Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

unerläßlichen Ausschmückungen abrechnet, streng nach einer und derselben Richtung.
Wir nehmen keinen Anstand, die Haltung der deutschen Presse in dieser Frage
nicht nur der französischen, sondern auch der englischen unbedingt vorzuziehen.
Nun ist das freilich eine Frage, die uns zunächst nur mittelbar angeht, allein auch
hier ist die Uebereinstimmung schon ein sehr günstiges und erfreuliches Zeichen,
denn noch vor einigen Monaten hätten alle diese Zeitungen nicht einmal von der
chinesischen Revolution reden hören könne, ohne bei der Gelegenheit die demokra¬
tischen, gothaischen oder altpreußischen Principien an den Mann zu bringen, und
die gewohnten Gegner anzugreifen, auch wenn sie derselben Meinung waren. Wir
wollen hoffen, daß diese Uebereinstimmung sich allmälig auch in den innern
Fragen einfinden und daß sich daraus eine sichere, fcstgegründete öffentliche Mei¬
nung bilden wird, die sich auch da vernehmlich macht und ihren Einfluß ausübt,
wo ihr dem Anschein nach die Verfassung die Stimme versagt.




Das Taschenbuch "Urania".

Es wird nicht ohne Interesse für die Einsicht in die Geschmacksverände¬
rungen des deutschen Publicums sein, wenn wir einen flüchtigen Blick ans dieses
Taschenbuch werfen, welches beinahe vierzig Jahre hindurch der Hauptsammelplatz
der beliebtesten belletristischen Schriftsteller war. Im Jahre 1810 wurde es von
der Brockhansschen Buchhandlung begründet und mit einem jener kleinen Auf¬
sätze von Jean Paul eröffnet, die in dem möglichst engen Raum die möglichst
große Auzahl von Versündigungen gegen die deutsche Sprache enthalten. Im
übrigen ist dieser Jahrgang meist mit Gedichten ausgefüllt von Fouqu",
Th. Körner, Louise Brachmanu, Fr. Kind und einigen andern. Im zweiten Jahr¬
gang, 1812, treten die kritischen Arbeiten hervor. Es sind mehre ästhetische
und antiquarische Abhandlungen darin, namentlich von Johannes Falk, der unter
andern bei Gelegenheit einer Reihe von Kupfern ans den Wahlverwandtschaften
die verschiedene Auffassung des Schicksals bei Goethe und bei Schiller aus¬
einandersetzt, und in einer Abhandlung die künstlerischen Attitüden der Madame
Händel-Schütz beschreibt, die damals in der Blüte ihres Ruhmes stand. Außer¬
dem haben wir wieder eine kleine Humoreske von Jean Paul, Scenen ans dem
Pastor Fido von A. W. Schlegel, zahlreiche Gedichte und einige kleine
Novellen. Während des Krieges bleibt das Taschenbuch einige Jahre aus
und erscheint erst 181S wieder, wo gleichfalls die ästhetischen Abhandlungen vor¬
wiegen. Außerdem ist "der 2i. Februar" von Zacharias Werner darin; ferner
die Uebersetzung eines ziemlich mittelmäßigen Stücks von Calderon, von Helmine
v. Chezy. - Mit dem nächsten Jahrgang, 1817, tritt die Novelle schon etwas


unerläßlichen Ausschmückungen abrechnet, streng nach einer und derselben Richtung.
Wir nehmen keinen Anstand, die Haltung der deutschen Presse in dieser Frage
nicht nur der französischen, sondern auch der englischen unbedingt vorzuziehen.
Nun ist das freilich eine Frage, die uns zunächst nur mittelbar angeht, allein auch
hier ist die Uebereinstimmung schon ein sehr günstiges und erfreuliches Zeichen,
denn noch vor einigen Monaten hätten alle diese Zeitungen nicht einmal von der
chinesischen Revolution reden hören könne, ohne bei der Gelegenheit die demokra¬
tischen, gothaischen oder altpreußischen Principien an den Mann zu bringen, und
die gewohnten Gegner anzugreifen, auch wenn sie derselben Meinung waren. Wir
wollen hoffen, daß diese Uebereinstimmung sich allmälig auch in den innern
Fragen einfinden und daß sich daraus eine sichere, fcstgegründete öffentliche Mei¬
nung bilden wird, die sich auch da vernehmlich macht und ihren Einfluß ausübt,
wo ihr dem Anschein nach die Verfassung die Stimme versagt.




Das Taschenbuch „Urania".

