Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.beklagen müssen, daß eine so bedeutende geistige Begabung so sehr des Schwerpunkts Eine parlamentarische Intrigue in Preußen. E beklagen müssen, daß eine so bedeutende geistige Begabung so sehr des Schwerpunkts Eine parlamentarische Intrigue in Preußen. E <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0125" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186001"/> <p xml:id="ID_338" prev="#ID_337"> beklagen müssen, daß eine so bedeutende geistige Begabung so sehr des Schwerpunkts<lb/> solider politischer Grundsätze entbehrt. Einem ultramontanen irischen Blatte, das sehr<lb/> geistreich geschriebene ParlamcntSstizzen bringt, entnehmen wir eine graphische<lb/> Schilderung der Schlnßkatastrophe seiner ministeriellen Wirksamkeit: Disraeli's Schlu߬<lb/> rede, die drei Stunden dauerte, war eine der gewaltigsten oratorischen Leistungen, die<lb/> man je im Hanse gehört hat. Personen, welche sich an alle Leistungen Eanning's,<lb/> Stanley'S, Plnnkctt's, Lindhnrst's, Brougham's, Peel's und Sheik'S erinnern können,<lb/> erklären, daß Theile seiner Rede in schrecklicher Jntensivität des Sarkasmus Alles über¬<lb/> treffen, was jemals von einem dieser Redner in seinen besten und erfolgreichsten Reden<lb/> gehört worden ist. Er war, wie Kemble von Kaau sagte: „Fürchterlich im Ernst."<lb/> Er sah sein Schicksal voraus und schäumte darüber: getäuschte Hoffnung machte ihn<lb/> wahnsinnig; die Verzweiflung flößte ihm Wuth ein; seine Sarkasmen waren sardonisch<lb/> und schrecklich; seine eigene Aufregung war entsetzlich und seine Zuhörer theilten sie ......<lb/> sie waren buchstäblich clettrisirt. Die glühende Leidenschaftlichkeit seiner Stimme war<lb/> geradezu peinlich. Die Angriffe und der Spott seiner Gegner reizte ihn bis zur Wuth,<lb/> und er zahlte ihnen mit Wuth, Energie und blitzglcicher Beredsamkeit zurück. Er fühlte,<lb/> wie ihm der große Preis gerade in dem Augenblick ans den Händen gerissen wurde,<lb/> wo er ihn festhalten wollte, und er verachtete die Beweggründe der Führer, die sich<lb/> verschworen hatten, ihn niederzusetzen, und oben ans der Galerie saß Einer, dessen<lb/> stolze und leidenschaftliche Seele mit ihm sympathisirte, und dessen Gesicht unzweideutige<lb/> Freude über die Züchtigung, welche die Gegner empfingen, verrieth. Aber Beide fühlten,<lb/> daß Alles vorbei sei, und die letzten Worte des aufgeregten Redners, obgleich mit er¬<lb/> schütternder Gewalt gesprochen, schienen ans seinen Lippen zu sterben, wie eine Art<lb/> Grabgcläut aller seiner theuersten Hoffnungen, und hatten einen trüben und melancho¬<lb/> lischen Klang, als verkündeten sie ein dieses Gefühl der Eitelkeit aller der irdischen Träume,<lb/> die nur „der nichtige Bau sind eines SchcingesichtS!"</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Eine parlamentarische Intrigue in Preußen.</head> <p xml:id="ID_339" next="#ID_340"> E<lb/> s erregte Auf¬<lb/> sehen, als vor einigen Wochen in der zweiten preußischen Kammer der Abgeordnete<lb/> Graf Renard, eines der eifrigsten Mitglieder der äußersten Rechten, einen Antrag,<lb/> die Reform der Sportclgcsetzgcbung betreffend, einbrachte und die rechte Seite des<lb/> Hauses trotz der Erklärung des Justizministers, daß die Regierung eine Vorlage hier¬<lb/> über vorbereite, die Dringlichkeit des Antrags verlangte, und zur Abstimmung brachte.<lb/> Bekanntlich wurde derselbe nur mit der winzigen Mehrheit von vier Stimmen ver¬<lb/> worfen. Dies Resultat erregte im Lager der Rechten den höchsten Unwillen, die Kreuz-<lb/> zeitung perorirte über das traurige Bündniß des Ministeriums mit der Linken, mit<lb/> welcher vier Minister gestimmt hätten, und forderte zugleich das Land und die Wähler<lb/> aus, aus diesem Votum Kenntniß zu nehmen, auf welcher Seite die aufrichtigen Ver¬<lb/> treter der wahren und dringenden Interessen des Volkes sich befänden. Es ist gewiß<lb/> interessant zu erfahre», daß hinter dieser tugendhaften und patriotischen Entrüstung nnr<lb/> der Aerger über eine gescheiterte PortefcnilleSintriguc sich verbarg. Die äußerste Rechte<lb/> wünschte nämlich den Mann ihres Vertrauens und ihrer Zuneigung, Herrn Abbe», den<lb/> sie gegenwärtig gerade nicht zur Förderung der parlamentarischen Geschäfte auf den<lb/> Präsidcnteustuhl der zweiten Kammer erhoben hat, statt des Herren Simons, der nicht<lb/> das Glück hat, vor den Augen des Herrn v. Gerlach und seiner Partisane Gnade zu</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0125]
