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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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überhaupt vorkam. Nur die gränzenlose Bescheidenheit und Zurückhaltung dieses
Künstlers tragen die Schuld, wenn ihm bei seinen Lebzeiten niemals die Aner¬
kennung und Aufmunterung ward, die er in so hohem Grade, sowohl durch
seine Bildwerke, als seine zum Theil außerordentlich schöne" historisch-religiösen
Kompositionen verdiente. --




Tannhäuser, Oper von Richard Wagner.

Bei dem Interesse, welches man gegenwärtig hier an Wagner's Tannhäuser
nimmt, oder, wie Einige wollen, bei der kunsthistorischen Bedeutung des Ereignisses,
daß diese Oper in kurzer Zeit nun bereits dreimal bei mäßig gefülltem Hause
aufgeführt worden ist, gestatten Sie wol auch einer Ansicht Gehör, die mit dem
in den Grenzboten gegebenen Bericht keineswegs ganz übereinstimmt und mit deu
in unserm Tagesblättern gepredigten Evangelien in starkem Widerspruch steht.

Verübeln Sie mir es nicht, wenn ich schon an dem Titel der Oper Anstoß
nehmen muß: "Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg." und? sind
denn das zwei Gegenstände, die nur so zufällig mit einander in Berührung
gebracht find? hat der Sängerkrieg nicht eine Bedeutung dadurch, daß er
der Wendepunkt in Tannhäuser's Geschick ist? Kurz, wir begegne" schon hier an
der Schwelle der Unklarheit, an der Wagner der Kritiker, der Dichter und
Musiker gleichmäßig leidet. Betrachten wir zuerst deu Dichter etwas näher.

Wollen Sie das Zugeständniß ausgesprochen haben, das ich bereitwillig
mache, sein Text sei um Vieles besser, als die gewöhnlichen Opcrntcxtc? Ich
meine, dieses würde Wagner selbst am Entschiedeudsten sich verbitte". Er giebt
seine Oper"dichtnngen für Erzeugnisse eines selbstständig schaffende" Dichtergeistes,
die zwar so geartet sind, daß sie erst in der organischen Durchdringung mit der
Musik ihre Vollendung erreichen, allein um dazu fähig zu sei", an und für sich
poetisch aufgefaßt, motivirt und durchgebildet sein müssen. Ist es nun Wagner
gelungen, die Sage vom Tannhäuser so zu gestalte", daß die tragische Idee,
welche er i" dieselbe hineingelegt oder a"S derselbe" herausgezogen hat, als eine
Poetisch wahre sich uns klar ausgeprägt darstellt, daß die handelnden Personen, die
Träger dieser, in der durch sie bedingte" Charakteristik als lebensvolle In¬
dividuen, die e"tscheide"de" Momente der Handlung als mit einer innern Noth¬
wendigkeit ans jenen Voransschuugeu hervorgehend erscheinen? Wir müssen dies
aufs Bestimmteste verneinen.

Die Frage, in deren Beantwortung sich Alles concentrirt, ist die, wie weit
dem Dichter die Auffassung und Gestaltung des Tannhäusers selbst gelungen sei.


überhaupt vorkam. Nur die gränzenlose Bescheidenheit und Zurückhaltung dieses
Künstlers tragen die Schuld, wenn ihm bei seinen Lebzeiten niemals die Aner¬
kennung und Aufmunterung ward, die er in so hohem Grade, sowohl durch
seine Bildwerke, als seine zum Theil außerordentlich schöne» historisch-religiösen
Kompositionen verdiente. —




Tannhäuser, Oper von Richard Wagner.

Bei dem Interesse, welches man gegenwärtig hier an Wagner's Tannhäuser
nimmt, oder, wie Einige wollen, bei der kunsthistorischen Bedeutung des Ereignisses,
daß diese Oper in kurzer Zeit nun bereits dreimal bei mäßig gefülltem Hause
aufgeführt worden ist, gestatten Sie wol auch einer Ansicht Gehör, die mit dem
in den Grenzboten gegebenen Bericht keineswegs ganz übereinstimmt und mit deu
in unserm Tagesblättern gepredigten Evangelien in starkem Widerspruch steht.

Verübeln Sie mir es nicht, wenn ich schon an dem Titel der Oper Anstoß
nehmen muß: „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg." und? sind
denn das zwei Gegenstände, die nur so zufällig mit einander in Berührung
gebracht find? hat der Sängerkrieg nicht eine Bedeutung dadurch, daß er
der Wendepunkt in Tannhäuser's Geschick ist? Kurz, wir begegne» schon hier an
der Schwelle der Unklarheit, an der Wagner der Kritiker, der Dichter und
Musiker gleichmäßig leidet. Betrachten wir zuerst deu Dichter etwas näher.

Wollen Sie das Zugeständniß ausgesprochen haben, das ich bereitwillig
mache, sein Text sei um Vieles besser, als die gewöhnlichen Opcrntcxtc? Ich
meine, dieses würde Wagner selbst am Entschiedeudsten sich verbitte». Er giebt
seine Oper»dichtnngen für Erzeugnisse eines selbstständig schaffende» Dichtergeistes,
die zwar so geartet sind, daß sie erst in der organischen Durchdringung mit der
Musik ihre Vollendung erreichen, allein um dazu fähig zu sei», an und für sich
poetisch aufgefaßt, motivirt und durchgebildet sein müssen. Ist es nun Wagner
gelungen, die Sage vom Tannhäuser so zu gestalte», daß die tragische Idee,
welche er i» dieselbe hineingelegt oder a»S derselbe» herausgezogen hat, als eine
Poetisch wahre sich uns klar ausgeprägt darstellt, daß die handelnden Personen, die
Träger dieser, in der durch sie bedingte» Charakteristik als lebensvolle In¬
dividuen, die e»tscheide»de» Momente der Handlung als mit einer innern Noth¬
wendigkeit ans jenen Voransschuugeu hervorgehend erscheinen? Wir müssen dies
aufs Bestimmteste verneinen.

Die Frage, in deren Beantwortung sich Alles concentrirt, ist die, wie weit
dem Dichter die Auffassung und Gestaltung des Tannhäusers selbst gelungen sei.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/335>, abgerufen am 26.12.2024.