Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.sie die Laterne und schleichen vorsichtig vorbei, damit die aus der Straße befind¬ Unter den Schleußenjägern ist eine seltsame Mythe heimisch. Sie erzählen Die politische Situation. Daß die gegenwärtige Situation anch in dem Lager der östreichischen Koalition 64*
sie die Laterne und schleichen vorsichtig vorbei, damit die aus der Straße befind¬ Unter den Schleußenjägern ist eine seltsame Mythe heimisch. Sie erzählen Die politische Situation. Daß die gegenwärtige Situation anch in dem Lager der östreichischen Koalition 64*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94960"/> <p xml:id="ID_1526" prev="#ID_1525"> sie die Laterne und schleichen vorsichtig vorbei, damit die aus der Straße befind¬<lb/> lichen Leute sie nicht entdecken und dem Polizeimann verrathen. Die ganze Zeit<lb/> über untersuchen sie den Boden des Canals, scharren den Schlamm mit ihrer<lb/> Hacke weg, und nehmen aus der Fuge zwischen den Gesteinen Geld oder andere<lb/> Gegenstände, die stets dort stecken bleiben. An manchen Stellen hat der Boden<lb/> Löcher, und hier haben sich manchmal ganze Klumpen von Gegenständen seit<lb/> Jahren gesammelt. Solche Klumpen bestehen ans Eisenstncken, Nägeln, allerlei<lb/> Metallsachcn, Geldstücken aller Art, zu einer felsenfesten Masse zusammengebacken<lb/> und geröstet, und manchmal S0—200 Pfund schwer. Diese Klumpen lassen sich<lb/> wegen ihrer Schwere nicht mit fortnehmen, wenn es nicht gelingt, sie mit dem<lb/> Hammer zu zerschlagen, und es sollen mehrere solcher Massen in den Schleußen<lb/> liegen. Die Schleußenjäger finden viel Geld, hauptsächlich Kupfer, aber manchmal<lb/> bringen sie anch Shilling«, halbe Kronen und selbst halbe und ganze Sovereigns<lb/> aus dem Schlamme herauf. Zuweilen finden sie auch Silberzeug, wie Löffel,<lb/> Messer, Gabeln, Trinkbecher, und dann und wann Schmucksachen; aber sie verschmähen<lb/> deshalb nie gewichtigere Sachen, wie altes Eisen und Knochen. Haben sie genng<lb/> gesammelt, — es ist immer genug zum Finden da, — so schleichen sie ans den<lb/> Kanälen heraus und begeben sich nach Hanse, wo sie ihre Beute theilen. Sie<lb/> 'se meistens ziemlich reichlich, und beträgt manchmal dreißig Shilling bis zwei Pfund<lb/> für jeden Einzelnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1527"> Unter den Schleußenjägern ist eine seltsame Mythe heimisch. Sie erzählen<lb/> nämlich von einer Herde wilder Schweine in den Schleußen von Hampstead. Es<lb/> soll einmal eine trächtige Sau zufällig durch eine Dcffnnng in die Schleiche ge¬<lb/> kommen sein, später darin geworfen und ihre Jungen von dem in den Schleußen<lb/> überreichlich vorhandenen Abfall aufgefüttert haben. Die neue Brut soll sich außer¬<lb/> ordentlich vermehrt haben und eben so wild als zahlreich sein. Noch kein mensch¬<lb/> liches Auge hat eines dieser Schweine gesehen, kein menschliches Ohr ihr Grunzen<lb/> gehört, aber die Schleußenjäger erzählen ihre Geschichte mit großer Zuversicht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Die politische Situation.</head><lb/> <p xml:id="ID_1528" next="#ID_1529"> Daß die gegenwärtige Situation anch in dem Lager der östreichischen Koalition<lb/> einige Verwirrung hervorgebracht hat, verräth die Sprache, welche ihre Presse<lb/> führt. Bald gerät!) sie in die leidenschaftlichste Hitze, bald schlägt sie einen<lb/> rührenden Ton an. Ein östreichisches Blatt behauptet, die Niederlage bei Jena<lb/> sei die späte, aber verdiente Strafe für den Verrath von Mollwitz gewesen. Ein<lb/> anderes Blatt versichert sehr unbefangen, die preußische Ehre sei ein Begriff,<lb/> wovon man zwar viel rede, dem aber in der Wirklichkeit nichts entspreche. Da-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 64*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0519]
sie die Laterne und schleichen vorsichtig vorbei, damit die aus der Straße befind¬
lichen Leute sie nicht entdecken und dem Polizeimann verrathen. Die ganze Zeit
über untersuchen sie den Boden des Canals, scharren den Schlamm mit ihrer
Hacke weg, und nehmen aus der Fuge zwischen den Gesteinen Geld oder andere
Gegenstände, die stets dort stecken bleiben. An manchen Stellen hat der Boden
Löcher, und hier haben sich manchmal ganze Klumpen von Gegenständen seit
Jahren gesammelt. Solche Klumpen bestehen ans Eisenstncken, Nägeln, allerlei
Metallsachcn, Geldstücken aller Art, zu einer felsenfesten Masse zusammengebacken
und geröstet, und manchmal S0—200 Pfund schwer. Diese Klumpen lassen sich
wegen ihrer Schwere nicht mit fortnehmen, wenn es nicht gelingt, sie mit dem
Hammer zu zerschlagen, und es sollen mehrere solcher Massen in den Schleußen
liegen. Die Schleußenjäger finden viel Geld, hauptsächlich Kupfer, aber manchmal
bringen sie anch Shilling«, halbe Kronen und selbst halbe und ganze Sovereigns
aus dem Schlamme herauf. Zuweilen finden sie auch Silberzeug, wie Löffel,
Messer, Gabeln, Trinkbecher, und dann und wann Schmucksachen; aber sie verschmähen
deshalb nie gewichtigere Sachen, wie altes Eisen und Knochen. Haben sie genng
gesammelt, — es ist immer genug zum Finden da, — so schleichen sie ans den
Kanälen heraus und begeben sich nach Hanse, wo sie ihre Beute theilen. Sie
'se meistens ziemlich reichlich, und beträgt manchmal dreißig Shilling bis zwei Pfund
für jeden Einzelnen.
Unter den Schleußenjägern ist eine seltsame Mythe heimisch. Sie erzählen
nämlich von einer Herde wilder Schweine in den Schleußen von Hampstead. Es
soll einmal eine trächtige Sau zufällig durch eine Dcffnnng in die Schleiche ge¬
kommen sein, später darin geworfen und ihre Jungen von dem in den Schleußen
überreichlich vorhandenen Abfall aufgefüttert haben. Die neue Brut soll sich außer¬
ordentlich vermehrt haben und eben so wild als zahlreich sein. Noch kein mensch¬
liches Auge hat eines dieser Schweine gesehen, kein menschliches Ohr ihr Grunzen
gehört, aber die Schleußenjäger erzählen ihre Geschichte mit großer Zuversicht.
Die politische Situation.
Daß die gegenwärtige Situation anch in dem Lager der östreichischen Koalition
einige Verwirrung hervorgebracht hat, verräth die Sprache, welche ihre Presse
führt. Bald gerät!) sie in die leidenschaftlichste Hitze, bald schlägt sie einen
rührenden Ton an. Ein östreichisches Blatt behauptet, die Niederlage bei Jena
sei die späte, aber verdiente Strafe für den Verrath von Mollwitz gewesen. Ein
anderes Blatt versichert sehr unbefangen, die preußische Ehre sei ein Begriff,
wovon man zwar viel rede, dem aber in der Wirklichkeit nichts entspreche. Da-
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