Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dienste der Kreuzzeitung in den verschiedenen Phasen unsrer neuern Politik
auseinandersetzt, entblödet er sich nicht, zu erklären, daß wenn es im December
1830 zum Kriege mit Oestreich gekommen wäre, die Wünsche aller Konservativen
dahin hätten gehen müssen, daß Preußen einige recht schnelle und empfindliche
Niederlagen erlitte, um mit Gewalt von dem schimpflichen Bunde mit der
Revolution abgewendet zu werden. Und so etwas wagt ein Führer derjenigen
Partei zu sagen, die fortwährend die schwarzweiße Cocarde und das specifisch
preußische Bewußtsein zur Schan trägt! Einer Partei, die damals ein großes
Kriegsgeschrei erhob, und die Rheinprovinz bedrohte sie in die Classe der
Heloten herabzudrücken, weil sie nicht in dieses Kriegsgeschrei mit einstimmen
wollte. -- Die Sache ist sehr ernst und wird uns wol veranlassen, noch einmal
darauf zurückzukommen.




Cd""art M ö r i k e.
Idylle vom Bodensee oder Fischer Martin und die Glockcndiebe. Stuttgart,
Schwcizcrbart.
Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Märchen. Stuttgart, Schwcizcrbart.

Wir brachten vor einiger Zeit einen Artikel über diesen liebenswürdigen
und reichbegabten Dichter, der sich aber nnr auf den Maler Rollen und ans die
Gedichte bezog. Da Mörike gegenwärtig mit einem neuen Märchen hervor¬
getreten ist, werfen wir auch noch einen Blick ans das zunächst vorhergehende
Werk, "das Idyll am Bodensee", welches 1847 erschien.

Beide Werke gereichen unserer schonen Literatur zur Zierde; denn es athmet
ans ihnen ein frisches, gesundes, natnrkräftiges Leben und sie sind mit Anmuth
und Grazie dargestellt. Beide gehören ins Gebiet der Genremalerei und wir
halten es für einen großen Vorzug, daß in beiden die komische Färbung vor¬
wiegt, wenn sie auch nur sehr sein aufgetragen ist, sodaß sie den reichen, ge¬
müthlichen Inhalt nicht im geringsten verwischt. Sentimentale Genrebilder, wie
sie heutzutage Mode sind, haben eigentlich keine große Berechtigung; denn des
Gemüths erfreut man sich nur, wenn es mit einer gewissen Schalkhaftigkeit
zersetzt ist.

Beide Werke gehören durchaus dem nationalen Leben an. Das eine schil¬
dert das wirkliche Leben der Bauern und Fischer mit den dreisten, derben und
realistischen Strichen, die dem Gegenstand entsprechen; das andere vertieft sich in
die deutsche Märchenwelt, wie sie sich namentlich in dem schwäbischen Volksstamm
gestaltet und abgerundet hat, und gibt eine so reiche Fülle heiterer, lebenslustiger
phantastischer Bilder und Gestalten, daß es jede Stimmung befriedigen wird.


34*

dienste der Kreuzzeitung in den verschiedenen Phasen unsrer neuern Politik
auseinandersetzt, entblödet er sich nicht, zu erklären, daß wenn es im December
1830 zum Kriege mit Oestreich gekommen wäre, die Wünsche aller Konservativen
dahin hätten gehen müssen, daß Preußen einige recht schnelle und empfindliche
Niederlagen erlitte, um mit Gewalt von dem schimpflichen Bunde mit der
Revolution abgewendet zu werden. Und so etwas wagt ein Führer derjenigen
Partei zu sagen, die fortwährend die schwarzweiße Cocarde und das specifisch
preußische Bewußtsein zur Schan trägt! Einer Partei, die damals ein großes
Kriegsgeschrei erhob, und die Rheinprovinz bedrohte sie in die Classe der
Heloten herabzudrücken, weil sie nicht in dieses Kriegsgeschrei mit einstimmen
wollte. — Die Sache ist sehr ernst und wird uns wol veranlassen, noch einmal
darauf zurückzukommen.




Cd»»art M ö r i k e.
Idylle vom Bodensee oder Fischer Martin und die Glockcndiebe. Stuttgart,
Schwcizcrbart.
Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Märchen. Stuttgart, Schwcizcrbart.