Es wird nicht ohne Interesse für die Einsicht in die Geschmacksverände¬
rungen des deutschen Publicums sein, wenn wir einen flüchtigen Blick ans dieses
Taschenbuch werfen, welches beinahe vierzig Jahre hindurch der Hauptsammelplatz
der beliebtesten belletristischen Schriftsteller war. Im Jahre 1810 wurde es von
der Brockhansschen Buchhandlung begründet und mit einem jener kleinen Auf¬
sätze von Jean Paul eröffnet, die in dem möglichst engen Raum die möglichst
große Auzahl von Versündigungen gegen die deutsche Sprache enthalten. Im
übrigen ist dieser Jahrgang meist mit Gedichten ausgefüllt von Fouqu«,
Th. Körner, Louise Brachmanu, Fr. Kind und einigen andern. Im zweiten Jahr¬
gang, 1812, treten die kritischen Arbeiten hervor. Es sind mehre ästhetische
und antiquarische Abhandlungen darin, namentlich von Johannes Falk, der unter
andern bei Gelegenheit einer Reihe von Kupfern ans den Wahlverwandtschaften
die verschiedene Auffassung des Schicksals bei Goethe und bei Schiller aus¬
einandersetzt, und in einer Abhandlung die künstlerischen Attitüden der Madame
Händel-Schütz beschreibt, die damals in der Blüte ihres Ruhmes stand. Außer¬
dem haben wir wieder eine kleine Humoreske von Jean Paul, Scenen ans dem
Pastor Fido von A. W. Schlegel, zahlreiche Gedichte und einige kleine
Novellen. Während des Krieges bleibt das Taschenbuch einige Jahre aus
und erscheint erst 181S wieder, wo gleichfalls die ästhetischen Abhandlungen vor¬
wiegen. Außerdem ist „der 2i. Februar" von Zacharias Werner darin; ferner
die Uebersetzung eines ziemlich mittelmäßigen Stücks von Calderon, von Helmine
v. Chezy. - Mit dem nächsten Jahrgang, 1817, tritt die Novelle schon etwas


