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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Carl Kappes in Frankfurt a. M., der zwei Platten, täuschende Kopien des be¬
rühmten kleinen Crucifixes oder des Degenknopfes von Albrecht Dürer (Bartsch
Nr. 23) gestochen, hat nun auch eine Copie des seltenen, kleinen, runden Holzschnittes
des heiligen Hieronymus (Bartsch Nr. 115) geliefert. --

Der Berliner Kunstverein hat von K. Hübner aus Düsseldorf ein neues Genrebild
und von Achenbach ein neues Seestück angekauft. --

Der bekannte holländische Kunstmaler Baron Westrenner von Tielland hat bei
seinem, unlängst erfolgten Ableben seine kostbare Kunstsammlung der Regierung vermacht,
welche damit ein besonderes Museum, Museum Westrennium, errichtet. --

Der Bildhauer Dracke in Berlin hat eine Art Tisch modellirt, der durch eine
sinnreiche mechanische Vorrichtung den Modellen beim Actzeichnen jede mögliche Stellung
und schwierige Lage erleichtert, wodurch eine größere Sicherheit erzielt wird. Wie man
hört, wird die königl. Akademie der bildenden Künste zu Berlin einen derartigen Tisch
für ihren Actsaal ausführen lassen. Noch können wir über Drake's künstlerische Thätig¬
keit berichten, daß er ein treffliches Brustbild des Dichters Robert Reinick vollendet hat;
auch ist seine Statue Oken's für Jena im Modell fertig. Vor Kurzem sing er
die Statue Rauch's zu modelliren an, welche dazu bestimmt ist, im neuen Museum neben
Schinkel und Winkelmann ausgestellt zu werden. --

Das längere Zeit beabsichtigte Copernicus-Denkmal wird nun endlich ausgeführt.
Der König von Preußen hat die zur Deckung der Kosten noch fehlende Summe aus
seiner Chatouille gespendet. --


Literatur. Deutsche Romane. I.

Romane unserer jüngern Schriftsteller
lassen sich, im Ganzen betrachtet, in zwei Classen theilen, in Romane, welche das Leben
gebildeter Menschen der Gegenwart schildern und in Dorfgeschichten. Im historischen
Roman ist wenig neue Kraft zu Tage gekommen.

Bevor die einzelnen Werke angezeigt und das Gelungene in ihnen gerühmt werden
kann, verlangt eine allgemeine melancholische Betrachtung, welche in diesem Blatt nicht
selten angestellt worden ist, wieder ihr Recht.

Wenn man die deutschen Romane, welche Leben und Zustände moderner Menschen
darzustellen beflissen sind, in Bausch und Bogen übersieht, so muß man zunächst mit
Verwunderung fragen, weshalb so gar wenig von dem Leben der Gegenwart darin zu
finden ist.

Ist denn in der That das Leben um uns herum so arm an interessanten Gestalten,
an erschütternden Begebenheiten, ja auch an großartigen Leidenschaften? Ueberall, --
in fast jedem Kreise menschlicher Thätigkeit, in jeder Gegend des Vaterlandes, strömt
trotz Allem und Allem das Leben doch immer so reichlich und so energisch, daß es einem
Menschen, der Darstellungstalent hat und sich die Mühe nehmen will, das Leben selbst
kennen zu lernen, nie und nirgend an den interessantesten Anregungen, Eindrücken und
Motiven fehlen kann. Grade heraus, was uns fehlt, sind nicht die Bilder des Lebens,
welche der Dichter zu verarbeiten hat, sondern die Dichterkraft, Augen, welche das Leben
anzusehen wissen, Bildung, welche dasselbe versteht und Schönheitssinn, der dasselbe zu
idealisiren weiß. Wenn doch nur einer von all den Romanen, welche im letzten Jahr
in Deutschland geschrieben sind, uns das tüchtige, gesunde, starke Leben eines gebildeten
Menschen, seine Kämpfe, seine Schmerzen, seinen Sieg so darzustellen wüßte, daß wir eine