Wir brachten vor einiger Zeit einen Artikel über diesen liebenswürdigen
und reichbegabten Dichter, der sich aber nnr auf den Maler Rollen und ans die
Gedichte bezog. Da Mörike gegenwärtig mit einem neuen Märchen hervor¬
getreten ist, werfen wir auch noch einen Blick ans das zunächst vorhergehende
Werk, „das Idyll am Bodensee", welches 1847 erschien.

Beide Werke gereichen unserer schonen Literatur zur Zierde; denn es athmet
ans ihnen ein frisches, gesundes, natnrkräftiges Leben und sie sind mit Anmuth
und Grazie dargestellt. Beide gehören ins Gebiet der Genremalerei und wir
halten es für einen großen Vorzug, daß in beiden die komische Färbung vor¬
wiegt, wenn sie auch nur sehr sein aufgetragen ist, sodaß sie den reichen, ge¬
müthlichen Inhalt nicht im geringsten verwischt. Sentimentale Genrebilder, wie
sie heutzutage Mode sind, haben eigentlich keine große Berechtigung; denn des
Gemüths erfreut man sich nur, wenn es mit einer gewissen Schalkhaftigkeit
zersetzt ist.

Beide Werke gehören durchaus dem nationalen Leben an. Das eine schil¬
dert das wirkliche Leben der Bauern und Fischer mit den dreisten, derben und
realistischen Strichen, die dem Gegenstand entsprechen; das andere vertieft sich in
die deutsche Märchenwelt, wie sie sich namentlich in dem schwäbischen Volksstamm
gestaltet und abgerundet hat, und gibt eine so reiche Fülle heiterer, lebenslustiger
phantastischer Bilder und Gestalten, daß es jede Stimmung befriedigen wird.