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0199" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96374"/>
              <p xml:id="ID_645" prev="#ID_644"> unerläßlichen Ausschmückungen abrechnet, streng nach einer und derselben Richtung.<lb/>
Wir nehmen keinen Anstand, die Haltung der deutschen Presse in dieser Frage<lb/>
nicht nur der französischen, sondern auch der englischen unbedingt vorzuziehen.<lb/>
Nun ist das freilich eine Frage, die uns zunächst nur mittelbar angeht, allein auch<lb/>
hier ist die Uebereinstimmung schon ein sehr günstiges und erfreuliches Zeichen,<lb/>
denn noch vor einigen Monaten hätten alle diese Zeitungen nicht einmal von der<lb/>
chinesischen Revolution reden hören könne, ohne bei der Gelegenheit die demokra¬<lb/>
tischen, gothaischen oder altpreußischen Principien an den Mann zu bringen, und<lb/>
die gewohnten Gegner anzugreifen, auch wenn sie derselben Meinung waren. Wir<lb/>
wollen hoffen, daß diese Uebereinstimmung sich allmälig auch in den innern<lb/>
Fragen einfinden und daß sich daraus eine sichere, fcstgegründete öffentliche Mei¬<lb/>
nung bilden wird, die sich auch da vernehmlich macht und ihren Einfluß ausübt,<lb/>
wo ihr dem Anschein nach die Verfassung die Stimme versagt.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das Taschenbuch &#x201E;Urania".</head><lb/>
          <p xml:id="ID_646" next="#ID_647"> Es wird nicht ohne Interesse für die Einsicht in die Geschmacksverände¬<lb/>
rungen des deutschen Publicums sein, wenn wir einen flüchtigen Blick ans dieses<lb/>
Taschenbuch werfen, welches beinahe vierzig Jahre hindurch der Hauptsammelplatz<lb/>
der beliebtesten belletristischen Schriftsteller war. Im Jahre 1810 wurde es von<lb/>
der Brockhansschen Buchhandlung begründet und mit einem jener kleinen Auf¬<lb/>
sätze von Jean Paul eröffnet, die in dem möglichst engen Raum die möglichst<lb/>
große Auzahl von Versündigungen gegen die deutsche Sprache enthalten. Im<lb/>
übrigen ist dieser Jahrgang meist mit Gedichten ausgefüllt von Fouqu«,<lb/>
Th. Körner, Louise Brachmanu, Fr. Kind und einigen andern. Im zweiten Jahr¬<lb/>
gang, 1812, treten die kritischen Arbeiten hervor. Es sind mehre ästhetische<lb/>
und antiquarische Abhandlungen darin, namentlich von Johannes Falk, der unter<lb/>
andern bei Gelegenheit einer Reihe von Kupfern ans den Wahlverwandtschaften<lb/>
die verschiedene Auffassung des Schicksals bei Goethe und bei Schiller aus¬<lb/>
einandersetzt, und in einer Abhandlung die künstlerischen Attitüden der Madame<lb/>
Händel-Schütz beschreibt, die damals in der Blüte ihres Ruhmes stand. Außer¬<lb/>
dem haben wir wieder eine kleine Humoreske von Jean Paul, Scenen ans dem<lb/>
Pastor Fido von A. W. Schlegel, zahlreiche Gedichte und einige kleine<lb/>
Novellen. Während des Krieges bleibt das Taschenbuch einige Jahre aus<lb/>
und erscheint erst 181S wieder, wo gleichfalls die ästhetischen Abhandlungen vor¬<lb/>
wiegen. Außerdem ist &#x201E;der 2i. Februar" von Zacharias Werner darin; ferner<lb/>
die Uebersetzung eines ziemlich mittelmäßigen Stücks von Calderon, von Helmine<lb/>
v. Chezy. - Mit dem nächsten Jahrgang, 1817, tritt die Novelle schon etwas</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0199] unerläßlichen Ausschmückungen abrechnet, streng nach einer und derselben Richtung. Wir nehmen keinen Anstand, die Haltung der deutschen Presse in dieser Frage nicht nur der französischen, sondern auch der englischen unbedingt vorzuziehen. Nun ist das freilich eine Frage, die uns zunächst nur mittelbar angeht, allein auch hier ist die Uebereinstimmung schon ein sehr günstiges und erfreuliches Zeichen, denn noch vor einigen Monaten hätten alle diese Zeitungen nicht einmal von der chinesischen Revolution reden hören könne, ohne bei der Gelegenheit die demokra¬ tischen, gothaischen oder altpreußischen Principien an den Mann zu bringen, und die gewohnten Gegner anzugreifen, auch wenn sie derselben Meinung waren. Wir wollen hoffen, daß diese Uebereinstimmung sich allmälig auch in den innern Fragen einfinden und daß sich daraus eine sichere, fcstgegründete öffentliche Mei¬ nung bilden wird, die sich auch da vernehmlich macht und ihren Einfluß ausübt, wo ihr dem Anschein nach die Verfassung die Stimme versagt. Das Taschenbuch „Urania". Es wird nicht ohne Interesse für die Einsicht in die Geschmacksverände¬ rungen des deutschen Publicums sein, wenn wir einen flüchtigen Blick ans dieses Taschenbuch werfen, welches beinahe vierzig Jahre hindurch der Hauptsammelplatz der beliebtesten belletristischen Schriftsteller war. Im Jahre 1810 wurde es von der Brockhansschen Buchhandlung begründet und mit einem jener kleinen Auf¬ sätze von Jean Paul eröffnet, die in dem möglichst engen Raum die möglichst große Auzahl von Versündigungen gegen die deutsche Sprache enthalten. Im übrigen ist dieser Jahrgang meist mit Gedichten ausgefüllt von Fouqu«, Th. Körner, Louise Brachmanu, Fr. Kind und einigen andern. Im zweiten Jahr¬ gang, 1812, treten die kritischen Arbeiten hervor. Es sind mehre ästhetische und antiquarische Abhandlungen darin, namentlich von Johannes Falk, der unter andern bei Gelegenheit einer Reihe von Kupfern ans den Wahlverwandtschaften die verschiedene Auffassung des Schicksals bei Goethe und bei Schiller aus¬ einandersetzt, und in einer Abhandlung die künstlerischen Attitüden der Madame Händel-Schütz beschreibt, die damals in der Blüte ihres Ruhmes stand. Außer¬ dem haben wir wieder eine kleine Humoreske von Jean Paul, Scenen ans dem Pastor Fido von A. W. Schlegel, zahlreiche Gedichte und einige kleine Novellen. Während des Krieges bleibt das Taschenbuch einige Jahre aus und erscheint erst 181S wieder, wo gleichfalls die ästhetischen Abhandlungen vor¬ wiegen. Außerdem ist „der 2i. Februar" von Zacharias Werner darin; ferner die Uebersetzung eines ziemlich mittelmäßigen Stücks von Calderon, von Helmine v. Chezy. - Mit dem nächsten Jahrgang, 1817, tritt die Novelle schon etwas

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/199
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/199>, abgerufen am 03.07.2024.