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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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noch einfachere Formen ausgesonnen, so einfache, daß sie auch für die dürftig¬
sten Ortschaften passen!

Als ob dieses Formenwesen der Zweck der Gemeideordnung wäre!

Eine nothwendige Folge dieser seltsamen Abirrung war die Ausschließung
der Rittergüter von dem Gemeindeleben. Um die Eigenthümlichkeiten der "kleinen
Monarchien" zu Pflegen, sollten sie eigene Gutsbezirke" bilden. So wurde in
einigen Provinzen des Staats mehr als die Hälfte des Areals dem Gemeinde¬
verbande entzogen.

Die einfacheren Formen, welche das Ministerium für die armen Dorfge¬
meinden ausgesonnen, haben nur ein psychologisches und antiquarisches Interesse.
Die erste Kammer war durch sie allerdings sehr zufriedengestellt; allein die zweite
lehnte die von der Negierung dringend gewünschte Entscheidung der Frage, ob
eine gesonderte Gemeindeordnung für die Städte und für das platte Land er¬
lassen werden sollte, bis zur Beendigung der Berathung über sämmtliche Vor¬
lagen ab, und war im besten Zuge, im Einzelnen die neuen NcgiernngSvorschläge
mit den liberalen Bestimmungen der Gemeindeordnung von 1830 zu vertauschen,
als plötzlich der Schluß der Session erfolgte.

Nichts desto weniger erschien bald darauf, am 19. Juni 18S2, eine Königl.
Ordre, welche die weitere Ausführung von -I8Ü0 untersagte.

So war ein Werk, auf das man 60 Jahre vergeblich gewartet hatte, das
endlich von dem gegenwärtigen Ministerpräsidenten unternommen und nach seinen
Ansichten ans den Kammerberathungcn verbessert hervorgegangen war, unter
den Auspicien desselben Mannes ernstlich wieder in Frage gestellt.




W o es e n ki e r i es t.

-- Unsere diesjährige Wintersaison ist nicht so
brillant ausgefallen als die vorige, die durch den Besuch des Kaisers eingeleitet, durch
den der russischen Großfürsten eine ungewöhnliche Lebendigkeit erhielt, über die sich die
Venezianer selbst heute noch verwundern. Wir erfreuen uns jetzt nur der Gegenwart
von einigen Dutzenden schwindsüchtiger, die im Sonnenschein die Riva entlang
hüstelnd hin und her schleichen und sich über alles Mögliche beschweren, über Luft und
Wasser, übet Mangel des Feuers und überflüssige Kälte, über trockene Unterhaltung
und feuchte Stuben; es muß zugegeben werden, daß manche dieser Beschwerden nichts
weniger als unbegründet sind, so fehlt es z. B. gar sehr an zweckmäßigen, nur einiger¬
maßen comfortablen Miethwohnungen, die wenige" erträglichen aber sind enorm theuer.
So sehr dem Venezianer anch die Navolöon's der Fremden gefallen, die bald seine ein¬
zige Erwerbsquelle bleiben werden, so ist er doch zu schlaff, um die geringste Anstrengung
zu machen, die ihm nicht unmittelbar Vortheil bringt. Daran geht anch die Handels-


Grcuzbvteu. I. -1863. 2t

noch einfachere Formen ausgesonnen, so einfache, daß sie auch für die dürftig¬
sten Ortschaften passen!

Als ob dieses Formenwesen der Zweck der Gemeideordnung wäre!

Eine nothwendige Folge dieser seltsamen Abirrung war die Ausschließung
der Rittergüter von dem Gemeindeleben. Um die Eigenthümlichkeiten der „kleinen
Monarchien" zu Pflegen, sollten sie eigene Gutsbezirke" bilden. So wurde in
einigen Provinzen des Staats mehr als die Hälfte des Areals dem Gemeinde¬
verbande entzogen.

Die einfacheren Formen, welche das Ministerium für die armen Dorfge¬
meinden ausgesonnen, haben nur ein psychologisches und antiquarisches Interesse.
Die erste Kammer war durch sie allerdings sehr zufriedengestellt; allein die zweite
lehnte die von der Negierung dringend gewünschte Entscheidung der Frage, ob
eine gesonderte Gemeindeordnung für die Städte und für das platte Land er¬
lassen werden sollte, bis zur Beendigung der Berathung über sämmtliche Vor¬
lagen ab, und war im besten Zuge, im Einzelnen die neuen NcgiernngSvorschläge
mit den liberalen Bestimmungen der Gemeindeordnung von 1830 zu vertauschen,
als plötzlich der Schluß der Session erfolgte.

Nichts desto weniger erschien bald darauf, am 19. Juni 18S2, eine Königl.
Ordre, welche die weitere Ausführung von -I8Ü0 untersagte.

So war ein Werk, auf das man 60 Jahre vergeblich gewartet hatte, das
endlich von dem gegenwärtigen Ministerpräsidenten unternommen und nach seinen
Ansichten ans den Kammerberathungcn verbessert hervorgegangen war, unter
den Auspicien desselben Mannes ernstlich wieder in Frage gestellt.




W o es e n ki e r i es t.

— Unsere diesjährige Wintersaison ist nicht so
brillant ausgefallen als die vorige, die durch den Besuch des Kaisers eingeleitet, durch
den der russischen Großfürsten eine ungewöhnliche Lebendigkeit erhielt, über die sich die
Venezianer selbst heute noch verwundern. Wir erfreuen uns jetzt nur der Gegenwart
von einigen Dutzenden schwindsüchtiger, die im Sonnenschein die Riva entlang
hüstelnd hin und her schleichen und sich über alles Mögliche beschweren, über Luft und
Wasser, übet Mangel des Feuers und überflüssige Kälte, über trockene Unterhaltung
und feuchte Stuben; es muß zugegeben werden, daß manche dieser Beschwerden nichts
weniger als unbegründet sind, so fehlt es z. B. gar sehr an zweckmäßigen, nur einiger¬
maßen comfortablen Miethwohnungen, die wenige» erträglichen aber sind enorm theuer.
So sehr dem Venezianer anch die Navolöon's der Fremden gefallen, die bald seine ein¬
zige Erwerbsquelle bleiben werden, so ist er doch zu schlaff, um die geringste Anstrengung
zu machen, die ihm nicht unmittelbar Vortheil bringt. Daran geht anch die Handels-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/193>, abgerufen am 26.12.2024.