34*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96448"/>
          <p xml:id="ID_944" prev="#ID_943"> dienste der Kreuzzeitung in den verschiedenen Phasen unsrer neuern Politik<lb/>
auseinandersetzt, entblödet er sich nicht, zu erklären, daß wenn es im December<lb/>
1830 zum Kriege mit Oestreich gekommen wäre, die Wünsche aller Konservativen<lb/>
dahin hätten gehen müssen, daß Preußen einige recht schnelle und empfindliche<lb/>
Niederlagen erlitte, um mit Gewalt von dem schimpflichen Bunde mit der<lb/>
Revolution abgewendet zu werden. Und so etwas wagt ein Führer derjenigen<lb/>
Partei zu sagen, die fortwährend die schwarzweiße Cocarde und das specifisch<lb/>
preußische Bewußtsein zur Schan trägt! Einer Partei, die damals ein großes<lb/>
Kriegsgeschrei erhob, und die Rheinprovinz bedrohte sie in die Classe der<lb/>
Heloten herabzudrücken, weil sie nicht in dieses Kriegsgeschrei mit einstimmen<lb/>
wollte. &#x2014; Die Sache ist sehr ernst und wird uns wol veranlassen, noch einmal<lb/>
darauf zurückzukommen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Cd»»art M ö r i k e.</head><lb/>
          <list>
            <item> Idylle vom Bodensee oder Fischer Martin und die Glockcndiebe. Stuttgart,<lb/>
Schwcizcrbart.</item>
            <item> Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Märchen. Stuttgart, Schwcizcrbart.</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_945"> Wir brachten vor einiger Zeit einen Artikel über diesen liebenswürdigen<lb/>
und reichbegabten Dichter, der sich aber nnr auf den Maler Rollen und ans die<lb/>
Gedichte bezog. Da Mörike gegenwärtig mit einem neuen Märchen hervor¬<lb/>
getreten ist, werfen wir auch noch einen Blick ans das zunächst vorhergehende<lb/>
Werk, &#x201E;das Idyll am Bodensee", welches 1847 erschien.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_946"> Beide Werke gereichen unserer schonen Literatur zur Zierde; denn es athmet<lb/>
ans ihnen ein frisches, gesundes, natnrkräftiges Leben und sie sind mit Anmuth<lb/>
und Grazie dargestellt. Beide gehören ins Gebiet der Genremalerei und wir<lb/>
halten es für einen großen Vorzug, daß in beiden die komische Färbung vor¬<lb/>
wiegt, wenn sie auch nur sehr sein aufgetragen ist, sodaß sie den reichen, ge¬<lb/>
müthlichen Inhalt nicht im geringsten verwischt. Sentimentale Genrebilder, wie<lb/>
sie heutzutage Mode sind, haben eigentlich keine große Berechtigung; denn des<lb/>
Gemüths erfreut man sich nur, wenn es mit einer gewissen Schalkhaftigkeit<lb/>
zersetzt ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_947" next="#ID_948"> Beide Werke gehören durchaus dem nationalen Leben an. Das eine schil¬<lb/>
dert das wirkliche Leben der Bauern und Fischer mit den dreisten, derben und<lb/>
realistischen Strichen, die dem Gegenstand entsprechen; das andere vertieft sich in<lb/>
die deutsche Märchenwelt, wie sie sich namentlich in dem schwäbischen Volksstamm<lb/>
gestaltet und abgerundet hat, und gibt eine so reiche Fülle heiterer, lebenslustiger<lb/>
phantastischer Bilder und Gestalten, daß es jede Stimmung befriedigen wird.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 34*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0273] dienste der Kreuzzeitung in den verschiedenen Phasen unsrer neuern Politik auseinandersetzt, entblödet er sich nicht, zu erklären, daß wenn es im December 1830 zum Kriege mit Oestreich gekommen wäre, die Wünsche aller Konservativen dahin hätten gehen müssen, daß Preußen einige recht schnelle und empfindliche Niederlagen erlitte, um mit Gewalt von dem schimpflichen Bunde mit der Revolution abgewendet zu werden. Und so etwas wagt ein Führer derjenigen Partei zu sagen, die fortwährend die schwarzweiße Cocarde und das specifisch preußische Bewußtsein zur Schan trägt! Einer Partei, die damals ein großes Kriegsgeschrei erhob, und die Rheinprovinz bedrohte sie in die Classe der Heloten herabzudrücken, weil sie nicht in dieses Kriegsgeschrei mit einstimmen wollte. — Die Sache ist sehr ernst und wird uns wol veranlassen, noch einmal darauf zurückzukommen. Cd»»art M ö r i k e. Idylle vom Bodensee oder Fischer Martin und die Glockcndiebe. Stuttgart, Schwcizcrbart. Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Märchen. Stuttgart, Schwcizcrbart. Wir brachten vor einiger Zeit einen Artikel über diesen liebenswürdigen und reichbegabten Dichter, der sich aber nnr auf den Maler Rollen und ans die Gedichte bezog. Da Mörike gegenwärtig mit einem neuen Märchen hervor¬ getreten ist, werfen wir auch noch einen Blick ans das zunächst vorhergehende Werk, „das Idyll am Bodensee", welches 1847 erschien. Beide Werke gereichen unserer schonen Literatur zur Zierde; denn es athmet ans ihnen ein frisches, gesundes, natnrkräftiges Leben und sie sind mit Anmuth und Grazie dargestellt. Beide gehören ins Gebiet der Genremalerei und wir halten es für einen großen Vorzug, daß in beiden die komische Färbung vor¬ wiegt, wenn sie auch nur sehr sein aufgetragen ist, sodaß sie den reichen, ge¬ müthlichen Inhalt nicht im geringsten verwischt. Sentimentale Genrebilder, wie sie heutzutage Mode sind, haben eigentlich keine große Berechtigung; denn des Gemüths erfreut man sich nur, wenn es mit einer gewissen Schalkhaftigkeit zersetzt ist. Beide Werke gehören durchaus dem nationalen Leben an. Das eine schil¬ dert das wirkliche Leben der Bauern und Fischer mit den dreisten, derben und realistischen Strichen, die dem Gegenstand entsprechen; das andere vertieft sich in die deutsche Märchenwelt, wie sie sich namentlich in dem schwäbischen Volksstamm gestaltet und abgerundet hat, und gibt eine so reiche Fülle heiterer, lebenslustiger phantastischer Bilder und Gestalten, daß es jede Stimmung befriedigen wird. 34*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/273
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/273>, abgerufen am 22.07.2024.