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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Compositeur und als kühner, unternehmender Künstler bewährt. Die nächste Aus-
stellung wird übrigens auch von anderen deutschen Meistern Erhebliches bringen,
und Carl Müller eins Schwaben ist mit Ausführung einer satyrisch-humoristischen
Studie ans der Zeit beschäftigt, welche seinem Carneval von Venedig vielleicht noch
vorzuziehen sein wird. Von letzterem erscheint nächstens ein prachtvoller Kupferstich,
welcher sehr zu empfehlen ist. Unter den Portraitmalern steht der junge Riccard
oben an, das ist ein außerordentlich begabtes und fruchtbares Talent, das spater ein¬
mal in's historische Feld übergehend, bleibende Meisterwerke schassen muß. Das ist
ein Künstler, welcher im Geiste der großen Maler lebt und namentlich der Farbe
nach den großen Meistern der besten Zeit mit Erfolg nachringen wird. Für die
nächste Ausstellung hat er ein Portrait von Wilhelmine Clauß angefertigt, das
leicht die Perle des Salons sein dürfte. Unter den Musikern herrscht ziemliche
Thätigkeit. Theodor Gvury hat unlängst eine Symphonie von sich aufführen
lassen, die ein ganz außerordentliches Talent bethätigt. Inhalt sowol, als Or-
chestirnng verheißen dem jungen Elsässer keine gewöhnliche Zukunft. Ferdinand
Hiller will hier seine neuesten und alten Compositionen in einigen Concerten dem
Pariser Publicum vorführen, und dieser eben so gründliche als thätige Musiker
scheint aus dem Pariser Boden die besten Eingebungen zu schöpfen. Er hat hier
eine Reihe vortrefflicher Arbeiten vollendet. Stephan Keller gefällt sich in
der Abfassung anspruchsloser Kleinigkeiten, die alle musikalische Meisterstücke sind.
Man kann nicht mit mehr Geist, mit mehr Geschmack den augenblicklichen Ein¬
gebungen eines reichen Geistes lieblichen Ausdruck gebe". Der Kreis seiner
Verehrer wird auch nach jeder neue" Composition großer, und die Franzosen
legen gern die abgeschmackten Modeklingeleicn bei Seite, "in sich an dem gediege¬
nen Inhalte dieser genialen Tondichtungen zu erfreuen, Ander's neue Oper
gefällt nicht besonders, unsre musikalische Neugierde ist auf Meucrbeer's Afrika¬
nerinnen gespannt, welche endlich den gierige" Händen des Herrn Roqueplan
überliefert worden sein soll. Meyerbeer sott gegenwärtig an einer komischen
Oper arbeiten. Auch Ferdinand Hiller schreibt an einer Oper. Vom italienischen
Theater spricht man dieses Jahr gar nicht. Fräulein Cruvelli'S Stern ist im Sinken.


I.

Als ich Ihnen neulich über die wahrscheinlichen Folgen der Diplomatie der
nordischen Mächte geschrieben, hatte ich nicht geahnt, daß die Ereignisse mir so bald
Recht geben sollten. Louis Napoleon hat nicht lange gewartet, um der europäischen
Diplomatie neuerdings zu beweisen, daß er nicht der Manu sei, der ungestraft mit sich spielen
lasst. Sein jüngster camp alö töte hat aber in meinen Augen "och mehr historische
Bedeutung als Alles, was er bisher gethan. Die Politik Louis Napoleon's seit der
Julirevolution und namentlich seit der Februarrevolution war nur auf die Erlangung
des Kaiscrtitcls gerichtet. Der Gefangene von Ham sowol, als der Präsident der
Republik waren bloße Prätendenten, kaiserliche Cvnspiratenrs und nichts mehr -- so


Compositeur und als kühner, unternehmender Künstler bewährt. Die nächste Aus-
stellung wird übrigens auch von anderen deutschen Meistern Erhebliches bringen,
und Carl Müller eins Schwaben ist mit Ausführung einer satyrisch-humoristischen
Studie ans der Zeit beschäftigt, welche seinem Carneval von Venedig vielleicht noch
vorzuziehen sein wird. Von letzterem erscheint nächstens ein prachtvoller Kupferstich,
welcher sehr zu empfehlen ist. Unter den Portraitmalern steht der junge Riccard
oben an, das ist ein außerordentlich begabtes und fruchtbares Talent, das spater ein¬
mal in's historische Feld übergehend, bleibende Meisterwerke schassen muß. Das ist
ein Künstler, welcher im Geiste der großen Maler lebt und namentlich der Farbe
nach den großen Meistern der besten Zeit mit Erfolg nachringen wird. Für die
nächste Ausstellung hat er ein Portrait von Wilhelmine Clauß angefertigt, das
leicht die Perle des Salons sein dürfte. Unter den Musikern herrscht ziemliche
Thätigkeit. Theodor Gvury hat unlängst eine Symphonie von sich aufführen
lassen, die ein ganz außerordentliches Talent bethätigt. Inhalt sowol, als Or-
chestirnng verheißen dem jungen Elsässer keine gewöhnliche Zukunft. Ferdinand
Hiller will hier seine neuesten und alten Compositionen in einigen Concerten dem
Pariser Publicum vorführen, und dieser eben so gründliche als thätige Musiker
scheint aus dem Pariser Boden die besten Eingebungen zu schöpfen. Er hat hier
eine Reihe vortrefflicher Arbeiten vollendet. Stephan Keller gefällt sich in
der Abfassung anspruchsloser Kleinigkeiten, die alle musikalische Meisterstücke sind.
Man kann nicht mit mehr Geist, mit mehr Geschmack den augenblicklichen Ein¬
gebungen eines reichen Geistes lieblichen Ausdruck gebe». Der Kreis seiner
Verehrer wird auch nach jeder neue» Composition großer, und die Franzosen
legen gern die abgeschmackten Modeklingeleicn bei Seite, »in sich an dem gediege¬
nen Inhalte dieser genialen Tondichtungen zu erfreuen, Ander's neue Oper
gefällt nicht besonders, unsre musikalische Neugierde ist auf Meucrbeer's Afrika¬
nerinnen gespannt, welche endlich den gierige» Händen des Herrn Roqueplan
überliefert worden sein soll. Meyerbeer sott gegenwärtig an einer komischen
Oper arbeiten. Auch Ferdinand Hiller schreibt an einer Oper. Vom italienischen
Theater spricht man dieses Jahr gar nicht. Fräulein Cruvelli'S Stern ist im Sinken.