beklagen müssen, daß eine so bedeutende geistige Begabung so sehr des Schwerpunkts
solider politischer Grundsätze entbehrt. Einem ultramontanen irischen Blatte, das sehr
geistreich geschriebene ParlamcntSstizzen bringt, entnehmen wir eine graphische
Schilderung der Schlnßkatastrophe seiner ministeriellen Wirksamkeit: Disraeli's Schlu߬
rede, die drei Stunden dauerte, war eine der gewaltigsten oratorischen Leistungen, die
man je im Hanse gehört hat. Personen, welche sich an alle Leistungen Eanning's,
Stanley'S, Plnnkctt's, Lindhnrst's, Brougham's, Peel's und Sheik'S erinnern können,
erklären, daß Theile seiner Rede in schrecklicher Jntensivität des Sarkasmus Alles über¬
treffen, was jemals von einem dieser Redner in seinen besten und erfolgreichsten Reden
gehört worden ist. Er war, wie Kemble von Kaau sagte: „Fürchterlich im Ernst."
Er sah sein Schicksal voraus und schäumte darüber: getäuschte Hoffnung machte ihn
wahnsinnig; die Verzweiflung flößte ihm Wuth ein; seine Sarkasmen waren sardonisch
und schrecklich; seine eigene Aufregung war entsetzlich und seine Zuhörer theilten sie ......
sie waren buchstäblich clettrisirt. Die glühende Leidenschaftlichkeit seiner Stimme war
geradezu peinlich. Die Angriffe und der Spott seiner Gegner reizte ihn bis zur Wuth,
und er zahlte ihnen mit Wuth, Energie und blitzglcicher Beredsamkeit zurück. Er fühlte,
wie ihm der große Preis gerade in dem Augenblick ans den Händen gerissen wurde,
wo er ihn festhalten wollte, und er verachtete die Beweggründe der Führer, die sich
verschworen hatten, ihn niederzusetzen, und oben ans der Galerie saß Einer, dessen
stolze und leidenschaftliche Seele mit ihm sympathisirte, und dessen Gesicht unzweideutige
Freude über die Züchtigung, welche die Gegner empfingen, verrieth. Aber Beide fühlten,
daß Alles vorbei sei, und die letzten Worte des aufgeregten Redners, obgleich mit er¬
schütternder Gewalt gesprochen, schienen ans seinen Lippen zu sterben, wie eine Art
Grabgcläut aller seiner theuersten Hoffnungen, und hatten einen trüben und melancho¬
lischen Klang, als verkündeten sie ein dieses Gefühl der Eitelkeit aller der irdischen Träume,
die nur „der nichtige Bau sind eines SchcingesichtS!"
Eine parlamentarische Intrigue in Preußen. E
s erregte Auf¬
sehen, als vor einigen Wochen in der zweiten preußischen Kammer der Abgeordnete
Graf Renard, eines der eifrigsten Mitglieder der äußersten Rechten, einen Antrag,
die Reform der Sportclgcsetzgcbung betreffend, einbrachte und die rechte Seite des
Hauses trotz der Erklärung des Justizministers, daß die Regierung eine Vorlage hier¬
über vorbereite, die Dringlichkeit des Antrags verlangte, und zur Abstimmung brachte.
Bekanntlich wurde derselbe nur mit der winzigen Mehrheit von vier Stimmen ver¬
worfen. Dies Resultat erregte im Lager der Rechten den höchsten Unwillen, die Kreuz-
zeitung perorirte über das traurige Bündniß des Ministeriums mit der Linken, mit
welcher vier Minister gestimmt hätten, und forderte zugleich das Land und die Wähler
aus, aus diesem Votum Kenntniß zu nehmen, auf welcher Seite die aufrichtigen Ver¬
treter der wahren und dringenden Interessen des Volkes sich befänden. Es ist gewiß
interessant zu erfahre», daß hinter dieser tugendhaften und patriotischen Entrüstung nnr
der Aerger über eine gescheiterte PortefcnilleSintriguc sich verbarg. Die äußerste Rechte
wünschte nämlich den Mann ihres Vertrauens und ihrer Zuneigung, Herrn Abbe», den
sie gegenwärtig gerade nicht zur Förderung der parlamentarischen Geschäfte auf den
Präsidcnteustuhl der zweiten Kammer erhoben hat, statt des Herren Simons, der nicht
das Glück hat, vor den Augen des Herrn v. Gerlach und seiner Partisane Gnade zu
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