Carl Kappes in Frankfurt a. M., der zwei Platten, täuschende Kopien des be¬
rühmten kleinen Crucifixes oder des Degenknopfes von Albrecht Dürer (Bartsch
Nr. 23) gestochen, hat nun auch eine Copie des seltenen, kleinen, runden Holzschnittes
des heiligen Hieronymus (Bartsch Nr. 115) geliefert. —

Der Berliner Kunstverein hat von K. Hübner aus Düsseldorf ein neues Genrebild
und von Achenbach ein neues Seestück angekauft. —

Der bekannte holländische Kunstmaler Baron Westrenner von Tielland hat bei
seinem, unlängst erfolgten Ableben seine kostbare Kunstsammlung der Regierung vermacht,
welche damit ein besonderes Museum, Museum Westrennium, errichtet. —

Der Bildhauer Dracke in Berlin hat eine Art Tisch modellirt, der durch eine
sinnreiche mechanische Vorrichtung den Modellen beim Actzeichnen jede mögliche Stellung
und schwierige Lage erleichtert, wodurch eine größere Sicherheit erzielt wird. Wie man
hört, wird die königl. Akademie der bildenden Künste zu Berlin einen derartigen Tisch
für ihren Actsaal ausführen lassen. Noch können wir über Drake's künstlerische Thätig¬
keit berichten, daß er ein treffliches Brustbild des Dichters Robert Reinick vollendet hat;
auch ist seine Statue Oken's für Jena im Modell fertig. Vor Kurzem sing er
die Statue Rauch's zu modelliren an, welche dazu bestimmt ist, im neuen Museum neben
Schinkel und Winkelmann ausgestellt zu werden. —

Das längere Zeit beabsichtigte Copernicus-Denkmal wird nun endlich ausgeführt.
Der König von Preußen hat die zur Deckung der Kosten noch fehlende Summe aus
seiner Chatouille gespendet. —


Literatur. Deutsche Romane. I.

Romane unserer jüngern Schriftsteller
lassen sich, im Ganzen betrachtet, in zwei Classen theilen, in Romane, welche das Leben
gebildeter Menschen der Gegenwart schildern und in Dorfgeschichten. Im historischen
Roman ist wenig neue Kraft zu Tage gekommen.

Bevor die einzelnen Werke angezeigt und das Gelungene in ihnen gerühmt werden
kann, verlangt eine allgemeine melancholische Betrachtung, welche in diesem Blatt nicht
selten angestellt worden ist, wieder ihr Recht.

Wenn man die deutschen Romane, welche Leben und Zustände moderner Menschen
darzustellen beflissen sind, in Bausch und Bogen übersieht, so muß man zunächst mit
Verwunderung fragen, weshalb so gar wenig von dem Leben der Gegenwart darin zu
finden ist.

Ist denn in der That das Leben um uns herum so arm an interessanten Gestalten,
an erschütternden Begebenheiten, ja auch an großartigen Leidenschaften? Ueberall, —
in fast jedem Kreise menschlicher Thätigkeit, in jeder Gegend des Vaterlandes, strömt
trotz Allem und Allem das Leben doch immer so reichlich und so energisch, daß es einem
Menschen, der Darstellungstalent hat und sich die Mühe nehmen will, das Leben selbst
kennen zu lernen, nie und nirgend an den interessantesten Anregungen, Eindrücken und
Motiven fehlen kann. Grade heraus, was uns fehlt, sind nicht die Bilder des Lebens,
welche der Dichter zu verarbeiten hat, sondern die Dichterkraft, Augen, welche das Leben
anzusehen wissen, Bildung, welche dasselbe versteht und Schönheitssinn, der dasselbe zu
idealisiren weiß. Wenn doch nur einer von all den Romanen, welche im letzten Jahr
in Deutschland geschrieben sind, uns das tüchtige, gesunde, starke Leben eines gebildeten
Menschen, seine Kämpfe, seine Schmerzen, seinen Sieg so darzustellen wüßte, daß wir eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/85>, abgerufen am 26.12.2024.