Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.Die Sitzung der Berliner Akademie am Leibnitztage 1853 Wer einige Zeit in Hamburg gelebt und mit Hamburgern in ihrer Vater¬ Als ich vor zwei Jahren in dieser Zeitschrift einen Bericht über die Leibnitz- Viel besser, soviel ich mich erinnere, hatte man die Feierlichkeit im vorigen Grenzboten. III. 1863. 16
Die Sitzung der Berliner Akademie am Leibnitztage 1853 Wer einige Zeit in Hamburg gelebt und mit Hamburgern in ihrer Vater¬ Als ich vor zwei Jahren in dieser Zeitschrift einen Bericht über die Leibnitz- Viel besser, soviel ich mich erinnere, hatte man die Feierlichkeit im vorigen Grenzboten. III. 1863. 16
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Die Sitzung der Berliner Akademie am Leibnitztage 1853
Wer einige Zeit in Hamburg gelebt und mit Hamburgern in ihrer Vater¬
stadt verkehrt hat, der hat die Bekanntschaft eines Gerichts machen müssen, das
der Stolz der Hausfrau, die Wonne des Hauses ausmacht — der Aalsuppe.
Wochenlang vorher ist ihm mit strahlendem Gesicht erzählt worden, daß nun
bald die Zeit herannahe, wo alle Ingredienzien dazu beschafft werden könnten,
in der Vorahnung des seligsten Genusses schmunzelnd hat ihn sein behaglicher
Gastfreund auf eiuen Teller Aalsuppe eingeladen — zu spät erfährt der Un-
glückliche, daß es kein Euphemismus war; er muß von dem einen Gerichte essen
oder hungern: der Hamburger verschmäht »eben diesem höchsten leiblichen Genusse
jeden andern. Der Fremde aber sieht staunend die Portionen, die jener bewäl¬
tigt — er ist es nicht im Stande, diesem Gebräu, das ans einem Hexenkessel
zu stammen scheint, Geschmack abzugewinnen. Dieses wirre Durcheinander von
Brühe, Wein, Aal, Birnen, Klößen, Mohrrüben, Schoten, Majoran und von
Gott weiß was noch für unzähligen andern an sich guten und trefflichen Dingen,
„qui, Kuriere et'ekkroi <Ze se voir aoLouMs", kaun gebildeten Augen, Nasen,
Zungen und Magen nicht behagen, und was man getrennt wohlschmeckend gefunden
habe» würde, erregt vereint einen gelinden Schauder.
Als ich vor zwei Jahren in dieser Zeitschrift einen Bericht über die Leibnitz-
seier der Berliner Akademie las, da mußte ich unwillkürlich an Aalsuppe denken:
allerlei zum Theil gutes, ja vortreffliches hatte die gelehrte Körperschaft den
Mitfeiernden dargeboten, aber es war so vieles, so bunt durcheinander gewürfeltes,
daß die Gäste sich übersättigt und verstimmt vou der Tafel erhoben.
Viel besser, soviel ich mich erinnere, hatte man die Feierlichkeit im vorigen
Jahre geordnet. Die fünf Antritts- und zwei Erwiderungsreden waren doch
ans beziehungsweise drei und eine reducirt, statt der beiden akademischen Denk¬
steine auf Berzelius und Lachmann wurde nur einer errichtet, sür Jacoby, von
seinem vertrauten und ebenbürtige» Freunde Dirichlet, scharf, einfach, präcis,
Grenzboten. III. 1863. 16
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