I.

Als ich Ihnen neulich über die wahrscheinlichen Folgen der Diplomatie der
nordischen Mächte geschrieben, hatte ich nicht geahnt, daß die Ereignisse mir so bald
Recht geben sollten. Louis Napoleon hat nicht lange gewartet, um der europäischen
Diplomatie neuerdings zu beweisen, daß er nicht der Manu sei, der ungestraft mit sich spielen
lasst. Sein jüngster camp alö töte hat aber in meinen Augen »och mehr historische
Bedeutung als Alles, was er bisher gethan. Die Politik Louis Napoleon's seit der
Julirevolution und namentlich seit der Februarrevolution war nur auf die Erlangung
des Kaiscrtitcls gerichtet. Der Gefangene von Ham sowol, als der Präsident der
Republik waren bloße Prätendenten, kaiserliche Cvnspiratenrs und nichts mehr — so


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[0237] Compositeur und als kühner, unternehmender Künstler bewährt. Die nächste Aus- stellung wird übrigens auch von anderen deutschen Meistern Erhebliches bringen, und Carl Müller eins Schwaben ist mit Ausführung einer satyrisch-humoristischen Studie ans der Zeit beschäftigt, welche seinem Carneval von Venedig vielleicht noch vorzuziehen sein wird. Von letzterem erscheint nächstens ein prachtvoller Kupferstich, welcher sehr zu empfehlen ist. Unter den Portraitmalern steht der junge Riccard oben an, das ist ein außerordentlich begabtes und fruchtbares Talent, das spater ein¬ mal in's historische Feld übergehend, bleibende Meisterwerke schassen muß. Das ist ein Künstler, welcher im Geiste der großen Maler lebt und namentlich der Farbe nach den großen Meistern der besten Zeit mit Erfolg nachringen wird. Für die nächste Ausstellung hat er ein Portrait von Wilhelmine Clauß angefertigt, das leicht die Perle des Salons sein dürfte. Unter den Musikern herrscht ziemliche Thätigkeit. Theodor Gvury hat unlängst eine Symphonie von sich aufführen lassen, die ein ganz außerordentliches Talent bethätigt. Inhalt sowol, als Or- chestirnng verheißen dem jungen Elsässer keine gewöhnliche Zukunft. Ferdinand Hiller will hier seine neuesten und alten Compositionen in einigen Concerten dem Pariser Publicum vorführen, und dieser eben so gründliche als thätige Musiker scheint aus dem Pariser Boden die besten Eingebungen zu schöpfen. Er hat hier eine Reihe vortrefflicher Arbeiten vollendet. Stephan Keller gefällt sich in der Abfassung anspruchsloser Kleinigkeiten, die alle musikalische Meisterstücke sind. Man kann nicht mit mehr Geist, mit mehr Geschmack den augenblicklichen Ein¬ gebungen eines reichen Geistes lieblichen Ausdruck gebe». Der Kreis seiner Verehrer wird auch nach jeder neue» Composition großer, und die Franzosen legen gern die abgeschmackten Modeklingeleicn bei Seite, »in sich an dem gediege¬ nen Inhalte dieser genialen Tondichtungen zu erfreuen, Ander's neue Oper gefällt nicht besonders, unsre musikalische Neugierde ist auf Meucrbeer's Afrika¬ nerinnen gespannt, welche endlich den gierige» Händen des Herrn Roqueplan überliefert worden sein soll. Meyerbeer sott gegenwärtig an einer komischen Oper arbeiten. Auch Ferdinand Hiller schreibt an einer Oper. Vom italienischen Theater spricht man dieses Jahr gar nicht. Fräulein Cruvelli'S Stern ist im Sinken. I. Als ich Ihnen neulich über die wahrscheinlichen Folgen der Diplomatie der nordischen Mächte geschrieben, hatte ich nicht geahnt, daß die Ereignisse mir so bald Recht geben sollten. Louis Napoleon hat nicht lange gewartet, um der europäischen Diplomatie neuerdings zu beweisen, daß er nicht der Manu sei, der ungestraft mit sich spielen lasst. Sein jüngster camp alö töte hat aber in meinen Augen »och mehr historische Bedeutung als Alles, was er bisher gethan. Die Politik Louis Napoleon's seit der Julirevolution und namentlich seit der Februarrevolution war nur auf die Erlangung des Kaiscrtitcls gerichtet. Der Gefangene von Ham sowol, als der Präsident der Republik waren bloße Prätendenten, kaiserliche Cvnspiratenrs und nichts mehr — so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/237>, abgerufen am 27.06.2024.