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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Ob dieser Umstand ihm die Ueber aus der Hand gewunden hat, oder sein
Umgang mit fremden Menschen auf seine Denkweise von Einfluß war und
ihm das Handwerk verleidete, ist nicht zu bestimmen. DaS Letztere ist das
Wahrscheinlichere, denn in der lateinischen Metropole beschäftigte sich Gvgvl
eifrig mit dem Lesen der Kirchenväter, pilgerte dann nach dem gelobten Lande, pole-
misirte darauf'mit den russischen Schriftstellern über die Art und Weise, zur wahren
Seligkeit zu gelangen, und legte endlich in einem Testamente ein Glaubensbekennt¬
niß nieder, in welchem er alle seither ausgesprochen Ansichten widerrief. Eine Um¬
wandlung der Art grenzt ans Wunderbare bei einem Autor, dessen Grundzug
Sarkasmus und Ironie waren. Jedenfalls ist sie der "alleinseligmachenden Kirche"
zuzuschreiben, und der Triumph, Gogol auf deu Weg des wahren Heils gebracht
zu haben, keineswegs ein geringer.




Wochenbericht.

-- Die Staatsmänner, die sich durch eine siebenjährige
Opposition auf ihre amtliche Laufbahn vorbereitet haben, sind jetzt seit mehreren Mona¬
ten in Besitz ihrer Portefeuilles, und es ist wol Zeit zu fragen, wie sie, abgesehen
von den Principien, durch ihre persönlichen Fähigkeiten die ihnen zugewiesene Rolle aus¬
füllen. Principien kommen außer aller Frage, denn in der That scheinen sie feste Principien
und bestimmte Meinungen für höchst überflüssigen Ballast zu halten, der über Bord zu wer¬
fen ist, wenn d,as Schiff dadurch besser zu segeln verspricht. Das ist selbst mit dem
Lcbensprincip der Partei, mit dem Schutzzoll geschehe", obgleich die Zeit und die
Stunde seines gewaltsamen Todes, und die Hand, durch welche derselbe bewerkstelligt
worden, noch nicht vergewissert ist. Ja, in der That, der gewaltige Riese Protection,
der "och vor einem halben- Jahre die von den Baumwollenlords tyrannisirten Pächter
und Landbesitzer schrecklich rächen wollte, ist schmählich bei Nacht und Nebel von unbe¬
kannter Hand bei Seite geschafft. Nicht einmal die Ehre einer öffentlichen Bestattung
will man ihm gönnen, und seine Freunde sehen sich sogar des letzten Trostes beraubt
über seiner Leiche zu weinen. Der Verdacht der That ruht auf dem geistreichen Kanz¬
ler der Schatzkammer, den der Verstorbene wegen früheren Versprechungen allzndringlich
gemahnt habeir soll; der Minister aber behauptet lächelnd, der Niese habe in Folge der
Verachtung, in die er bei der öffentlichen Meinung gerathen, selbst Hand an sich gelegt,
und versichert geheimnißvoll, er habe einen geeigneten Ersatzmann für ihn schon in, der
Tasche. Einige Cabinctsmitglieder, wie z. B. der Marquis von Grauby, Lord Hard-
wicke, glauben zwar noch an seine Wiedererscheinung, aber sie sind auch zufrieden, wenn
der Kanzler der Schatzkammer, der ein sehr geschickter Zauberer ist, ihnen deu Riesen als
eine glänzende Möglichkeit in einer schönern Zukunft mit der Zauberlaterne an die
Wand malt.

Mustert man die sonstigen Thaten des gegenwärtigen Torycabinets, so muß man


Ob dieser Umstand ihm die Ueber aus der Hand gewunden hat, oder sein
Umgang mit fremden Menschen auf seine Denkweise von Einfluß war und
ihm das Handwerk verleidete, ist nicht zu bestimmen. DaS Letztere ist das
Wahrscheinlichere, denn in der lateinischen Metropole beschäftigte sich Gvgvl
eifrig mit dem Lesen der Kirchenväter, pilgerte dann nach dem gelobten Lande, pole-
misirte darauf'mit den russischen Schriftstellern über die Art und Weise, zur wahren
Seligkeit zu gelangen, und legte endlich in einem Testamente ein Glaubensbekennt¬
niß nieder, in welchem er alle seither ausgesprochen Ansichten widerrief. Eine Um¬
wandlung der Art grenzt ans Wunderbare bei einem Autor, dessen Grundzug
Sarkasmus und Ironie waren. Jedenfalls ist sie der „alleinseligmachenden Kirche"
zuzuschreiben, und der Triumph, Gogol auf deu Weg des wahren Heils gebracht
zu haben, keineswegs ein geringer.




Wochenbericht.

— Die Staatsmänner, die sich durch eine siebenjährige
Opposition auf ihre amtliche Laufbahn vorbereitet haben, sind jetzt seit mehreren Mona¬
ten in Besitz ihrer Portefeuilles, und es ist wol Zeit zu fragen, wie sie, abgesehen
von den Principien, durch ihre persönlichen Fähigkeiten die ihnen zugewiesene Rolle aus¬
füllen. Principien kommen außer aller Frage, denn in der That scheinen sie feste Principien
und bestimmte Meinungen für höchst überflüssigen Ballast zu halten, der über Bord zu wer¬
fen ist, wenn d,as Schiff dadurch besser zu segeln verspricht. Das ist selbst mit dem
Lcbensprincip der Partei, mit dem Schutzzoll geschehe», obgleich die Zeit und die
Stunde seines gewaltsamen Todes, und die Hand, durch welche derselbe bewerkstelligt
worden, noch nicht vergewissert ist. Ja, in der That, der gewaltige Riese Protection,
der »och vor einem halben- Jahre die von den Baumwollenlords tyrannisirten Pächter
und Landbesitzer schrecklich rächen wollte, ist schmählich bei Nacht und Nebel von unbe¬
kannter Hand bei Seite geschafft. Nicht einmal die Ehre einer öffentlichen Bestattung
will man ihm gönnen, und seine Freunde sehen sich sogar des letzten Trostes beraubt
über seiner Leiche zu weinen. Der Verdacht der That ruht auf dem geistreichen Kanz¬
ler der Schatzkammer, den der Verstorbene wegen früheren Versprechungen allzndringlich
gemahnt habeir soll; der Minister aber behauptet lächelnd, der Niese habe in Folge der
Verachtung, in die er bei der öffentlichen Meinung gerathen, selbst Hand an sich gelegt,
und versichert geheimnißvoll, er habe einen geeigneten Ersatzmann für ihn schon in, der
Tasche. Einige Cabinctsmitglieder, wie z. B. der Marquis von Grauby, Lord Hard-
wicke, glauben zwar noch an seine Wiedererscheinung, aber sie sind auch zufrieden, wenn
der Kanzler der Schatzkammer, der ein sehr geschickter Zauberer ist, ihnen deu Riesen als
eine glänzende Möglichkeit in einer schönern Zukunft mit der Zauberlaterne an die
Wand malt.

Mustert man die sonstigen Thaten des gegenwärtigen Torycabinets, so muß man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/35>, abgerufen am 21.12.2024.