch ein wenig »ncivilisirten Aristokratie ^Bojaren) der
Tummelplatz einer Bevölkerung von mindestens 1-10,000 Köpfen und EntfaltungS-
pnnkt eines Luxus und Wohllebens, das hunderte vou Meilen weit im Umkreise
nicht seines Gleichen findet. Die Straße» si»d zu», Theil gerade »»d »ut
modernen Häusern besetzt. Tausend Droschken fahren ohne Unterlaß ans und
nieder. Dazu kommt eine Garnison, die reicher wie irgend eine andere an


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[0307] Von der untern Donau. Der Einmarsch der Nüssen in die Do»a»fürstenthümer geschah in drei Kolonnen, von denen die eine eine Strecke weit z» Wasser, auf dem Sereth, transportirt wurde. In der Wallachei ist Fürst Gvrtschakvff General en chef. Bei seinem Ueberschreite» der Grenze hat er el»e Proclamatio» an die El»wvhner erlassen, die, in französischer Sprache verfasst und äußerst gewandt stilisirt, eher den Ursprung ans sublimer diplomatischer Sphäre, wie aus dem Bivouac eines Corpschefs verräth. Heute um Mittag wird die Hauptcolonue des russischen Armeecorps in Bucharest anlange». Ein Seitcncorps traf bereits vor einigen Tagen in Kalla- wsth, gegeuüber von der auf dem rechte» (türkische») Stromufer gelegene» Festung Silistria el». Noch zwei Tage und die Occupation der Fürstenthümer wird eine vollendete Thatsache sei». Die erwähnte Proclamatio» ist vieldeutig. Namentlich läßt el» Passus, in welchen: dargelegt wird, wie der Kaiser Nikolaus deu i» Rede stehenden Schritt als eine vorläufige erste Maßregel betrachte, einer unberechenbare» Reihe von Entschließungen Raum. Deu neuesten eingegangenen Nachrichten zufolge hatte Oestreich seine Ver¬ mittelung den beiden Mächten Rußland und der Pforte angeboten, was von ersterer angenomme», von letzterer aber abgelehnt worden war. Der Divan seinerseits bestand auf Berufung eines Congresses, z» dein die vier unbetheiligten Großmächte: England, Frankreich, Oestreich und Preußen Abgeordnete zu sende» habe» würden. Einer Entscheidung dieses Congresses wolle der Sulla» sich unter allen Umständen unterordne». Die Nüsse» se»d in Bucharest nicht eben gern gesehene Gäste. Ma» hat die Verluste aller Art noch treu im Gedächtniß behalten, welche die früheren Occnpationen veranlaßten. Was die Verheißung der baaren Zahlungen anlangt, so sind das Redensarten. Die Bons aus der erwähnten Zeit konnten von den Inhaber» noch heute nicht verwerthet werde». Indeß werden Generale und Offiziere in der wallachischen Hauptstadt es sich wohl gefalle» lasse». Für den ganze» Osten der Donauländer ist Bucharest Centrum. Hier ist der Sitz einer reichen, wenn auch noch ein wenig »ncivilisirten Aristokratie ^Bojaren) der Tummelplatz einer Bevölkerung von mindestens 1-10,000 Köpfen und EntfaltungS- pnnkt eines Luxus und Wohllebens, das hunderte vou Meilen weit im Umkreise nicht seines Gleichen findet. Die Straße» si»d zu», Theil gerade »»d »ut modernen Häusern besetzt. Tausend Droschken fahren ohne Unterlaß ans und nieder. Dazu kommt eine Garnison, die reicher wie irgend eine andere an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/307>, abgerufen am 29.06.2024.